"Die Teams, die Tanking als Strategie benutzen, richten Schaden an. Durch Tanking bringst du deinen jungen Spielern schlechte Angewohnheiten bei. Für mich ist das unverzeihlich. Wenn du tankst und nur junge Spieler einsetzt oder einen Mini-Kader benutzt, oder wenn du Spieler auf der falschen Position zu viele Minuten einsetzt, riskierst du Verletzungen. Es ist unverantwortlich und ich denke nicht, dass dies in irgendeiner Liga Platz hat."
Ob Jeanie Buss sich wohl noch an diese Aussagen aus dem Dezember 2014 erinnert? Als die Präsidentin und Teilhaberin der Lakers, konfrontiert mit der 6-16-Bilanz ihres Teams, noch voller Selbstbewusstsein behauptete, ihre Franchise würde niemals tanken? Als die letzte der bisher 16 Meisterschaften des Teams frisch genug war (2010), um noch fest daran zu glauben, bald würde wieder alles gut werden im Laker-Land?
Es spielt im Prinzip keine Rolle, denn die Realität spricht ohnehin für sich. Die Lakers mögen sich immer noch für etwas Besseres halten - das hat sie über Jahrzehnte auch ausgemacht, im positiven Sinn -, sie verhalten sich aber neuerdings genau so, wie es andere, "bürgerliche" Teams, in ihrer Situation machen würden.
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Sie tanken, was das Zeug hält. Und das mit einer Schamlosigkeit, die selbst den berüchtigten früheren Sixers-Entscheider Sam Hinkie Stolz machen würde.
Williams-Trade nur der Anfang
Nachdem Magic Johnson in einem Hauruck-Manöver unmittelbar vor der Trade Deadline als President of Basketball Operations installiert wurde, zeigte bereits sein allererster Move in diese Richtung. Lou Williams, der beste Spieler des Teams, wurde für Corey Brewer und einen Erstrundenpick nach Houston verschifft. Dies war freilich nur der Anfang.
Fünf Fragen zu Johnson: "Never fear - Magic is here"
Vergangene Woche wurden dann auch noch Timofey Mozgov und Luol Deng für den Rest der Saison aus dem Verkehr gezogen. Schließlich blockierten die beiden (gesunden) Veteranen, die im vergangenen Sommer für insgesamt 136 Millionen Dollar verpflichtet worden waren, wichtige Spielzeit für junge Talente wie Brandon Ingram oder Ivica Zubac. Das war vor der Saison zwar auch schon klar, damals dachte man aber wohl noch, man ... nun, vielleicht ist "denken" bei diesen Verträgen das falsche Verb.
Auch hier war noch nicht Ende der Fahnenstange. D'Angelo Russell flog kurzfristig aus der Starting Five, damit stattdessen der per 10-Tages-Vertrag geholte (und mittlerweile fest verpflichtete) David Nwaba und Tags darauf Nick Young starten durften. Eine nötige Erziehungsmaßnahme für "Kindskopf" Russell? Vielleicht, bei seiner Rückkehr in die Starting Five antwortete er immerhin mit 40 Punkten. Aber eben auch eine weitere Maßnahme, um möglichst jedes Spiel zu verlieren.
Die Realität erkannt
Der Grund dafür liegt natürlich auf der Hand. Die Lakers haben nach einem guten 10-10-Start schon lange gemerkt, dass ihr Team nicht wirklich konkurrenzfähig ist. Aufgrund des Steve-Nash-Trades im Jahr 2012 behalten sie ihren Draft-Pick nur dann, wenn er in den Top 3 landet, ansonsten geht er nach Philly (Hinkie!).
Garantien gibt es zwar keine, aber je schlechter die Bilanz, desto höher ist die Chance, dies tatsächlich zu schaffen. Das ist ein guter Anreiz, um Spiele zu verlieren - schließlich gilt der kommende Draft um Markelle Fultz, Lonzo Ball und Co. als besonders hochkarätig. Der Grat zwischen künftigem Franchise Player und Desaster ist unheimlich schmal. Zumal L.A., dank des Dwight-Howard-Trades 2012, im schlimmsten Fall auch noch den 2019er Erstrundenpick an Orlando abgeben muss.
Lakers-untypisch ist allerdings, dass diese Realität scheinbar von allen erkannt und akzeptiert wurde. In ihrer Geschichte holte die Franchise immer wieder hochkarätige Free Agents, die die Franchise prägten, teilweise waren es auch Trades (Die Nummer-eins-Picks Magic Johnson und James Worthy wurden ebenfalls ertradet).
In der Lottery gedraftet wurde beispielsweise zwischen 1994 (Eddie Jones) und 2013 nur noch ein weiteres Mal (Andrew Bynum, 2005), dafür fielen aber eben auch fünf Meisterschaften in diesen Zeitraum. Wer aufgrund von Glanz und Gloria immer um die besten Free Agents buhlen kann, ist eben nicht so sehr auf den Draft angewiesen.
Pelinka wehrt sich gegen Timelines
Diese Ausstrahlung haben die Lakers mittlerweile verloren - einige Free Agents wie Kevin Durant verweigerten ihnen zuletzt sogar Meetings. Es wurde realisiert, dass die Franchise strukturell von vielen anderen überholt wurde und Los Angeles alleine nicht mehr reicht. Das alte "Wir sind die Lakers, für uns gelten andere Regeln"-Denken kann man sich in Hollywood nicht mehr erlauben.
Das zeigte auch der neue General Manager Rob Pelinka bei seiner Antrittsrede, als er sagte, es sei "unmöglich", eine Timeline festzulegen, wann die Lakers wieder um Titel mitspielen könnten. Dies hatte Jim Buss, der kürzlich von seiner Schwester gefeuert wurde, vor ein paar Jahren bekanntlich noch ganz anders gesehen.
Freilich hatte auch Pelinka einiges an Pathos im Gepäck, nicht nur für seinen langjährigen Klienten Kobe Bryant, sondern auch für die Franchise, die er und Magic zur "großartigsten Sport-Franchise der Welt" machen werden - nicht "wollen", sondern "werden." Den Adel mag man in der Theorie abschaffen können, im Kopf bleibt die Mentalität selbstverständlich trotzdem.
Dennoch ist Pelinka eine Verpflichtung, die sich als Glücksfall für die Lakers herausstellen könnte. Der frühere Agent gilt als einer der klügsten Köpfe im Business und hält etliche gute Kontakte, zudem hatte er Einblicke in die Front Offices aller 30 NBA-Teams. "Er war vielleicht der beste Agent im gesamten Sport. Rob und Magic könnten sehr schnell ein sehr gutes Team werden", sagte etwa Daryl Morey, der Pelinka als Rockets-GM bestens kennt - er vertrat schließlich James Harden, Trevor Ariza und Eric Gordon.
Hoffnungsträger Zubac
Das Rob-Lowe-Double hat zudem ein keineswegs untalentiertes Team zur Verfügung. Russell mag zwar kindisch sein und bisweilen über die eigenen Füße stolpern, er ist aber auch hochtalentiert, erst 21 Jahre alt und wurde bisher womöglich auf falscher Position eingesetzt. Brandon Ingram ist körperlich noch längst nicht auf NBA-Niveau angekommen, hat aber zumindest schon in Ansätzen sein Potenzial andeuten können. Julius Randle ist extrem vielseitig, auch wenn er sich definitiv noch einen wenigstens passablen Wurf zulegen sollte.
Der derzeit vielleicht sogar größte Hoffnungsträger ist derweil Zubac. Der Kroate, der den Lakers auf Draft-Position 32 in die Hände fiel, bekommt immer mehr Spielzeit und legte im März bisher mehr als solide Zahlen auf (12,4 Punkte, 5,3 Rebounds, 63,1 Prozent aus dem Feld). Natürlich ist die Stichprobe bisher winzig, aber der erst 20-Jährige könnte sich als Steal entpuppen - ganz zu schweigen davon, dass er jetzt schon besser ist als 64-Millionen-Mann Mozgov.
Es sind solche "kleinen Dinge", über die man sich in L.A. dieser Tage freuen muss. Es sind gleichfalls kleine Schritte, die man tätigen muss, bevor man die größeren angehen kann. Selbst wenn beispielsweise ein Paul George (wie berichtet) 2018 als Free Agent zu den Lakers wechseln wollen würde, wäre der Weg zum Contender immer noch weit.
Streit unter Buss-Geschwistern
Die Lakers haben immer noch etliche Baustellen. Die vielleicht größte hat dabei gar nichts mit Basketball zu tun, sondern mit Neid und Streitereien unter Geschwistern: Nach der Demission von Bruder Jim versuchte dieser unlängst mit Bruder Johnny, einen Coup zu starten und Jeanie zu entmachten. Sämtliche Geschwister besitzen einen Teil der Lakers - dieses Pulverfass wird nicht so schnell verschwinden, auch wenn sich Jeanie in diesem Fall durchsetzen konnte.
Sportlich ist der 16. Mai der wichtigste Tag für die nahe Zukunft der Lakers. Dann findet die Lottery statt - und das Team wird entweder in Jubelstürme verfallen oder am Boden zerstört sein. Es ist eine Situation, die mehr noch als vom Tanking vom Glück bestimmt wird.
Jahrzehntelang galten die Lakers als Glückskind der Liga. Haben sie auch das verloren?