"Olympia ist ein Segen für Lateinamerika"

Olympia 2016: Jubel und Proteste liegen in Rio de Janeiro in diesen Tagen nah beieinander
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2. Übergriffe, Drogen, angespannte Sicherheitslage: Olympia-Besucher erwartet der Horror.

Rodrigo Perpetuo: Das Risiko ist überall. In einem Club in den USA, auf den Straßen von Frankreich, in einer Bar in Deutschland. Das gibt es in Brasilien genauso. Aber es wird international zusammengearbeitet, die Kräfte werden gebündelt, sodass man hoffentlich gemeinsam mit den lokalen (Streit-)Kräften in der Lage sein wird, die Risiken auf einem Level zu halten, das kein allgemeines Gefühl der Unsicherheit aufkommt.

Carol Delmazo: Das Horrorszenario wird es nicht geben! Diese Probleme kann man vor und nach Olympia angehen. Während der Spiele läuft eine riesige Sicherheitsoperation, 85.000 Polizisten und Soldaten sind involviert.

Wie viele Probleme gab es während der Fußball-Weltmeisterschaft? Ein paar vielleicht. Während großer Veranstaltungen haben wir für gewöhnlich keine "normalen" Probleme.

Es ist wahr, dass Rio in einer großen Wirtschaftskrise steckt. Aber die Regierung hat dem Staat Rio de Janeiro im letzten Monat umgerechnet 795 Millionen Euro überwiesen, allein für die Lösung der Sicherheitsprobleme. Um die Sicherheitskräfte zu bezahlen und die Vorbereitung auf die Spiele zu verstärken.

Liane Killmann: Täglich lesen wir Meldungen, dass Raubüberfälle und Drogendelikte trotz des harten Vorgehens der Polizei nicht abreißen. Aber für Brasilientouristen sollte wie zu jedem anderen Zeitpunkt auch gelten: Wenn man sich an ein paar Regeln und sein Bauchgefühl hält, kann man das Risiko gering halten.

Es ist klar, Sicherheitskräfte müssen aufgestockt werden und sollen auch bezahlt werden. Doch diese horrenden Geldspritzen stellen für mich einen riesigen Unmutsherd dar. Landesweit sind die Kommunen überschuldet. Überall in Brasilien gibt es Brennpunkte, die mehr Sicherheitskräfte vertragen könnten. Im Gesundheits- und Bildungssystem fehlt das Geld jeden Tag. Aber Rio bekommt die Millionen. Nein, Olympia bekommt die Millionen. Was bedenklich ist: Die Bevölkerung hat offenbar nicht mehr das Gefühl, etwas davon zu haben.

Jan Höfling: Solange nichts am Ursprung der Problematik, der tiefgreifenden sozialen Ungerechtigkeit, geändert wird, bleibt die Bekämpfung ein Tropfen auf einem bereits überlaufenden Fass. Vor allem da Gewalt in der Regel mit Brutalität begegnet wird.

Die Militärpolizei, die selbst überfordert und schlecht bezahlt ist, rückt nicht selten mit Panzerwagen und Maschinenpistolen in eine Favela ein, um die wohlhabendere Bevölkerung zu beruhigen. Das Resultat ist jedoch verheerend. Das Vorgehen provoziert nur noch mehr Gewalt. Auch während der Spiele kann davon ausgegangen werden, dass sämtliche Probleme, die das Image der Stadt beschädigen könnten, auf eine Art und Weise gelöst werden, die für Kopfschütteln sorgen sollte.

Die Menschen in Rio, die nicht über die finanziellen Mittel verfügen, brauchen deshalb unbedingt eine Perspektive. Um ihnen diese bieten zu können, brauchen sie allerdings keine Glitzerwelt, die Usain Bolt und Co. mit sich bringen, sondern finanziell kostspielige und nachhaltige Projekte. Ein Ausbau des Bildungs- oder auch des Gesundheitssystems würde den Menschen deutlich mehr helfen als eine neue Metro-Linie in einem Szenestadtteil. Die üblichen Olympia-Touristen sollten, sofern sie sich nicht das wahre Rio anschauen wollen und sich nicht unnötig in Gefahr begeben, von all dem trotzdem wenig mitbekommen. Auch in Rio überwiegt trotz aller Probleme die Gastfreundlichkeit.