"Ich glaube, ich habe dieses Jahr einen Schritt nach vorn gemacht", sagte Luka Doncic im Februar bei J.J. Redicks Podcast The Old Man and the Three. Ein Freund habe ihm eine Statistik geschickt, verriet er: "Im Eins-gegen-eins sind meine Werte ganz gut."
Gemeint war die Defense des Slowenen - einer der wenigen Schwachpunkte im Spiel Doncics. Tatsächlich war in dieser Saison beim 25-Jährigen eine Aufwärtstendenz zu erkennen, wobei er natürlich auch massiv von der stark verbesserten Team Defense der Mavericks profitierte. Die stellten nach der Trade Deadline nämlich in den Wochen vor den Playoffs eine der besten Verteidigungen der Liga. Das, gepaart mit Doncics brillantem Offensiv-Spiel, trug das Team schließlich bis in die NBA Finals - und der Superstar hatte ebenfalls seine lichten Momente.
Im Verlauf der Finals war davon nur noch wenig zu sehen - mit dem negativen Höhepunkt in Spiel 3. Bis dato hatte Coach Jason Kidd den eher behäbigen Doncic stets gegen den schlechtesten Offensivspieler geparkt bzw. versteckt, oder aber im Eins-gegen-eins Hilfe von gerade diesem Gegner geschickt. Gegen dieses historisch gute Celtics-Lineup ohne Schwachstellen in der Starting Five durfte die im Vorfeld allerdings bezweifelt werden. Und diese Zweifel erwiesen sich als gerechtfertigt.
Luka Doncic kriecht nach harter Kritik zu Kreuze: "Das war meine Schuld"
Unbarmherzig schnappten sich die Celtics Doncic über das geswitchte Pick-and-Roll ein ums andere Mal - und zogen per Drive ein ums andere Mal an ihm vorbei in Richtung Korb. Kam die Hilfe, war einer der vielen Dreierschützen frei. Besonders schlecht sah er beim ersten Heimspiel der Mavericks aus, als er sich auch noch sinnloserweise ein ums andere Mal mit den Referees anlegte, statt in der Defense zurückzulaufen - und im Schlussviertel nach dem sechsten Foul vorzeitig auf die Bank musste.
Harsche Kritik ließ anschließend nicht lange auf sich warten. Experte Brian Windhorst von ESPN, sicherlich kein Schreihals, ging mit seinem Urteil sogar viral: "Sein Auftritt in diesem Spiel war inakzeptabel und der Grund dafür, dass die Mavericks nicht gewinnen werden", knöpfte er sich Doncic vor.
Wenig später machte eine weitere Statistik die Runde: Laut dem Datenerfasser Second Spectrum habe niemand seinen direkten Gegenspieler in den Playoffs im letzten Jahrzehnt so oft vorbeiziehen lassen wie Doncic. Der belege gleich die ersten drei Plätze, Schlusslicht seien bislang die Finals mit 67,7 Prozent (Minimum zehn Drives/Spiel). Heißt: Bei drei Drives von Jayson Tatum, Jaylen Brown und Co. könnte man Doncic zweimal ohne großen Qualitätsverlust auch durch eine Slalomstange ersetzen.
Als Reaktion darauf sammelten sich die Mavericks natürlich um ihren Superstar. Viel zu hart sei die Kritik ausgefallen, schimpfte Kidd, Doncic sei schließlich erst 25 und natürlich kein perfekter Spieler: "Manchmal muss man in den Medien auch etwas Verrücktes sagen, um einen neuen Vertrag zu bekommen. Oder Likes und Clicks." Ein Zufall dürfte es allerdings auch nicht gewesen sein, dass der so Gescholtene keine 24 Stunden später ein Exklusiv-Interview bei ESPN gab - und sich selbst dabei ausgesprochen reumütig: "Das war nicht gerade klug. Ich habe meine Teamkollegen im Stich gelassen", sagte er über sein Verhalten in Spiel 3 und seine sechs Fouls, vier davon im Schlussviertel: "Das war meine Schuld, das kann ich nicht machen. Schon gar nicht in den Finals."
Luka Doncics Schwächen: Wenn sogar der Rookie im Team Kritik übt
Sein Coach hatte vor allem das große Ganze im Auge. "Er hat sich im Playoff-Verlauf von den Clippers bis heute defensiv verbessert", betonte Kidd. "Aber wenn man in jedes Pick-and-Roll verwickelt ist, gibt es irgendwann Fehler. So ist der Sport." Die Celtics seien sehr gut darin, "so lange zu jagen, bis sie den gewünschten Gegenspieler bekommen." Und überhaupt: Alle Größen der NBA-Geschichte hätten gerade zu Beginn ihrer Karriere Kämpfe ausfechten müssen - von Michael Jordan gegen die Pistons bis zu LeBron James in seinen ersten Finals (0-4 gegen die Spurs).
Zu Doncics Verteidigung lässt sich die enorme Last anführen, die offensiv auf seinen Schultern lastet. Die vielen gespielten Minuten, die unbarmherzige Strategie des Gegners, der ihn zur "Zielscheibe" auserkoren hat. Zudem plagt er sich seit Wochen mit Knie- und Knöchelproblemen herum und bekommt in den Finals vor den Spielen schmerzstillende Spritzen aufgrund einer Brustprellung. Ganz so schlecht läuft es mit ihm auf dem Parkett übrigens gar nicht: Bei den ersten drei Niederlagen waren die Mavs mit ihm fast gleichwertig (-4 in 118 Minuten), ohne ihn dagegen chancenlos (-28 in 26 Minuten).
Nicht schönreden lässt sich dagegen sein teilweise fehlender Einsatz und das ständige Lamentieren mit den Refs. Es mag zu seiner Taktik gehören, die Unparteiischen peu à peu weichzuklopfen, aber wenn der Gegenspieler zeitgleich völlig frei punkten darf, lässt sich Sinn und Zweck der Übung durchaus hinterfragen. "Ich habe ihm nur eins gesagt", verriet Rookie Dereck Lively II nach Spiel 4: "Bei den ersten beiden Fouls da draußen gegen dich, sag einfach nichts in Richtung Refs. Mehr will ich gar nicht. Bitte lass es."
Das leidige Thema Kondition und Fitness bleibt bei Doncic ebenfalls auf der Tagesordnung. Ja, er ist angeschlagen, aber in absoluter Topform ist er einfach nicht, war er vielleicht sogar noch nie - selbst wenn man ihm eine etwas stämmigere Statur zugesteht. Dafür spricht auch folgende Statistik: In drei gespielten Schlussvierteln in der Finalserie kommt er auf weniger getroffene Würfe (3/15 FG) als Fouls (4).
Luka Doncic: Hatte seine schlechte Defense Methode?
Was seine "Olé-Defense" angeht: Ein Zitat nach Spiel 3 ließ hellhörig werden. "Alle fünf Spieler auf dem Court können richtig gut punkten", sagte Doncic über die Celtics, "alle können werfen." Und: "Unsere Strategie war es, sie mehr zum Drive zu bewegen und dann zu rotieren. Ich glaube, ich muss das einfach besser machen und sie vor mir halten."
Der vorletzte Satz könnte zumindest teilweise erklären, warum Luka beim Drive so oft passiert wird - und es passt auch zum Gesamteindruck der bisherigen Playoffs: Tatsächlich könnte es ein taktisches Mittel sein, wenn gerade Doncic sehr nah am Gegenspieler ist, defensiv aber gegen dessen Drive nicht alles riskiert. Damit kassiert er zum einen weniger Fouls, bleibt aber gleichzeitig auch im Play und kann von hinten oder der Seite den einen oder anderen Ball oder Pass wegtippen bzw. abfangen (Doncic steht in den Playoffs bei 1,8 Steals pro Spiel, gegen die Celtics bei 2,5. Regular Season: 1,4). Gleichzeitig kollabiert die Defense, umringt den Ballführenden und schneidet den Weg zum Korb ab. Und beim Pass nach außen wird dann fleißig rotiert.
Das Problem: Diese Art der Defense kann nur dann funktionieren, wenn defensiv wirklich jeder den höchstmöglichen Einsatz bringt und jede Rotation perfekt ausgeführt wird. Zusätzlich hilft es natürlich, wenn der eine oder andere Spieler an der Dreierlinie auch mal getrost alleingelassen werden kann. Das ist bei den Celtics nicht der Fall, und von perfekten Rotationen konnte man bei Doncic in Spiel 1-3 nun wirklich nicht sprechen.
Vielleicht ist es nicht mehr als eine Theorie. Aber der "Wahnsinn" in der Mavs-Defense könnte zumindest Methode gehabt haben. Dazu würde dann auch der Vorsatz Doncics passen, den Gegner mehr vor sich zu halten. Keine Taktik mehr bei 0-3, stattdessen alles oder nichts.
Luka Doncic in den NBA Finals als primärer Verteidiger: Statistiken des Gegenspielers
Spiel | Würfe | Ballverluste | Effektive Field-Goal-Quote |
1 | 7 | 4 | 64,3 Prozent |
2 | 13 | 6 | 26,9 Prozent |
3 | 10 | 0 | 80,0 Prozent |
5 | 10 | 5 | 35,0 Prozent |
*Quelle: Second Spectrum
Luka Doncic: In Spiel 4 der Finals wie ausgewechselt
Die Celtics zumindest mussten in Spiel 4 feststellen, dass der Weg zum gegnerischen Ring plötzlich nicht mehr so gut geteert und großzügig ausgeleuchtet war wie bisher. Stattdessen machte gerade Doncic als Verteidiger ein zu großen Teilen blitzsauberes Spiel, wie die obere Tabelle vom Basketball-Journalisten Tom Haberstroh zeigt: Wo gegen den Slowenen in Spiel 3 noch fast jeder Schuss ein Treffer war, provozierte er diesmal nicht nur Turnvover, sondern ließ auch keine gute Wurfquote zu. Die ersten sechs Würfe gegen ihn gingen daneben, Jrue Holiday fabrizierte gegen ihn allein vier Ballverluste.
Ob dahinter auch eine angepasste Mavs-Taktik steckt, wird sich in Spiel 5 bestätigen müssen. Aber bei Sündenbock Doncic war diesmal zumindest der defensive Einsatz zu 100 Prozent da. "Er hat einfach dazugelernt", erklärte Kyrie Irving: "Wenn er so hochkonzentriert ist und die Refs ignoriert, ist er für uns der entscheidende Spieler und ein großartiger Anführer." Und den vielen Kritikern habe er es gezeigt - "auf eine gesunde Art und Weise".
"Er war Luka. So wie zuvor auch", wehrte dagegen Coach Kidd ab. "Das war kein anderer Luka heute Abend. Er hat auf hohem Level gespielt und war großartig, aber das war er davor auch."
Die Statistik spricht vor Spiel 4 immer noch klar für die Celtics, die nun wieder in eigener Halle antreten dürfen: Erst 13-mal wurde ein 1-3-Rückstand in einer Playoff-Serie noch gedreht. Sollte es schon am Dienstagmorgen in den Urlaub gehen, wird man bei den Mavericks hoffen, dass Doncic seine Lektion für die Offseason gelernt hat. "Wenn man sich die großen Spieler und ihre schwierigen Momente anschaut", betonte Kidd, "dann haben sie das genutzt, um sich für die folgenden Jahre zu verbessern. Weil sie nämlich erst dann verstanden, wie wichtig diese Erfahrung war."
NBA Finals - Celtics vs. Mavericks: Die Serie in der Übersicht
Spiel | Datum | Uhrzeit | Heim | Auswärts | Ergebnis |
1 | 7. Juni (Fr) | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks | 107:89 |
2 | 10. Juni (Mo) | 2 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks | 105:98 |
3 | 13. Juni (Do) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Boston Celtics | 99:106 |
4 | 15. Juni (Sa) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Boston Celtics | 122:84 |
5 | 18. Juni (Di) | 2.30 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks | |
6* | 21. Juni (Fr) | 2.30 Uhr | Dallas Mavericks | Boston Celtics | |
7* | 24. Juni (Mo) | 2 Uhr | Boston Celtics | Dallas Mavericks |