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NBA-Legende Dennis Rodman: Putzmann, Bad Boy, des Diktators bester Freund

Dennis Rodman feierte im Trikot der Chicago Bulls drei Meisterschaften
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Dennis Rodman geht zu den Chicago Bulls

Trotz der Eskapaden klopfte Phil Jackson an. Die Bulls brauchten Verstärkung in der Zone, nachdem sie im Vorjahr vom Frontcourt der Orlando Magic in den Playoffs überpowert worden waren. "Möchtest du ein Teil der Chicago Bulls werden?", fragte Jackson auf einer Party. "Ist mir scheißegal", so die ehrliche Antwort von The Menace.

Sie reichte dem Zen-Master. Also fädelte Chicago einen Trade für Rodman ein und schickte Backup-Center Will Perdue nach San Antonio, wo man froh war, den Unruhestifter loszuwerden.

Rodman traf seinen nächsten Mentor. Jackson verstand ihn. Er war einer der wenigen, die hinter seine Fassade blicken konnten. Er lud ihn an Weihnachten und Thanksgiving zu sich nach Hause ein, kümmerte sich um ihn wie ein Vater - und noch viel wichtiger: Er ließ Rodman sein, wie er war.

"Er möchte seine Freiheit haben und sich ausdrücken können, wie er will", sagte der Coach: "Ich denke, das ist in Ordnung, so lange er sich an die Grenzen hält, die man braucht, um zusammen erfolgreich Basketball zu spielen."

Es war eine Gratwanderung. In der Trainingshalle, im Kraftraum und im Spiel arbeitete niemand härter als Rodman. "Er konnte 48 Minuten auf dem Feld stehen und spielte in Minute 48 stärker als in der ersten", so Jackson über seinen Schützling: "Er war ein unglaublicher Athlet."

Gegenseitige Hilfe

Genau das hatte Chicago gefehlt. Mit ihm waren die Bulls wieder so dominant wie vor Jordans Baseball-Experiment. Doch während Rodman auf dem Court MJ den Rücken freihielt, war es abseits des Feldes der Superstar, der Dennis mehrfach aus der Patsche half, in die er sich manövriert hatte.

Jede Nacht war Party angesagt: Drogen, Glücksspiel, Sex-Orgien. Es musste schrill sein, es musste laut sein. Denn Rodman kannte keine Stille mehr. Gerüchten zufolge musste Jordan seinem exzentrischen Teamkollegen morgens hin und wieder Klamotten anziehen und ihn zum Training schleifen. Ein Wort darüber verlor MJ nie. Ebenso wenig wie die beiden abseits des Feldes auch nur ein einziges wechselten.

No risk, no glory

"Wir wussten genau Bescheid über Dennis' Vorgeschichte", erklärte Pippen: "Aber wir waren uns einig, dass wir uns als Team nicht von unseren Zielen ablenken lassen würden. Wir haben geglaubt, dass er uns helfen kann, wenn er auf dem Court so spielt, wie bisher. Wir waren aber auch bereit, weiterzumachen und nicht zurückzublicken, wenn er uns zu sehr abgelenkt hätte. Es ist gut gegangen."

Von Zeit zu Zeit übertrieb es Rodman mit seiner Aggressivität auf dem Court. Handgreifliche Auseinandersetzungen waren keine Seltenheit, doch im März '96 verpasste er Referee Ted Bernhardt nach einer Ejection eine Kopfnuss und wurde für sechs Spiele suspendiert. Eine Elf-Spiele-Sperre handelte er sich im Januar 1997 ein, als er einem Kameramann einen Tritt verpasste.

Doch es gab auch gute Tage. "Jeder erwartete von ihm, das Spiel zu zerstören", sagte Jordan nach einer ruhigen Partie von Rodman: "Aber manchmal überrascht er uns und zeigt genau das Gegenteil. Das war ein solcher Abend. Hoffentlich hat er davon noch ein paar mehr."

Die Frau im Manne

In der Offseason war von dieser Ruhe nichts zu spüren. Rodman drehte Filme in Hollywood, sammelte Goldene Himbeeren. Er half Wrestling-Star Hulk Hogan, seinen WCW-Titel zurückzugewinnen. Er ließ Bücher über sich schreiben.

Zur Vorstellung seiner ersten Autobiographie erschien er im weißen Hochzeitskleid - passend zu seinen Bekenntnissen, bisexuell zu sein, gern Frauenkleider zu tragen und sich selbst heiraten zu wollen. Sein zweites Buch vermarktete er, indem er sich in einem Sarg vorfahren ließ. Und die Aussagen in beiden Werken waren nicht weniger großkotzig als sein Auftreten.

Jackson wollte von all dem nichts wissen, so lange Rodman seinen Job machte. Und das tat er. Erst 1998 wurde sein Verhalten zur ernsthaften Belastung. Zusammen mit Jordan organisierte der Coach eine Intervention, so sehr sorgten sich die beiden um ihren heißblütigen Forward und ihr gemeinsames Ziel.

Doch selbst während der NBA Finals gegen die Utah Jazz flog Rodman an den freien Tagen nach Las Vegas, wo er rauschende Partys veranstaltete. Am nächsten Tag kam Rodman zurück nach Chicago oder Salt Lake City, um sich 20 Rebounds zu greifen und Karl Malone das Punkten zur Hölle zu machen. Es war fast unmenschlich - und nicht wenige sahen in Rodman den wahren Finals-MVP. Die Bulls hatten den zweiten Threepeat geschafft: Titel '96, Titel '97, Titel '98.

Im luftleeren Raum

Doch dann war sie plötzlich wieder da, diese Leere. Die Bulls hatten alles erreicht. Dreifacher Champion - und nun? Lockout. Monate ohne Basketball. Jordan trat erneut zurück, General Manager Jerry Krause ließ das Team auseinanderfallen, Jackson und Pippen gingen. Wieder hatte Rodman einen Platz verloren, an dem er sich zu Hause fühlte. Die Struktur, die ihm drei Jahre lang Halt gegeben hatte, war weggebrochen.

Rodman ging auf Wanderschaft, er heuerte in Los Angeles an. Nur war er nicht mehr mit dem Herz dabei, obwohl sich Besitzer Jerry Buss bedingungslos für ihn einsetzte. Rodman kümmerte das zerrüttete Team um den blutjungen Kobe Bryant und Coach Kurt Rambis überhaupt nicht, die privaten Probleme überwogen.

Die Ehe mit Schauspielerin und Model Carmen Electra hielt nicht einmal ein halbes Jahr - und wieder stürzte er ab. Wenige Tage vor den Playoffs wurde Rodman nach nur 23 Spielen entlassen, die Lakers gingen in den Conference Semifinals gegen den späteren Champion aus San Antonio wegen eines gewissen Tim Duncan (29 & 11) sang- und klanglos unter.