"Nährboden für Radikalisierung"

Kölns Mergim Mavraj war beim Skandalspiel in Belgrad dabei
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SPOX: Albaniens Regierungschef Edi Rama sagte, dass 2014 "das beste Jahr für den Balkan und seine Geschichte" und "das erste friedliche Jahr in der ganzen Region ohne Grenzkonflikte" gewesen sei - bis es zur Massenschlägerei in Belgrad kam. Besteht ein Risiko, dass die alten Ressentiments wiedererweckt werden?

Mavraj: Es ist nicht so, dass Serbien und Albanien noch so verfeindet sind wie früher. Alleine wirtschaftlich gibt es viele Verbindungen und es werden gemeinsame Projekte umgesetzt. Finanziell ist man voneinander abhängig, daher wurde der gegenseitige Umgang in den letzten Jahren immer konstruktiver. Umso trauriger ist es, dass mit dem UEFA-Urteil der Frieden nicht weiter gefördert wird. Stattdessen wurde der Nährboden gelegt für neuen Unmut und eine Radikalisierung in beiden Ländern, weil sich jetzt alle benachteiligt fühlen.

SPOX: Mit einigen Tagen Abstand: Gibt es irgendetwas Positives nach den Vorfällen?

Mavraj: Ich hoffe, dass jetzt eine positive "Jetzt erst recht"-Einstellung einkehrt. Die Nationalmannschaft und Albanien als Land werden noch enger zusammenrücken und alles daran setzen, sich für die EM 2016 zu qualifizieren, obwohl wir ungerecht behandelt wurden. Schon in den letzten Tagen war eine extreme Nähe zwischen der Bevölkerung und der Mannschaft zu spüren - und diese Solidarität kann Kräfte wecken. Wir müssen nur daran denken: Egal wie es lief, am Ende waren es nur ein Spiel und drei verlorene Punkte, die wir uns während der Quali zurückerkämpfen können. Mit dem Sieg in Portugal und dem Unentschieden gegen Dänemark haben wir gezeigt, dass wir uns mit jedem messen können.

SPOX: In der sehr ausgeglichen besetzten Quali-Gruppe mit Portugal, Dänemark und Serbien gilt Albanien mittlerweile als Geheimfavorit. Wie stark ist Ihr Team?

Mavraj: Wir sind stärker denn je. Unsere Stärke ist, dass uns viele noch nicht richtig kennen - und gleichzeitig alle genau wissen, dass wir sehr unangenehme Gegner sind und uns über den Kollektivgedanken definieren. Die WM hat gezeigt, dass der Fußball sich gewandelt hat, weg vom Superstar hin zum mannschaftlichen Spiel und Teamspirit. Und das wollen wir mit Leben füllen. Wir stehen defensiv sehr diszipliniert und mit einer extremen taktischen Ordnung. Niemand möchte gegen uns spielen.

SPOX: Ist Bosnien-Herzegowina ein Vorbild?

Mavraj: Definitiv. Nicht vom spielerischen her, weil Bosnien anders als wir mit individueller Klasse gespickt ist. Dennoch wollen wir einen ähnlichen Weg gehen. Bosnien scheiterte zehn Jahre lang häufig knapp an einer Qualifikation für ein Großturnier - bis zur WM 2014. Das beweist, dass man hart arbeiten muss und der Weg kurvig ist, aber am Ende der Erfolg wartet. Umso mehr freuten wir uns für die Bosnier mit, als wir sie bei der WM sahen. Wir werden ebenfalls Geduld brauchen und lernen müssen zu scheitern.

SPOX: Ist der sportliche Aufschwung der Grund dafür, dass zuletzt mit Donis Avdijaj sogar Schalke größtes Offensivtalent erklärte, lieber für Albanien als für Deutschland zu spielen?

Mavraj: Es ist ein schrittweiser Fortschritt. Viele sehen, dass sich der albanische Verband immer professioneller aufstellt und dadurch die Leistungsfähigkeit erhöht wird. Mittlerweile ist der Verband genauso strukturiert und modern organisiert wie ein deutscher Bundesliga-Klub und der Umgang ist von Respekt geprägt. Das Gesamtbild hat sich ins Positive verkehrt. Wir standen uns in der Vergangenheit selbst im Weg. Mittlerweile ist die Lust zu spüren, als Gruppe etwas zu reißen, statt nur persönliche Eitelkeiten zu pflegen. Es kommt deswegen nicht von ungefähr, dass die Ergebnisse immer besser werden und jedem Spieler, der albanische Wurzeln hat, eine Perspektive geboten wird. Ich glaube, dass sich immer mehr große Talente für Albanien entscheiden.

SPOX: Wenn die Spieler mit kosovo-albanischen Eltern sich für Albanien entschieden hätten, könnte Ihre Mannschaft noch stärker sein. Nur: Xherdan Shaqiri, Granit Xhaka, Valon Behrami, Admir Mehmedi oder Blerim Dzemaili spielen alle für die Schweiz. Zudem strebt die Teilregion Kosovo an, eine eigene Nationalmannschaft zu etablieren. Es gibt seit diesem Jahr erste inoffizielle Länderspiele, an denen unter anderem Albert Bunjaku teilnahm. Wie stehen Sie zu dem Thema?

Mavraj: Es ist kein politisches Statement, sondern das, was ich fühle: Meine Eltern stammen aus dem Kosovo und für mich ist der Kosovo weiter ein Teil von Albanien. Daher würde ich es mir wünschen, dass die Spieler mit kosovarischen Eltern alle für Albanien spielen und wir eine Einheit bilden.

SPOX: Fürths derzeit verletzter Stürmer Ilir Azemi, mit dem Sie sehr gut befreundet sind, möchte nicht für Albanien spielen, sondern nur für den Kosovo.

Mavraj: Ilir würde unser Anforderungsprofil absolut erfüllen und ist ein super Stürmer. Er hat es letztes Jahr in der Rückrunde mit 13 Toren bewiesen. Deswegen habe ich mir in den letzten Jahren den Mund fusselig geredet, um ihn zu überzeugen. Aber er will nur für den Kosovo spielen, obwohl das Land noch nicht einmal offiziell anerkannt ist. Das ist schade - trotzdem respektiere ich natürlich seine Entscheidung.

SPOX: Ihr Wort hat Gewicht in Albanien. Sie sind gemeinsam mit Lazio Roms Lorik Cana nicht nur der Abwehr-Chef, sondern der Führungsspieler der Mannschaft. Nach dem Wechsel von Fürth nach Köln mussten Sie jedoch etwas erleben, das Sie seit Jahren nicht mehr kennen: Sie saßen auf der Bank. Wie ungewohnt war das?

Mavraj: Wie für jeden Spieler fiel es mir nicht leicht. Speziell, weil ich in den letzten Jahren eigentlich überall Stammspieler war. Gleichzeitig bin ich nicht blauäugig nach Köln gekommen. Es wäre vermessen gewesen zu glauben, dass man sofort in eine erfolgreiche Mannschaft reinrutscht. Daher formulierte ich für mich den Anspruch, mich an die Situation anzupassen und positiven Einfluss auf die Mannschaft zu nehmen, in dem ich keinen Ärger mache und mich als Persönlichkeit zurücknehme. Es war eine Prüfung und ich bin froh, dass ich sie bestanden habe.

SPOX: Nachdem Sie in den ersten sieben Bundesligaspielen nicht einmal eingewechselt wurden, gehören Sie nun zum Stamm und waren maßgeblich beteiligt an drei Pflichtspielsiegen in Folge. Fühlen Sie sich nun bestätigt, zur Verwunderung vieler Köln zugesagt zu haben und nicht Stuttgart, Hamburg oder Lazio Rom, die ebenfalls Interesse hatten?

Mavraj: Nein, eine Bestätigung war nicht nötig, weil ich immer gespürt habe, dass Köln der richtige Verein ist. Deswegen fiel die Entscheidung im Sommer trotz der anderen Optionen auch sehr schnell.

SPOX: Obwohl Köln ein Aufsteiger ist und als Ziel den Klassenerhalt ausrief?

Mavraj: Man darf nie vergessen: Köln ist ein ganz besonderer Verein. Ich kann das Gefühl nur schwer in Worte fassen. Es ist ein bisschen, wie wenn sich zwei Freunde eine Frau anschauen: Für den einen ist sie vielleicht nicht das perfekte Topmodel, aber für den anderen ist sie genau richtig - ohne das genau beschreiben zu können. So ist Köln und so ist der FC. Als ich gegen Dortmund in der Startelf stand und die Stimmung im Stadion aufsog, bin ich im positiven Sinn fast verrückt geworden. Ich weiß nicht, ob es eine andere deutsche Stadt gibt, die so viel Herzblut in ihren Verein investiert wie Köln.

SPOX: Gab es Irritationen, als eine Salafisten-Gruppe namens "Die wahre Religion" ein Foto von Ihnen mit einem Koran unerlaubt nutzte, um für deren Agenda zu werben?

Mavraj: Nein, ganz im Gegenteil. Wir wissen alle, wie brisant das Thema ist, trotzdem hat der Verein mich sofort unterstützt. Die handelnden Personen und die Presseabteilung haben mir sehr geholfen und die unschöne Episode in meinem und im Sinne des FC geklärt. Dafür bin ich dem Verein sehr dankbar.

Seite 1: Mavraj über das Skandal-Spiel, das Urteil und die Treibjagd auf dem Platz

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