Kaum eine Woche verging nach dem enttäuschenden Auftritt gegen die New York Giants in Woche 17, der das Ende aller Playoff-Hoffnungen in Washington bedeutete, da brachten die Redskins den Stein der Veränderung ins Rollen. Defensive Coordinator Joe Barry, Defensive Line Coach Robb Akey und Defensive Backs Coach Perry Fewell mussten ihre Posten räumen.
Eine logische Konsequenz aus zu vielen schwachen Auftritten, gerade zum Ende der Saison waren die Skins nur selten in der Lage bei Third-Down-Situationen die gegnerische Offense in Schach zu halten oder Turnover zu produzieren. Somit war Cousins mit seiner Offense in den entscheidenden Momenten oftmals zum Zuschauen verdammt. Kam die Offensive aufs Feld, mangelte es ihr an der nötigen Effizienz in der Redzone.
Doch die ersten Entlassungen waren nur der Anfang der Umstellungen in der Hauptstadt - und mitnichten das bestimmende Thema des Sommers.
Kirk Cousins und der Sonderstatus
Die Vertragsverhandlungen mit Cousins gerieten während der Sommerpause zum medialen Evergreen. Cousins, der schon in der vergangenen Saison unter dem Franchise Tag spielte, lehnte nach langem Hin und Her ein Angebot der Redskins für einen Langzeitvertrag ab. Dieser hätte ihm garantierte 53 Millionen Dollar zum Zeitpunkt der Unterschrift eingebracht.
Aus Sicht des 28-Jährigen war der erneute Tag eine logische Entscheidung, denn die garantierte Summe hätte Cousins Gehalt aus dieser Saison (23,9 Millionen) und dem prognostizierten Mindestgehalt in der kommenden Saison (28,7 Millionen) nur geringfügig überschritten.
"Du unterschreibst einen Zweijahresvertrag mit Verpflichtungen für die Jahre danach. Das hat mir nicht gepasst. Da fühle ich mich mit einem Einjahresvertrag und den Freiheiten, die er mir gibt, wohler", begründete Cousins seine Entscheidung offen.
Bruce Allen und die Redskins werfen Fragen auf
Die Redskins müssen sich hingegen den Vorwurf gefallen lassen, nicht mit allen Mitteln einen langfristigen Vertragsabschluss mit Cousins vorangetrieben zu haben. Auch die Veröffentlichung des Vertragsangebots in Form eines offenen Briefes von Team Präsident Bruce Allen via Twitter gab Rätsel auf.
Dadurch erweckte Allen den Eindruck, dass er Cousins selbst nach den überzeugenden Leistungen der vergangenen zwei Jahre nicht gänzlich das Vertrauen schenkt und in ihm nicht die Zukunft der Franchise sieht. Und er sendete mit der öffentlichen Botschaft ein zumindest zweifelhaftes Signal an sein Team.
Es ist also durchaus möglich, dass "Captain Kirk" in seine letzte Saison bei den Redskins startet. Ein weiterer Franchise Tag für Cousins ist unwahrscheinlich, weil dieser die Redskins beim Salary Cap in arge Bedrängnis bringen würde. Somit steht die Tür 2018 für andere Teams offen, die verzweifelt nach einem Franchise-Quarterback suchen und bereit sind, für ihn tief in die Tasche zu greifen. Die 49ers werden an dieser Stelle immer wieder mit Cousins in Verbindung gebracht.
Im Jahr eins nach Sean McVay
Dass Cousins eine Franchise tragen kann, zeigt er seit zwei Jahren konstant in Washington. Der Quarterback war in der abgelaufenen Saison hinter Drew Brees und Matt Ryan der beste Passgeber nach geworfenen Yards und ist mit einer Completion-Rate von 65,9 Prozent über den gesamten Zeitraum seiner bisherigen Karriere gesehen einer der genauesten Quarterbacks der NFL-Geschichte.
Allerdings ist Cousins Ziehvater und Offensive Coordinator Sean McVay nicht mehr da. McVay folgte in der Offseason dem Ruf aus Los Angeles. Quarterbacks-Coach Matt Cavanaugh soll McVays Abgang kompensieren, da er ebenso wie McVay Cousins positive Entwicklung maßgeblich mit geprägt hat und den Quarterback genau kennt.
Die Frage ist zudem, inwiefern sich Cavanaugh als Coordinator der Offense etablieren kann, wenn Head Coach Jay Gruden das Play-Calling der Skins übernimmt. Diese Tatsache sorgte in Washington durchaus für Bedenken. Gruden bemühte sich die Gemüter zu beruhigen und verwies auf die Team-Arbeit der Trainer: "Wir sind alle Teil des Großen und Ganzen. Ich fühle mich gut, den Job zu übernehmen, um sicherzugehen, dass Kirk und ich am selben Strang ziehen. Matts Rolle wird das nicht beeinflussen, denn auch er wird Spielzüge ansagen."
Verlust von Garcon und Jackson eine Chance?
Die Veränderung im Play-Calling und auf dem Posten des Offensive Coordinators könnte Cousins Leistung in der neuen Saison beeinflussen. Es ist allerdings nicht anzunehmen, dass seine Zahlen aufgrund fehlender Offensiv-Waffen schlechter werden - auch wenn die Abgänge von DeSean Jackson und Pierre Garcon zunächst einmal schwer wiegen.
Doch in Terrelle Pryor hat Washington einen Go-to-Guy für Cousins verpflichtet, der gemeinsam mit Josh Doctson eine zentrale Schwäche der Redskins aus der vergangenen Saison ausmerzen kann: Die Redzone-Effizienz.
In dieser Kategorie belegte Washington im Ligavergleich lediglich Rang 29. Pryor und Doctson sind großgewachsene Receiver und könnten in der Endzone für Missmatches gegen Cornerbacks sorgen. Doctson, Erstrunden-Pick der Redskins von 2016, kam in seiner von Verletzungen geplagten Rookie-Saison lediglich auf zwei Spiele und zwei Receptions. Das soll sich jetzt ändern.
Jedoch erlitt Doctson im Training Camp erneut eine Oberschenkelverletzung und muss pausieren. Ist er verletzungsfrei und fit, plant Gruden mit ihm als Receiver auf der Strong Side. Dort hat der ehemalige Erstrundenpick mit Ryan Grant aber auch Konkurrenz. "Beide sind gute Receiver und beide werden spielen. Das Gute an Ryan ist, dass er überall spielen kann", betonte Jay Gruden.
Terrelle Pryor überzeugt im Training
Weniger Fragezeichen als die Situation um Doctson und Grant wirft derzeit Pryor auf. Der Wide Receiver präsentiert sich im Training als die erhoffte Verstärkung. Die Coaches der Skins und allen voran Gruden gerieten ins Schwärmen: "Er hat eine wahnsinnig schnelle Auffassungsgabe und ist nach seinem Positionswechsel von Quarterback zu Wide Receiver jetzt schon einer der Besten in der Liga."
Gut möglich, dass Pryor seine 1.000-Yards-Saison bei den Cleveland Browns im Zusammenspiel mit Cousins bestätigen wird. Sollte Pryor eine gute Saison spielen, werden die Redskins alles daran setzen, den Einjahresvertrag mit dem Receiver zu verlängern. Die Frage wird nur sein, ob Pryor bei einem potentiellen Abgang von Cousins langfristig in Washington bleiben will - hier droht also ein weiterer Umbruch.
Neben Pryor wird Jamison Crowder eine entscheidende Rolle spielen. Mit sieben Touchdown-Catches war Crowder bereits in der vergangenen Saison elementarer Baustein in der Offensive der Skins. Nun da Jackson und Garcon weg sind, bekommt der 24-Jährige von Head Coach Jay Gruden eine größere Rolle zugeschrieben: "Jamison kann überall spielen. Er kann außen, oder innen spielen, möglicherweise sogar als Running Back."
Er werde Crowders Stärken "nicht nur im Pass-, sondern auch im Laufspiel" nutzen. Helfen würde es in jedem Fall, wenn Washington auf seine wichtigste Offense-Waffe zurückgreifen kann: Tight End Jordan Reed konnte bislang aufgrund einer hartnäckigen Zehenverletzung nicht am Trainingscamp teilnehmen. Dass Reed aber den Saisonstart verpasst, ist unwahrscheinlich. "Jeder Hinweis, den ich von den Ärzten und Trainern und auch Jordan bekommen habe, lässt mich glauben, dass er fit sein wird", stellte Gruden klar.
Gruden über Thompson: "Bester Third-Down-Back der Liga"
Auch im Backfield sind die Redskins auf dem Papier gut aufgestellt. Starter Robert Kelly, Matt Jones, Chris Thompson und Rookie Samaje Perine bieten Gruden auf der Running Back Position die Möglichkeit, das Play-Calling unberechenbarer zu gestalten als noch in der vergangenen Saison.
Besonders Thompson könnte dank seiner Effektivität bei Third-Down-Situationen für die Skins eine noch gewichtigere Rolle einnehmen, allerdings mehr als Pass-Empfänger. 2016 fing er bei Third Downs 14 von 18 Pässen für 112 Yards und hatte auch gemessen an Laufversuchen, erlaufenen Yards und Touchdowns sein mit Abstand sein bestes Jahr.
Das weiß auch Jay Gruden und hob Thompson vor dem Start des Training Camps in die Running-Back-Elite der Liga: "Wenn wir über Third Downs sprechen, das das wichtigste Down im Football ist, gibt es meiner Meinung nach keinen besseren Running Back als Chris. Er wird eine große Rolle in diesem Football Team spielen."
Defense: "Haben die Spieler, um effektiv zu sein"
Ähnlich große Hoffnungen setzt man in Washington auf First Round Pick Jonathan Allen. Der an Nummer 17 gedraftete Defensive End soll den zu den Buccaneers abgewanderten Chris Baker ersetzen, Druck auf der Weak Side ausüben und gemeinsam mit Preston Smith, Ryan Kerrigan und Trent Murphy auf Quarterback-Jagd gehen.
Bereits im vergangenen Jahr unter Koordinator Joe Barry war der Pass-Rush der Redskins mit 38 Sacks einer der Besten der Liga. Unter dem neuen Chef Greg Manusky und Defensive Line Coach Jim Tomsula könnte die Defense der Skins der Schlüssel zu einer erfolgreichen Saison werden.
Zudem verpflichteten die Redskins Linebacker Zach Brown von den Buffalo Bills um die Defense gegen den Lauf zu stärken. Damit reagierte Washington auf den Kollaps im entscheidenden Spiel um die Playoffs gegen die Giants, als die Skins 161 Rushing-Yards zuließen. Mit Safety D.J. Swearinger aus Arizona wurde die Secondary um Star-Cornerback Josh Norman und Bashaud Breeland weiter verstärkt.
Swearinger spielte wie Brown 2016 die beste Saison seiner Karriere. Coach Gruden ist sich sicher, dass seine Defense besser funktionieren wird: "Josh Norman, Bashaud Breeland, Zach Brown, die Defensive Line mit Jonathan Allen, wir haben die Spieler, um effektiv zu spielen. Jetzt geht es nur darum, dass sie gemeinsam als Team funktionieren."
Preseason-Auftakt gegen die Ravens ein "Weckruf"
Dass Gruden und den Skins noch eine Menge Arbeit bevorsteht, offenbarte auch das erste Preseason-Spiel gegen die verletzungsgeplagten Baltimore Ravens. Bei der 3:23-Pleite wurde die Starting-Offense zweimal mit einem Three-and-Out vom Feld geschickt, ehe die Reservisten übernahmen. Insbesondere die vielgepriesene Offensive Line sorgte gegen die starke Ravens-Front zum Auftakt durchaus für einige Sorgenfalten.
Trotz der wenig überzeugenden Leistung konnte Cousins dem Spiel jedoch etwas Positives abgewinnen: "Es war das Beste, das uns passieren konnte. Der Druck der Ravens hat uns vor Probleme gestellt und uns gezeigt, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben. Es war ein Weckruf für uns alle."
Der Preseason-Auftakt steht sinnbildlich für die ungewisse Zukunft, vor der die Redskins aktuell stehen. Das Team ist talentiert und auch in der Tiefe gut besetzt. Doch könnte ein verpatzter Saisonstart die Angst vor einem weiteren Umbruch schüren sowie möglicherweise schneller als sonst für Frust sorgen - und so auch einen erneut enttäuschenden Saisonverlauf begünstigen.