3. Proteste, Ausschreitungen, Gewalt? Durch Korruptionsskandals und Finanznot droht die Lage während der Spiele zu eskalieren.
Carol Delmazo: Die ganze Welt wird während der Spiele auf uns gucken. Das ist tatsächlich ein interessanter Moment um Unzufriedenheit zu demonstrieren. Proteste sind möglich und sie sind erlaubt: Wir leben in einem demokratischen Land.
Liane Killmann: 1,5 Millionen Einwohner von Rio de Janeiro, auch Cariocas genannt, leben in Favelas, mindestens 77.000 Menschen wurden für den Neubau olympischer Sportstätten - oder Parkplätze - zwangsumgesiedelt. Angesichts dessen ist es noch immer erstaunlich ruhig auf Rios Straßen, wenigstens was Proteste betrifft. Ja, jeden Tag finden Demonstrationen statt, aber sie entwickeln bislang längst nicht die Wucht der Ausschreitungen unmittelbar vor der Fußball-Weltmeisterschaft. Das ist angesichts der Tatsache, dass es vielen Brasilianern wirtschaftlich vor zwei Jahren noch besser ging, doch höchst erstaunlich.
2014 wurde es während der WM ruhiger. Aber das hing wohl vor allem mit der Begeisterung für den Fußball zusammen. Futebol ist mehr als Religion do Brasil. Olympischer Sport hingegen hat kaum Tradition, ob sich die Menschen also diesmal von ihren Problemen ablenken lassen? Die Bühne ungenutzt bleibt? Ich habe meine Zweifel. Nach den 17 Tagen werden die Welt und ihre Medien jedenfalls nicht mehr so genau hinsehen.
Jan Höfling: Ja, normalerweise wäre der Protest während eines solchen Großereignisses ein probates Mittel, um die Welt auf die Probleme vor Ort aufmerksam zu machen. Dennoch wird es diesen meiner Meinung nach nicht geben. Aufgrund der Imagewahrung dürften die Verantwortlichen alles daran setzen, solche Vorhaben im Keim zu ersticken.
Eine gewaltsame Eskalation der Lage ist unabhängig davon unwahrscheinlich. Die wirklich betroffenen Menschen, die ihrem Ärger und ihren Ängsten Luft verschaffen könnten, gehören nicht zu den Personen, die für die Gewaltproblematik verantwortlich sind. Drogen- oder Bandenbosse dürften kein gesteigertes Interesse haben, sich während des Großereignisses in Rio in den Vordergrund zu spielen und so noch härtere Aktionen gegen sich heraufzubeschwören.
Rodrigo Perpetuo: Korruption ist keine brasilianische Erfindung und zum Glück ist die brasilianische Gesellschaft längst nicht mehr so tolerant gegenüber diesem Sumpf. Wir haben ähnliche Bedenken vor dem Confederations Cup 2013 und der Weltmeisterschaft 2014 erlebt. Ich gehe davon aus, dass die Stärke des Events der brasilianischen Gesellschaft helfen wird, die Themen sorgfältig voneinander zu trennen und Besucher und Athleten willkommen zu heißen.