Dieser Artikel erschien erstmals am 8. August 2022. Alle weiteren Geschichten zu den besten Spielern aller Zeiten findet Ihr in unserem Legendenarchiv!
Vier Jerseys haben die Dallas Mavericks seit ihres Bestehens in der NBA unter die Hallendecke gezogen. Zuletzt wurde Dirk Nowitzki im Januar 2022 geehrt, zuvor wurden die Nummern von Brad Davis (#15), Rolando Blackman (#22) und Derek Harper (#12) nicht mehr vergeben. Gleiches gilt auch für die 24, die Dallas zu Ehren von Kobe Bryant zurückzog.
Dass diese Nummer überhaupt noch verfügbar war, ist etwas verwunderlich, schließlich trug sie der erste echte Star der Mavs in den Achtzigern. Die Rede ist von Mark Aguirre, der Dallas zwischen 1981 und 1989 stets beim Scoring anführte, dreimal All-Star wurde und im Schnitt 24,6 Punkte bei knapp 50 Prozent aus dem Feld auflegte.
"Er hat sich das absolut verdient", sagte Aguirres Freund Isiah Thomas vor einigen Jahren der New York Times und auch Aguirre selbst sieht das so. "Sie sollten es machen, aber ich habe damit meinen Frieden gefunden, weil ich immer so herzlich empfangen werde, wenn ich nach Dallas komme."
Das war nicht immer so. Über viele Jahre entwickelte sich eine Hassliebe zwischen dem bulligen Forward und der Franchise. Über acht Jahre war es eine Achterbahn der Gefühle, die im Februar 1989 ihr Ende fand, als Aguirre schließlich nach Detroit zu seinem Kumpel Thomas getradet wurde, mit dem er in der Folge zwei Meisterschaften mit den Pistons gewann.
Mark Aguirre: Ein unrühmlicher Abschied aus Dallas
In Dallas war man nicht traurig über den Abgang des All-Stars: "Wir sollten heute den ganzen Tag feiern, weil er weg ist", meinte Center Sam Perkins und auch Dallas' zweiter All-Star Blackman schlug in die gleiche Kerbe: "Mark konnte ein Spiel dominieren, aber nur wenn er im Kopf klar war. Man kann seine Mitspieler nicht einfach so hängen lassen und er hat uns oft hängen gelassen."
Das ist starker Tobak, doch der Frust war groß, schließlich waren die ambitionierten Mavs zum Zeitpunkt des Trades nur Siebter im Westen - zu wenig für ein Team, welches im Vorjahr die Showtime-Lakers in den Conference Finals in ein siebtes Spiel gezwungen hatte. Und auch dort hatte Aguirre eine fragwürdige Rolle gespielt, dazu aber später mehr.
Blackmans Vorwürfe kamen nicht aus dem Blauen, sie waren weise gewählt. Schon seit Wochen hatte Aguirre versucht, seinen Abgang aus Dallas zu forcieren. Mal verweigerte er eine Einwechslung im vierten Viertel, mal nahm er in einer Halbzeit nur einen Wurf. In einem anderen Spiel zeigte er Coach John MacLeod den Mittelfinger, nachdem dieser ihn auf die Bank gesetzt hatte. Bei einem Spiel in Utah spielte Aguirre vor der Partie Eins-gegen-Eins gegen Harper, um dann zu beschließen, dass beide Knöchel für einen Einsatz zu sehr schmerzen würden.
Plötzlich wurden all die Bedenken bestätigt, die durch die NBA kreisten, bevor Aguirre überhaupt eine Minute in der Association gespielt hatte. 1981 hatten die Mavericks den ersten Pick, nachdem Dallas wie erwartet als Expansion Team die mit Abstand schlechteste Bilanz der Liga (15 Siege) geliefert hatte. Die Truppe bestand aus No-Names, auch weil man sich mit Top-Pick Kiki Vandeweghe nicht auf einen Vertrag einigen konnte und diesen später nach Denver tradete.
Mark Aguirre: Seine Statistiken für die Dallas Mavericks
Saison | Spiele | MIN | PTS | FG% | REB | AST |
81/82 | 51 | 28,8 | 18,7 | 46,5 | 4,9 | 3,2 |
82/83 | 81 | 34,4 | 24,4 | 48,3 | 6,3 | 4,1 |
83/84 | 79 | 36,7 | 29,5 | 52,4 | 5,9 | 4,5 |
84/85 | 80 | 33,7 | 25,7 | 50,6 | 6,0 | 3,1 |
85/86 | 74 | 33,8 | 22,6 | 50,3 | 6,0 | 4,6 |
86/87 | 80 | 33,3 | 25,7 | 49,5 | 5,3 | 3,2 |
87/88 | 77 | 33,9 | 25,1 | 47,5 | 5,6 | 3,6 |
88/89 | 44 | 34,8 | 21,7 | 45,0 | 5,3 | 4,3 |
Mark Aguirre: Charakter-Fragen und Streits mit Coach Motta
Nun standen die Mavs vor einer schweren Entscheidung: Mark Aguirre oder Isiah Thomas. Für Aguirre sprach sein Offensivspiel - die herausragenden Post-Moves gepaart mit einem guten Wurf, der sogar bis zur Dreierlinie reichte. Thomas wurde hingegen als bester (kleiner) Spielmacher seit Ewigkeiten angesehen, der in die NBA kommen würde. Das stellte sich als richtig heraus, gleichzeitig war Thomas nur 1,85 Meter groß, was damals durchaus ein Faktor war.
Aguirre hatte jedoch nicht den besten Ruf (Spitzname: Muffin Man), teils selbst verschuldet. Auf dem College gab er zu, dass er Schwierigkeiten hätte, sich gegen kleinere Teams zu motivieren und prompt schied das top-gesetzte DePaul in Runde eins bei March Madness aus. "Wir hatten schon ein wenig Angst, nachdem wir so viele Dinge über Aguirres Charakter hörten", gab Dallas' Pressesprecher Allen Stone zu. Und dennoch: Dallas machte Aguirre zum Top-Pick und sollte das zunächst einmal nicht bereuen.
Einige Verletzungen bremsten den Rookie zwar aus, aber spätestens in seiner dritten Saison war der Forward voll angekommen. Er wurde erstmals All-Star, legte fast 30 Punkte im Schnitt auf und führte die Mavs zusammen mit Shooting Guard Blackman (auch 1981 mit dem 9. Pick gezogen) erstmals in die Playoffs.
Völlig glatt lief es dennoch nicht. Vor allem mit Coach Dick Motta, einem Mann mit klaren Prinzipien, krachte es gelegentlich. "Für mich war klar, dass vor Saisonende einer von uns beiden sterben würde", sagte der Coach über sein Verhältnis mit Aguirre. "Ich fragte mich, ob er jemals erwachsen werden würde, aber nun weiß ich, dass er ein guter Junge ist. Ich war mir sicher, dass wir einen Loser geholt hätten. (...) Ich habe Dinge zu ihm gesagt, das würde ich nicht einmal meinem Hund antun."
Mark Aguirre: Besitzer lässt Trade zu den Lakers platzen
Auf Hochs folgten jedoch stets Tiefs und die waren der Hauptgrund, warum Aguirre umstritten blieb. Bereits wenige Monate nach dem Conference-Semifinals-Auftritt gegen die Lakers (1-4) krachte es erneut. Motta beschimpfte Aguirre als "Feigling", nachdem sein Star so lange mit den Refs diskutiert hatte, bis diese ihn rauswarfen. Aguirre reagierte beleidigt und forderte umgehend einen Trade, den er vorerst aber nicht bekam.
Ein Jahr später liebäugelte Aguirre wieder mit einem Trade, diesmal hatten die Mavs ihn für zwei Spiele suspendiert, nachdem er sich geweigert hatte, in der zweiten Halbzeit zu spielen. In einem Spiel gegen Atlanta hatte Aguirre seinem Freund Dominique Wilkins nach einer Kollision aufgeholfen und war nicht zurück in die Defense gelaufen, obwohl dies eine der Regeln von Coach Motta war.
Aguirre zog daher folgenden Schluss: "Ich glaube nicht, dass ich der Typ Spieler bin, den [Motta, Anm. d. Red.] will. Vielleicht ist es für mich an der Zeit zu gehen". Das dachten sich auch die Mavs nach der Saison 1986, nachdem Dallas erneut an den Lakers in der zweiten Playoff-Runde gescheitert war und Aguirre sich während der Serie erneut verletzte und in wichtigen Momenten fehlte.
Ausgerechnet mit den Lakers wurde ein Deal zwischen Dr. Jerry Buss und Mavs-Owner Don Carter ausgehandelt - über die Köpfe der GMs hinweg. Magic Johnson hatte großes Interesse, mit seinem guten Freund Aguirre zu spielen und war bereit, dafür James Worthy nach Dallas zu schicken. GM Jerry West war hingegen außer sich und drohte, dass er seinen Job hinschmeißen würde, wenn Buss diesen Move durchziehen würde.
Der oberste Laker war dennoch überzeugt und sagte Carter in einem Telefonat, dass er bereit sei, sogar seinen GM zu opfern. Der Deal platzte trotzdem. Was war passiert? Während der Verhandlungen verlor Carter seine Mutter und auch Aguirres Mama Mary starb wenige Tage später, sodass es der Besitzer nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren konnte, den Forward wegzuschicken.
Mark Aguirre: Nur die Lakers stehen in den Playoffs im Weg
Es grenzt fast schon an ein Wunder, dass Dallas bei all diesen Turbulenzen zu einem echten Contender wurde. Gleichzeitig triefte dieses Team nur so vor Talent. Neben den beiden Scorern Aguirre und Blackman hatte man mit Harper einen defensivstarken Point Guard, Perkins war ein guter Power Forward. Auf der Bank hatten die Mavs mit Sixth Man Roy Tarpley, dem jungen Detlef Schrempf sowie Fanliebling Brad Davis ebenfalls jede Menge Qualität.
Und so klopften die Mavs im achten Jahr ihrer Existenz heftig ans Tor zu den Finals, bevor ausgerechnet Worthy die Lakers mit 28 Punkten in Spiel 7 rettete. Aguirre machte 24, saß aber im vierten Viertel über drei Minuten auf der Bank, weil er sich an zwei Fingern verletzt hatte. In dieser Phase zogen die Lakers davon. Dallas musste 18 weitere Jahre warten, bis Nowitzki den Mavs die erste Finals-Teilnahme bescherte.
"Wenn sich Aguirre nicht verletzt hätte, hätten wir dieses Spiel gewonnen und wären dann auch Champion geworden", war sich Carter im Zuge der Meisterfeier 2011 sicher. Aguirre zog dagegen mal wieder den Kürzeren und fehlte nun schon zum dritten Mal verletzt, als seinem Team die Felle davonschwammen. Das Drückeberger-Image war nun nicht mehr wegzuwischen, ob gerechtfertigt oder eben nicht.
Für die Mavs ging es in der Folge steil bergab, erst recht nachdem man Aguirre nach Detroit schickte und im Gegenzug den alternden Adrian Dantley bekam, der aber erst einmal drei Spiele streikte, weil er sich mit 34 Jahren eine Vertragsverlängerung sichern wollte. Die Mavs verpassten die Playoffs, Tarpley verfiel den Drogen, Perkins wurde nach Seattle getradet und Dallas rutschte in der Folge in die Bedeutungslosigkeit ab.
Es sollte bis ins Jahr 2000 dauern, bevor die Mavs überhaupt wieder ein Playoff-Spiel gewannen. Dazwischen lagen drei Saisons mit weniger als 20 Siegen, Dallas war die Lachnummer der NBA. Aus dem Lachen kam auch Aguirre nicht mehr heraus, der stets darauf verwies, dass er das Team nie aufgegeben, stattdessen aber die Franchise ihn weggeschickt hätte.
Mark Aguirre: Das Gesicht der Expansion-Mavs
In Detroit war er das fehlende Puzzleteil und unter Anleitung von Kumpel Thomas akzeptierte er in Motown auch eine deutlich kleinere Rolle, wovon vor allem Dennis Rodman profitierte, der in der Folge zum besten Flügelverteidiger in der NBA aufstieg. "Mark hat eine Hall-of-Fame-Karriere ins Klo geschmissen, um mit uns Meister zu werden", erinnerte sich Thomas später.
Und in der Tat, Aguirre ist trotz eines Karriereschnitts von 20 Punkten pro Spiel sowie insgesamt 18.458 Zählern kein Hall of Famer. Nur zehn andere Spieler, die nominiert werden können (also nicht aktiv oder maximal 3 Jahre aus der Liga), haben mehr Punkte auf dem Konto ohne eine Ehrung in Springfield.
In Dallas gibt es dagegen kein böses Blut mehr, stattdessen schwelgt man mittlerweile gerne in Erinnerungen. "Die Verteidigungen konnten nichts gegen ihn machen. Sie haben die Kreide auf der Tafel vor dem Spiel verschwendet", meinte zum Beispiel Blackman. "Er ist in Dallas eine Ikone", sagte Perkins zu mavs.com.
Tatsächlich gibt es auch heute noch einen Mavs-Scoring-Rekord, den nicht Dirk Nowitzki oder Luka Doncic halten. 1988 erzielte Aguirre in einem Playoff-Spiel gegen Houston im dritten Viertel 27 Punkte, nur Sleepy Floyd gelangen mal mehr Zähler in einem NBA-Playoff-Viertel (29). "Er war ein wenig wie Barkley, auch etwas breiter gebaut. Wenn er mal im Post war und seinen Rhythmus gefunden hatte, konnte ihn niemand aufhalten", bilanzierte der damalige Sportdirektor Rick Sund.
Aguirre prägte die ersten Jahre in Dallas mit allen Höhen und Tiefen und etablierte das Team in der Liga, wie auch Blackman anmerkte: "Er hat uns auf ein anderes Level gehoben. Ohne ihn würde es wohl heute keinen NBA-Basketball in Dallas geben."