Tumulte und Krawalle auf dem Spielfeld, Politiker mit gegenseitigen Schuldzuweisungen und der Bruder des albanischen Ministerpräsidenten im Zwielicht: Die "Fliegende Flagge" von Belgrad hat am Dienstag aus dem brisanten EM-Qualifikationsspiel zwischen Serbien und Albanien in Belgrad ein Politikum gemacht.
Von seiner VIP-Loge aus soll Olsi Rama, Bruder des albanischen Ministerpräsidenten Edi Rama, eine Drohne mit der Flagge Groß-Albaniens über das Spielfeld gesteuert haben. So zumindest verlautet es aus serbischen Medienberichten. Rama widerspricht jedoch vehemtn.
"Ich habe mit der Drohne nichts zu tun. Ich weiß nicht, wo diese Geschichte herkommt. Ich bin auch weder festgenommen noch verhört worden", beteuerte indes Olsi Rama seine Unschuld - die Aktion löste auf jeden Fall politische Verwicklungen aus. "Das war eine reine und vorsätzliche politische Provokation, nichts anderes", schimpfte Serbiens Außenminister Ivica Dacic.
"Luftangriff auf Serbien"
"Luftangriff auf Serbien" titelte Sportski zurnal, von einem "teuflischen Plan" schrieb die Tageszeitung Kurir. "Was hier vorgefallen ist", sagte Serbiens Sportminister Vanja Udovicic, "war ein brutaler Missbrauch des Sports vonseiten albanischer Extremisten." FIFA-Präsident Joseph S. Blatter verurteilte die Ereignisse ebenfalls scharf: "Der Fußball sollte niemals missbraucht werden, um politische Mitteilungen zu verbreiten", teilte er via Twitter mit.
Leuchtraketen und Rauchbomben flogen schon vor Auftauchen der Drohne durch das Stadion, Rowdys stürmten zudem den Innenraum, albanische Spieler wurden attackiert, lieferten sich auch handgreifliche Auseinandersetzungen mit serbischen Akteuren.
"Das ist unfassbar. Die serbische Regierung ist verantwortlich für die Sicherheit der Fußballer und der albanischen Delegation", warf auf albanischer Seite Innenminister Saimir Tahiri in einem Statement der serbischen Regierung vor.
Weil die Sicherheit aber eben nicht mehr garantiert war und die Albaner nicht mehr antreten wollten, brach der englische Referee Martin Atkinson die als Hochsicherheitsspiel eingestufte Begegnung beim Stand von 0:0 in der 41. Minute ab - eine Verlängerung gab es dennoch.
Sport rückt in den Hintergrund
In Österreichs Hauptstadt Wien beispielsweise demolierten Albaner zahlreiche serbische Cafés, die Polizei verhinderte Schlimmeres.
"Ich bin gespannt, wie die UEFA und vor allem die EU darüber entscheiden wird", sagte Dacic wütend. Entscheidend sei bei dieser Aktion nämlich vor allem, "dass der Bruder des albanischen Ministerpräsidenten das Objekt gesteuert hat." Mit Sport, der an diesem Abend eigentlich hatte im Mittelpunkt stehen sollen, hatte der folgenschwerer Akt in der Tat rein gar nichts zu tun.
Der europäische Verband kündigte am Abend Ermittlungen an. Laut UEFA werde gegen den serbischen Verband FSS wegen des Einsatzes von Feuerwerks-Raketen durch Fans, Zuschauer-Ausschreitungen und Platzsturm, nicht ausreichenden Ordnungsdienst sowie Einsatz eines Laser-Pointers ermittelt. Gegen den albanischen Verband FShF laufe ein Verfahren wegen der Weigerung weiterzuspielen und das Zeigen der Flagge als "unerlaubtes Banner".
Politisch streben albanische Nationalisten mit der "Causa Groß-Albanien" einen Staat an, der neben dem heutigen Albanien auch das Gebiet des Kosovo sowie Teile Serbiens, Mazedoniens und Montenegros umfasst. Die Aktion könnte daher im Zusammenhang mit dem brisanten Staatsbesuch von Ramas Bruder Edi am kommenden Mittwoch in Serbien gewertet werden. Die Serben glauben an eine reine Provokation.
"Situation höchster Gefahr"
"Hätte man eine Flagge Groß-Serbiens beispielsweise in Tirana (albanische Hauptstadt, d. Red.) gezeigt", sagte ein serbischer Diplomat voller Überzeugung der Zeitung Blic, "würde der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) den Fall schon längst behandeln."
Es ist fest davon auszugehen, dass der Spielabbruch zeitnah auf der Agenda der Disziplinarkommission der UEFA stehen wird. Wiederholungsspiel? Entscheidung am Grünen Tisch? Ausschluss aus der EM-Qualifikation? Alles scheint derzeit möglich. Auf Anfrage des "SID" äußerte sich der Verband am Mittwoch zunächst allerdings nicht.
Dies taten unmittelbar nach dem Spielabbruch die Beteiligten beider Mannschaften - und auch die geizten nicht mit Vorwürfen an die Kontrahenten. "Wir hätten weiter gespielt, aber die Albaner sahen sich dazu nicht in der Lage", sagte Serbiens Kapitän Branislav Ivanovic.
Albaniens Nationaltrainer Gianni De Biasi verteidigte diese Vorgehensweise. Als eine "Situation höchster Gefahr" beschrieb er die Minuten auf dem Spielfeld, "meine Spieler wurden von serbischen Ordnern angegangen. Es war ein schrecklicher Moment."