Die dunkle Seite des Ralf Rangnick

Von Haruka Gruber
Rangnick (2.v.l.) führte 1899 in zweieinhalb Jahren aus der Regionalliga bis zur Herbstmeisterschaft
© Getty

Die zerstrittenen Ralf Rangnick und Dietmar Hopp haben einen Burgfrieden vereinbart. Aber wie lange hält er? Das Verhältnis der beiden ist zerrüttet - auch weil Rangnick nicht aus früheren Fehlern gelernt hat.

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In Hollywood wird alles gut. Drei Männer kümmern sich um ein Baby, zunächst von der Verantwortung überfordert bekommt sich das Trio in die Haare, nach 102 Minuten jedoch gibt es die Versöhnung, dann das Happy End - und drei Jahre später sogar eine nicht minder erfolgreiche Fortsetzung. Statt "Drei Männer und ein Baby" hieß es eben "Drei Männer und eine kleine Lady".

Soweit ist 1899 Hoffenheim noch nicht. Selbst der Part mit der Versöhnung und dem Happy End ist derzeit nicht in Sicht, obwohl nach dem Zerwürfnis zwischen Trainer Ralf Rangnick und Geldgeber Dietmar Hopp am Dienstag ein klärender Krisengipfel zwischen beiden stattfand (Hopp: "Wir haben unter Männern alles ausgeräumt") und Rangnick zuletzt deutlich versöhnlicher klang als noch in den Tagen zuvor.

"Letztlich ist diese Mannschaft doch das Baby von Herrn Hopp, Manager Jan Schindelmeiser und mir", sagte Rangnick im "Kicker" und erinnerte damit an das harmonische Miteinander der drei mächtigen Männer in Hoffenheim, das 1899 in der Hinrunde noch ausgezeichnet hatte.  

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Rangnick zieht Drohung zurück

Er habe "keine Probleme mit Dietmar Hopp und er auch nicht mit mir", versicherte Rangnick und zog seine Rücktrittsdrohung nach der 0:4-Klatsche in Wolfsburg und dem zwölften sieglosen Spiel in Serie zurück: "Ich werde meinen bis 2011 laufenden Vertrag auf jeden Fall erfüllen."

Ein Wechsel nach Wolfsburg als Nachfolger von Felix Magath scheint demnach nicht in Frage zu kommen, zumal sich ein VfL-Aufsichtsrat nach Informationen der "Rhein-Neckar-Zeitung" bei einer Sondersitzung sowieso gegen Rangnick und für Armin Veh ausgesprochen haben soll.

Hopp: Häme wegen Rangnick-Flop Wellington

Rangnick plant seine Zukunft in Hoffenheim. Um dementsprechend alle Missverständnisse auszuräumen, beendete Rangnick seinen Kurztrip auf Palma de Mallorca vorzeitig und kehrte nach Hoffenheim zur erwähnten Aussprache mit Hopp zurück. Doch ob ein Gespräch das grundlegend zerrüttete Verhältnis der beiden zu kitten vermag, erscheint fraglich.

Denn von Rangnicks harscher Kritik an der nach seiner Sicht zu vorsichtigen Ausgabepolitik fühlt sich Hopp persönlich angegriffen, nicht anders sind die fast schon feindseligen Äußerungen des als sonst besonnen geltenden Milliardärs vor dem Krisengipfel zu interpretieren.

"Wenn Ralf Rangnick sagt, er wolle keine Rückschläge mehr hinnehmen, so frage ich mich: Wer soll sie verhindern, wenn nicht er?" Oder: "Wem es nicht reicht, dass wir in der Bundesliga sind, und wer einen Champions-League-Klub will, der ist in Hoffenheim an der falschen Adresse."

Auf Rangnicks Beschwerde, wonach sich Aachens Toptalent Lewis Holtby gegen einen Wechsel zu 1899 entschieden habe, weil Hopp nicht ausreichend Gelder freigegeben hätte, konterte dieser hämisch: "Wäre Wellington nicht verpflichtet worden, stünden fünf Millionen Euro mehr zur Verfügung." Zur Erinnerung: Wellington war Rangnicks Wunschspieler.

"Als Fußballhure beschimpft"

In Hoffenheim geht es längst nicht mehr nur um gefloppte Brasilianer, Transferbudgets, geplatzte Verpflichtungen oder den Absturz von Platz eins auf neun. Es geht um verletzte Gefühle. Hopp ist von Rangnicks Äußerungen tief gekränkt  - vor allem, weil er nach seinem Dafürhalten derjenige ist, dessen Ruf auf dem Spiel steht. Nicht der von Rangnick.

Ein von Hopp befürchtetes Szenario: Sollte sich Rangnick mit seiner Forderung durchsetzen, mindestens drei Hochkaräter zu verpflichten, die "von vornherein Stammspielerpotenzial haben", verliert das bei vielen gegnerischen Fans ohnehin unglaubwürdige Hoffenheim und damit auch Hopp noch mehr an Kredibilität.

"Ich habe viel Geld investiert und dafür muss ich mich auch noch in fremden Stadien als Fußballhure beschimpfen lassen", klagt Hopp. Doch was blüht ihm erst, wenn Hoffenheim die propagierte Jugendphilosophie verwässert und plötzlich groß einkaufen geht - obwohl ausgerechnet Rangnick dies bis vor wenigen Wochen kategorisch ausschloss?

Rangnicks Forderung nach neuen Spielern ist demnach gleichzusetzen mit einer Forderung an Hopp, für den sportlichen Erfolg Unmutsäußerungen gegen sich in Kauf zu nehmen. Dennoch beharrt der Trainer offenbar darauf, dass ihm mehr als die bewilligten zehn Millionen Euro für Transfers zur Verfügung stehen: "Selbst Hannover hat mehr Geld. Profis mit Qualität kommen nun mal nicht wegen der guten Landluft nach Hoffenheim. Wir benötigen sechs bis acht Neue."

Mit dem Kopf durch die Wand

In der Hinrunde galt die Starrsinnigkeit noch als Qualitätsmerkmal von Rangnick. Seine ultra-offensive, auf extremem Pressing beruhende Spielphilosophie wurde zunächst belächelt, Rangnick hielt trotz anfänglicher Kritik dennoch konsequent an seiner Idee fest und gewann die Herbstmeisterschaft. Doch seine Kompromisslosigkeit hat auch eine dunkle Seite. Eine, die ihn offenbar dazu verleitet, fast schon reflexartig mit seinen Vorgesetzen den Konflikt zu suchen, wenn es sportlich hakt.

Ein Verhaltensmuster, das bereits in Stuttgart, Hannover und auf Schalke zu beobachten war. Fachlich gab es nur wenig zu beanstanden, nach einer gewissen Zeit rasselte Sturkopf Rangnick aber mit den Gerhard Mayer-Vorfelders, Martin Kinds und Rudi Assauers zusammen - und verlor schlussendlich seinen Job.

Auf Schalke etwa provozierte er seine Entlassung, nachdem er 2005 bereits vor dem Anpfiff gegen Mainz eine Ehrenrunde in der Arena lief und damit Assauer erzürnte. Aber nicht nur ihn. S04-Kapitän Ebbe Sand,  Frank Rost, Gerald Asamoah und Assistenztrainer Oliver Reck zeigten sich von Rangnicks One-Man-Show ebenfalls enttäuscht und erklärten auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz, dass sich das Team von Rangnick im Stich gelassen gefühlt hat. Eine Nebenwirkung von Rangnicks Starrsinnigkeit.

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"Rangnick versteht es nicht, mit Höhenluft umzugehen"

Und auch in Hoffenheim ist bereits eine gewisse Entfremdung zwischen Rangnick und der Mannschaft eingetreten. Statt mit diplomatischem Feingefühl versucht er es seit der Winterpause bevorzugt mit brachialer Rhetorik. Im Februar kritisierte er die Spieler, da diese sich vom wachsenden Starkult ablenken lassen würden. Dem im Sommer abwandernden Kapitän Selim Teber sagte er charakterliche Schwäche nach, weil dieser gegenüber Jounalisten die Einstellung der Mitspieler anprangerte.

Zuletzt kreidete er das 0:1 gegen Berlin indirekt Timo Hildebrand an - und gab den Medien damit eine Steilvorlage, obwohl Rangnick wissen müsste, das sein Torwart ein schweres Standing in der Öffentlichkeit hat. "Rangnick versteht es nicht, mit Höhenluft umzugehen", sagte Uli Hoeness im Winter. Was damals wie Trashtalk klang, ist heute brisanter denn je.  

Schindelmeiser zwischen den Stühlen

Umso entscheidender wird die Rolle von Manager Schindelmeiser in den nächsten Tagen sein. Als Nummer drei in der Hoffenheimer Hierarchie ist er die logische Wahl als Vermittler zwischen Rangnick und Hopp. Dementsprechend neutral und unverbindlich versuchte er sich im Vorfeld zu äußern - nichtsdestotrotz lässt er aber eine gewisse Tendenz zugunsten von Hopp erkennen.

"Wie Ralf Rangnick mit den Äußerungen in die Öffentlichkeit gegangen ist, hat mich schon überrascht. Den Disput hätte man sich grundsätzlich sparen können",  sagte Schindelmeiser der "Welt".

Zumal ein massives Aufrüsten, wie es Rangnick fordert, unnötig sei: "Wir haben im Kern eine sehr gute Mannschaft, die wir nun punktuell verstärken wollen. Dafür haben wir etwa zehn Millionen Euro zur Verfügung, was ich für viel Geld halte."

Was soviel bedeutet wie: Rangnick droht die Isolation in Hoffenheim, sollte er mittelfristig nicht einlenken. Sonst heißt es statt "Drei Männer und ein Baby" womöglich "Zwei Männer, ein Baby und ein arbeitsloser Trainer".

Ralf Rangnick im Steckbrief