SPOX: Zumal sich die Negativerlebnisse von der Abfolge her oft wiederholt haben: Man kassierte ein frühes Gegentor, rannte diesem dann hinterher, wurde dabei unsicher und brachte kaum etwas zusammen.
Krawietz: Die Psyche war mit der Zeit sicherlich einer der hemmenden Faktoren. Genau deshalb genießen wir nun auch die Vorbereitungsphase und die Tatsache, erstmals in dieser Saison über einen längeren Zeitraum zusammen trainieren und systematische Fehler ausmerzen zu können. Wir sind jetzt wie erwähnt dabei, unsere Stärken wieder zu unseren Stärken zu machen. Das war im Grunde unsere größte Schwäche: Wir haben Schritt für Schritt Überzeugung und Glauben in unsere eigenen Stärken verloren. Dies wollen wir uns aktuell neu erarbeiten.
SPOX: Hat es zu lange gedauert, bis sowohl Klub als auch Spieler begriffen haben, in welcher Situation man steckt?
Krawietz: Es war gewiss ein Prozess, an dessen Anfang man noch nicht vollständig verstehen konnte, welches Ausmaß die Situation annehmen würde. Natürlich gibt und gab es andere Mannschaften, die den durchgetakteten Spielplan kompensieren konnten - und wir eben aus den unterschiedlichen Gründen nicht. Nun liegt die Verantwortung bei jedem Einzelnen im Verein, sich gegen die aktuell schwierige Lage mit allem, das einem zur Verfügung steht, zu stemmen.
SPOX: Wie haben Sie in dieser Zeit das Umfeld wahrgenommen?
Krawietz: Unsere Fans haben uns wahnsinnig gut unterstützt, weil auch sie mit der Zeit gemerkt haben, dass es nicht am fehlenden Willen oder falschen Schwerpunkten lag, sondern wir einfach in Schwierigkeiten waren. Trotz aller Probleme ist es absolut beeindruckend, wie der Verein in dieser Phase zusammensteht.
SPOX: Der Druck von außen, die gestiegene Erwartungshaltung - die Messlatte des BVB sind vor allem die Erfolge in den Jahren 2011 bis 2013. Was heißt das für die Arbeit des Trainerteams?
Krawietz: Wir spüren diese Faktoren natürlich. Doch der Druck, den wir uns selbst auferlegen, nämlich aus jeder Situation mit vollem Einsatz das Bestmögliche zu machen, ist größer als alles andere. Das erwarten wir einfach von uns selbst. Wenn man den Eindruck hätte, der Druck von außen sei größer als das, was man selbst erreichen möchte, dann wäre man im Profifußball am falschen Ort. Aber: Eine Garantie auf Ergebnisse gibt es nicht.
SPOX: Arbeitete das Trainerteam unter den vielen negativen Eindrücken intensiver zusammen als sonst oder musste sich der Einzelne auch einmal zurückziehen, um neue Kräfte bündeln zu können?
Krawietz: Nein, das Miteinander war und ist weiterhin unglaublich intensiv. Wir waren alle im Kampfmodus, haben uns ausgiebig ausgetauscht und versucht, an jedem Rad zu drehen. Es gab keinen Gedanken, den wir nicht durchdacht hätten. Uns war relativ früh klar, wo die Schwierigkeit steckt. Natürlich waren wir nach verlorenen Spielen niedergeschlagen, aber in diesem engen Rhythmus muss man zwei Stunden später die erste Enttäuschung überwunden haben und sich fragen: Was können wir aus der Niederlage für das nächste Spiel lernen und wie gehen wir aktiv dagegen vor? Das war für uns natürlich kräftezehrend, andererseits sind wir alle enorm ehrgeizig.
SPOX: Nach den vielen Pleiten stand die Frage im Raum, ob Jürgen Klopp hinschmeißen würde. Glauben Sie, dass er darüber - und sei es nur eine Minute lang - nachgedacht hat?
Krawietz: Nein, ein Rücktritt war nie ein Thema. Er hat sich sicherlich einmal die Frage gestellt, ob er das Problem sein könnte und es an ihm liegt. Dass man darüber nachdenkt, liegt in meinen Augen in der Verantwortung der Cheftrainer-Position. Doch sowohl er als auch Zeljko Buvac und ich haben nach den Niederlagen relativ schnell damit begonnen zu strukturieren, was das Problem des vergangenen Spiels war.
SPOX: Wie lauteten meist die Antworten?
Krawietz: Die konnten nur lauten: Wir müssen und werden es weiter versuchen, weil es Lösungswege gibt - spätestens jetzt nach Ablauf der für Kopf und Körper unheimlich wichtigen Winterpause. Es besteht für uns mit der etwas verbesserten personellen Situation nun die Möglichkeit, längere Zeit am Stück zu arbeiten, Missverständnisse auszuräumen und uns neu auszurichten. Wir haben ja alleine in der ersten Trainingswoche 2015 mehr Einheiten absolviert als in den Monaten Oktober, November und Dezember zusammen.
SPOX: Einer der Lösungswege soll Neuzugang Kevin Kampl sein. Wie kam es zur Überlegung, ihn im Winter dazu zu holen?
Krawietz: Wir arbeiten mit unserer Scoutingabteilung sehr eng zusammen, schauen uns ständig um und hatten ihn schon seit längerer Zeit im Visier. Nun gab es die Chance, in einem klar abgesteckten finanziellen Rahmen einen Spieler zu holen, der relativ schnell funktionieren kann. Logischerweise muss Kevin bei uns alles erst noch im Detail kennenlernen. Die Spielweise liegt ihm aber ein Stück weit im Blut. Er hat das Gegenpressing-Spiel und die Ballsicherheit verinnerlicht. Dies zusammen mit der personellen Situation - Marco Reus wird erst nach und nach wieder fit, Henrikh Mkhitaryan wird dies erst Ende Januar sein und dann sicherlich eine gewisse Zeit lang brauchen, Shinji Kagawa ist beim Asien Cup - waren die Gründe für seine Verpflichtung.
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