1. Können McVay und Shanahan ihre Offenses herumreißen?
Was haben wir letztes Jahr von der Offense der Atlanta Falcons geschwärmt: Unter Kyle Shanahan brachten die Falcons eine der spektakulärsten Offenses der letzten Jahre auf den Platz, weil es Shanahan gelang, die individuelle Qualität im Team mit einem tollen Scheme und herausragenden Match-Plans zu vereinen.
Das wird ihm, das sollte jetzt keinen 49ers-Fan schocken, bei seinem neuen Team in San Francisco auf diesem Niveau nicht (sofort) wieder gelingen - die Niners hatten im vergangenen Jahr noch eine der individuell am schwächsten besetzten Offenses. Doch die Free-Agency-Neuzugänge lassen darauf schließen, dass Shanahan zumindest versuchen wird, die Grundzüge seines Schemes beizubehalten.
Brian Hoyer, Pierre Garcon oder auch Logan Paulsen: Die 49ers haben mehrere Spieler verpflichtet, die Shanahans Scheme bereits kennen. Kyle Juszczyk gibt San Francisco indes eine starke Fullback-Präsenz - eine Position, die Shanahan in der Vorsaison ligaweit wohl am besten eingesetzt hat - und Marquise Goodwin sorgt für die notwendigen Speed-Elemente. San Francisco ist somit ein spannendes Experiment: Wie viel können Scheme und guter Matchplan eine individuell nach wie vor zumeist unterlegene Offense tragen?
Und auch in Los Angeles ist ein junger Offensive Coordinator als Head Coach geholt worden: Sean McVay soll Jared Goff, Todd Gurley und Co. in die Spur bringen. Die Rams hatten in der Vorsaison eine desolate Offense, auch in puncto Scheme. An welchen Schrauben kann McVay hier drehen? McVays Offense basiert unter anderem auf Spread-Elementen, also horizontal stark ausgedehnten Formationen - ein erster Baustein, den Goff bestens aus dem College kennt.
In Washington zeigte McVay großes Talent, wenn es darum ging, Underneath-Receiver (Tight Ends oder Slot Receiver) via Scheme frei zu bekommen, um dem Quarterback so einfache Pässe zu ermöglichen. Dafür nutzt er auch gerne Play Action. Gleichzeitig aber spielen auch Downfield-Pässe, etwa mit tiefen Crossing-Routes, eine wichtige Rolle. Es ist kein Zufall, dass Redskins-QB Kirk Cousins von allen Startern im Schnitt die meisten Air Yards pro Pass (4,85) verzeichnete. Was werden wir davon in L.A. sehen? Und was kann Goff davon umsetzen?
2. Wie funktioniert die Dolphins-Offense mit Jay Cutler?
In den allermeisten Fällen bedeutet eine schwere Verletzung des Starting Quarterbacks mehr oder weniger das Ende der Saison. Ein Ersatzmann mag vielleicht noch den einen oder anderen Sieg holen, die ursprünglichen Ambitionen aber gehen schnell in den Keller. Mit diesem Gedanken im Kopf könnte man fast sagen, dass Miami zumindest ein wenig Glück im Unglück hatte.
Keine Frage: Die Verletzung von Ryan Tannehill ist bitter, und das umso mehr, da Tannehill im Laufe der vergangenen Saison unter Coach Adam Gase deutliche Fortschritte gezeigt hatte. Doch Miamis Antwort darauf könnte sich angesichts der Umstände als echter Glücksfall entpuppen.
Gase gelang es, Jay Cutler aus dem Ruhestand zu holen und den durchaus kontrovers diskutierten Quarterback zu verpflichten. Cutler kennt die Offense aus Chicago, er kennt die Grundzüge des Playbooks und die Sprache. Die Dolphins haben mit der Offensive Line, dem Receiving-Corps und Running Back Jay Ajayi auf dem Papier eine spannende Offense - und mit ein wenig Glück können sie den Ausfall ihres Starting Quarterbacks ohne größere Rückschläge auffangen. Dolphins-Fans dürften es kaum abwarten können, Cutler in der Preseason auf dem Platz zu sehen.
3. Osweiler, Siemian, Watson und Co.: Welche QBs setzen sich durch?
In gewisser Weise sind sie das Highlight der Preseason: Die Quarterback-Duelle. Man mag Scheme-Veränderungen nur in Grundzügen erahnen können - wie sich ein Quarterback in der Pocket verhält, ob er durch seine Reads geht und wie genau seine Pässe kommen lässt sich da vergleichsweise gut analysieren. Und Quarterback-Duelle gibt es auch dieses Jahr wieder genügend.
Da wären die Cleveland Browns, die Brock Osweiler zunächst nur für den Draft-Pick holten, inzwischen aber mit ihm als als Starting-Quarterback in die Preseason gehen. Dahinter glänzte aber auch DeShone Kizer im Training, und dann gibt es ja auch noch Cody Kessler. Der aber scheint aktuell hinter Osweiler und Kizer zurückgefallen zu sein.
Auch Osweilers Ex-Ex-Team, die Denver Broncos, haben längst noch keine Quarterback-Entscheidung getroffen. Trevor Siemian und Paxton Lynch werden wenigstens je ein Preseason-Spiel starten, ehe sich Coach Vance Joseph festlegt - und die Broncos-Verantwortlichen haben bereits betont, dass es womöglich keine schnelle Entscheidung gibt.
Besonders spannend ist auch die Situation in Houston: Die Texans haben ohne Frage eine Elite-Defense, die in diesem Jahr sogar noch besser sein sollte. Doch was passiert auf der anderen Seite des Balls? Wie lange braucht Deshaun Watson, um die komplexe Offense zu lernen? Kann Tom Savage längerfristig als Game Manager fungieren? Wie tritt derweil in Chicago Mike Glennon nach all den Turbulenzen rund um den Draft auf? Und kann Christian Hackenberg bei den Jets endlich für positive Schlagzeilen sorgen, oder hat doch Josh McCown das Ruder fest in der Hand?
4. Wie sehen die neuen Offenses in der NFC South aus?
Matt Ryan, Drew Brees, Cam Newton und Jameis Winston - die NFC South hat das beste Quarterback-Quartett aller Divisions zu bieten. Und doch könnten alle vier Offenses 2017 deutlich verändert aussehen, was die ersten Hinweise in der Preseason im Süden besonders spannend macht.
Da wären die Saints, die sich Adrian Peterson geholt und plötzlich ein Running-Back-Überangebot haben. Insbesondere interessant hierbei: Peterson könnte ins Run Scheme der Saints gut passen, die große Frage ist, ob er wirklich eine Rolle auch als Pass-Catcher erhält - und wie New Orleans die Ausfälle in der Offensive Line kompensiert.
Die Panthers haben im Draft mit Christian McCaffrey und Curtis Samuel ganz deutlich gemacht, dass ihre Offense anders aussehen soll: Mehr schnelle Pässe, weniger Newton-Runs. Vor allem McCaffrey hat im Training bisher einen glänzenden Eindruck hinterlassen. Aber Stichwort Newton: Carolinas Quarterback plagen noch immer Probleme mit der Schulter, zumindest im ersten Preseason-Spiel wird er nicht auflaufen.
Und die Bucs? Tampa Bay hat alles daran gesetzt, Jameis Winston mit einem möglichst gut bestückten Waffen-Arsenal zu umgeben. DeSean Jackson als Speedster, O.J. Howard als dominanter Tight End, Chris Godwin als weiterer Deep-Threat. Bleiben drei Fragen: Wie werden all diese Waffen eingesetzt? Wie sieht die Offensive Line aus? Und was hat Doug Martin dieses Jahr zu bieten?
Dann wären da noch die Atlanta Falcons, und hier steht eine Frage im Mittelpunkt: Wie entwickelt sich die Offense weiter? Der Abgang von Coordinator Kyle Shanahan hinterlässt eine große Lücke, Steve Sarkisian wurde aus Alabama verpflichtet. Quarterback Matt Ryan ließ bereits durchblicken, dass die grundsätzlichen Elemente der Shanahan-Offense erhalten bleiben - doch Änderungen wird es fraglos geben.
5. Welche Rookies können glänzen?
Die große Unbekannte zum Start einer jeden Preseason sind die Rookies. Nachdem ein paar kurze Clips aus den Trainingseinheiten durchgesickert sind, ist die Preseason die perfekte Bühne, um sich einen ersten Eindruck außerhalb des College-Tapes zu verschaffen.
Natürlich stehen dabei die Top-Picks besonders im Fokus: Wie etwa sehen die ersten NFL-Auftritte von Myles Garrett aus? Was zeigt Mitchell Trubisky, der in der Preseason ordentlich zum Einsatz kommen sollte?
Könnte Leonard Fournette tatsächlich der Spieler sein, der die Jaguars-Offense umkrempelt? Wie prominent wird O.J. Howard bereits bei den Bucs eingesetzt? Und wie präsentieren sich College-Stars wie Solomon Thomas, Jamal Adams, Jabrill Peppers oder Derek Barnett? Die kommenden Wochen werden einen ersten Eindruck liefern.