Es waren noch gut drei Minuten zu spielen im sechsten Spiel der Serie zwischen den Thunder und den Spurs. San Antonio hatte innerhalb von acht Minuten einen 26-Punkte-Rückstand auf elf Punkte verkürzt, als Tim Duncan im Fastbreak auf den Korb des Kontrahenten zustürmte. Mit einem Layup hätte er auf einen einstelligen Rückstand verkürzen können, mit einem Dunk ein Zeichen setzen können.
Der junge Tim Duncan hätte den Spalding durch die Reuse gedonnert und wäre wieder ans andere Ende des Feldes zurückgelaufen, ohne eine Miene zu verziehen. Als wäre es eine Selbstverständlichkeit.
Die ältere 40-jährige Version mit ihren 19 Jahren NBA-Action in den Beinen, die Finger schwer von den fünf bis dato gesammelten Championship-Ringen, sie wurde vor dem Korb immer langsamer und ließ sich schließlich von Serge Ibaka blocken, während auf der Gegenseite der 13 Jahre jüngere Kevin Durant nur fünf Sekunden später das erledigte, was Duncan vor Jahren auch noch getan hätte: Er antwortete per Slam Dunk.
Duncans symbolträchtige Szene
Spätestens in diesem Moment war ein Spiel entschieden, in dem die Spurs ungewöhnlich alt wirkten und sich von der Dynamik ihres Kontrahenten in die Schranken weisen ließen. Spätestens ins diesem Augenblick war klar, dass dieses Spurs-Team, das zuvor die beste Regular Season der Franchise-Geschichte hingelegt hatte, nicht in die Western Conference Finals einziehen würde.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt kamen auch wieder die Fragen auf, welche die Spurs nun schon seit einigen Jahren begleiten und nach jedem enttäuschenden Aus wieder aufkeimen.
War es das für die alten Recken um Tim Duncan und Manu Ginobili? Brauchen die Spurs nun nicht etwas mehr jugendliche Frische und Elan? Waren die alten Spurs am Ende zu müde? Zumeist antwortete man in Texas auf jene Fragen mit einer noch besseren Folgesaison und einer Meisterschaft oder mit den Worten von Gregg Popovich nach dem Spiel: "Wisst ihr etwas, das ich nicht weiß?"
Einfach nur ein schlechtes Spiel?
Dieses Mal erscheint die Situation aber ein wenig anders gelagert. Wer die Playoffs der Spurs verfolgt hat, der wird auch die teils verminderte Rolle ihrer Altstars bemerkt haben, wird gesehen haben, dass Duncan oft schon nach einigen wenigen ineffektiven Minuten erschöpft vom Feld genommen werden musste oder dass Ginobili nur noch eine geringer Faktor von der Bank war.
In Verbindung mit den Bildern nach dem Spiel gegen die Thunder, als Duncan mit leicht feuchten Augen jeden einzelnen Gegenspieler in den Arm nahm und ihm einige wohl nette Worte ins Ohr flüsterte, als er die Chesapeake Arena unter Beifall und mit zum Dank gehobenem Arm verließ, ist die beinahe zur Gewohnheit gewordene Frage berechtigt: War dies das Ende einer Ära bei den Spurs oder einfach nur ein schlechtes Spiel?
Das Spiel war für die Texaner zweifelsohne zum Vergessen. Gregg Popovich hatte schon in der ersten Viertelpause in einem seiner markanten Interviews am Spielfeldrand ein treffendes Fazit gezogen. "Als wir das erste Mal gewechselt haben, wurde es scheiße", meinte Coach Pop nur und wusste zu diesem Zeitpunkt gar nicht, dass es noch schlimmer werden sollte.
Einer dieser Abende
Es waren nicht Durant oder Westbrook, die sich in unnötigen Einzelaktionen verfingen, sondern die Spurs, die einfach keine Lösung gegen die flexible und aggressive Defensive ihres Kontrahenten fanden. Die Rollen schienen vertauscht zu sein, die Thunder schlugen die Spurs mit deren eigenen Mittel, spielten effizienten und fehlerlosen Team-Basketball, während San Antonio plötzlich die Probleme verkörperte, die man zuvor nur aus Oklahoma City kannte.
"Es war einer dieser Abende, an denen einfach nichts zusammenläuft. Er kam leider genau zur falschen Zeit", analysierte Duncan selbst später. LaMarcus Aldridge bestätigte das Fazit und betonte: "Wir hatten offene Würfe und haben sie nicht getroffen, die Thunder haben einige schwierige Würfe getroffen. Also, Respekt!"
Herz und Lunge sind ersetzt
Die Thunder waren nach dem starken ersten Spiel der Spurs einfach das bessere Team in der Serie. Sie gefielen sich in ihrer Rolle als Außenseiter und fanden als Mannschaft zusammen, wie Westbrook, Durant und Co unisono auch zu Protokoll gaben.
Die Gier auf die Conference Finals schien grenzenlos, das eigene Selbstvertrauen groß. Spiel 6 war dafür der beste Beweis. Nicht umsonst ging Popovich nach dem Spiel zu Thunder-GM Sam Presti und meinte nur: "Ihr macht einen guten Eindruck, Jungs."
In San Antonio wird man das Aus ganz nüchtern analysieren, keine voreiligen Schlüsse ziehen und in der nächsten Saison so oder so konkurrenzfähig sein, ob mit oder ohne Duncan und Ginobili. Anders als noch vor wenigen Spielzeiten blickt man dank der vorbildlichen Arbeit des General Managers des Jahres unabhängig von den Entscheidungen der Veteranen positiv in die Zukunft.
Schon längst sind Kawhi Leonard sowie LaMarcus Aldridge Herz und Lunge des Teams. Es geht also kadertechnisch, wenn überhaupt eher um einen Umbruch im Kleinen.
Duncan lässt Zukunft offen
Die Frage, die nach dem Aus bleibt, ist also viele eher die, ob die Spurs auch die Seele des Teams noch für ein weiteres Jahr behalten können. Es geht nicht um das Ende einer Ära des Erfolgs in San Antonio, wo man auch in der nächsten Free Agency wieder die Chance auf einen großen Fisch hat, sondern um das Ende mindestens einer unvergleichbaren und großartigen NBA-Karriere.
Während der alternde NBA-Spieler Duncan am Ende müde wirkte und die Dominanz vergangener Tage vermissen ließ, hat er sich abseits des Feldes nicht groß verändert und meinte unmittelbar nach dem Aus angesprochen auf sein Zukunftsplanung in seiner besonnen-stoischen Art nur: "Ich werde mir darüber Gedanken machen, wenn ich hier raus bin und mit dem Leben klarkomme."
Die Worte von Danny Green klangen da schon mehr nach Abschied: "Er hat gekämpft bis zum Ende. Das ist Tim. Er ist der ultimative Profi." Worte, die wohl niemand verneinen kann.