Chris Paul muss sich manchmal vorkommen wie Bill Murray in "Und täglich grüßt das Murmeltier", auch wenn für Paul eher "Und jährlich grüßt das Murmeltier" zutreffender wäre. Sobald der Point God auf dem Weg ist, sich endlich seinen verdienten Ring zu sichern, kommt ihm immer wieder eine Verletzung dazwischen.
- 2014/15: Zur Hochzeit von Lob City sehen die Clippers mit ihrer Big Three um CP3, Blake Griffin und DeAndre Jordan wie einer der Top-Favoriten auf den Titel aus. In Spiel 6 der ersten Runde gegen die San Antonio Spurs (4-2) verletzt Paul sich am Oberschenkel und verpasst die ersten zwei Spiele der Semifinals gegen die Rockets - die Serie geht mit 3-4 verloren.
- 2015/16: In Spiel 4 der ersten Runde gegen die Trail Blazers bricht sich Paul die Hand und muss operiert werden. Die letzten zwei Spiele der Serie gehen verloren und das Championship-Fenster der Clips ist zu.
- 2017/18: Es hätte das Jahr des CP3 werden sollen. Gemeinsam mit James Harden bildet er eines der besten Duos der Liga, führt die Rockets zur besten Bilanz im Westen und hat die nahezu unbezwingbaren Durant-Warriors am Rande des Ausscheidens (3-2). Dann ist es ausgerechnet wieder der Oberschenkel, der Paul einen Strich durch die Rechnung macht. Er verpasst Spiel 6 und Spiel 7 und kann nichts mehr am bitteren Ausscheiden seines Teams ändern.
- 2020/21: Die Rockets-Ära ist Geschichte, mit den Suns soll es jetzt endlich klappen. In der Erstrundenserie gegen die Lakers verletzt er sich an der Schulter, kann trotz großer Limitation aber die Serie weiterspielen. Dann kommt auch noch Corona dazu plus eine Handverletzung, die es ihm nicht erlaubt, 100 Prozent zu geben. Alleine in den letzten drei Spielen der Finals wirft er den Ball 15 Mal weg.
Stand jetzt fehlt der Point God zwar "nur" im Saison-Endspurt, mit 36-Jahren ist er aber nicht mehr der Jüngste, weshalb alle Verletzungen Spuren hinterlassen. Sechs bis acht Wochen soll er Medienberichten zufolge ausfallen - mindestens! Zur Erinnerung: Die Regular Season ist in sieben Wochen vorbei und in nichtmal acht Wochen beginnen die Playoffs. Die Suns sollten sich also dringlichst einen Plan B überlegen.
NBA: Booker als Herzstück des Ersatzplans
Das Herzstück für diesen Ersatzplan ist ohne Frage Devin Booker. Der All-Star ist in der Absenz von Paul der unangefochtene Leader seines Teams und wird seine Rolle dementsprechend anpassen müssen. An der Seite von Paul, einem der pursten Point Guards der Geschichte, kann Booker seine Qualitäten als Scorer vollends entfalten, ohne sich primär um das Ballhandling kümmern zu müssen.
Das wird sich jetzt ändern, zum Glück für die Suns hat sich Booker in dieser Disziplin in den vergangenen Jahren aber schon deutlich verbessert. Zum Beginn seiner Karriere war Booker beinahe ein reiner Shooter (3,4 bzw. 3,5 Assists pro 36 Minuten über seine ersten zwei Saisons), mittlerweile kann er für sich und seine Mitspieler kreieren. Das hat sich schon in der Saison vor Pauls Ankunft gezeigt (6,5 Assists pro 36 Min.) sowie in den Minuten ohne Paul in dieser Saison (5,8 pro 36 Min., im Vergleich zu 4,5 mit Paul auf dem Floor).
Allerdings leidet Bookers Shooting unter der Ballhandling-Last (25,5 Punkte pro 36 Min. statt 27,4 mit Paul), weshalb hier die zweite Guard-Reihe der Suns ins Spiel kommt - allen voran Cameron Payne. Bereits in den vergangenen Playoffs sprang der 27-Jährige für Paul ein und machte seine Sache ausgezeichnet (40 Punkte und 18 Assists in zwei Spielen als Starter gegen die Clippers).
Phoenix Suns: Die zweite Guard-Reihe muss einspringen
Das Problem: Payne durchläuft seit Saisonbeginn einen üblen Shooting-Slump (Feldwurfquote -8 Prozent zum Vorjahr, Dreierquote -10,4 Prozent zum Vorjahr). Im Januar sah es endlich aus, als würde er langsam in Form kommen, dann bremste ihn eine Handgelenksverletzung erneut aus. Diese kostete ihn die vergangenen zwölf Spiele, nach dem All-Star Break soll er aber wieder zur Verfügung stehen.
Wichtig werden daher auch Elfried Payton und der neuverpflichtete Aaron Holiday. Payton stand zwar 63 Mal in der vergangenen Saison für die Knicks in der Starting Five und hat ein gutes Auge für seine Mitspieler, den Wurf hat er aber wahrlich nicht erfunden. Er versenkte in seinen 38 Spielen für die Suns in dieser Saison nur 4 Dreier, genau so viele wie Holiday in seinen ersten 3 Spielen für seine neuen Farben (37 Prozent Dreier in seiner Karriere). Dafür hat Holiday Defizite im Playmaking.
Auch wenn die Suns ohne Paul zweifelsohne schlechter sind, müssen wir den Teufel hier nicht an die Wand malen. Phoenix hat die gesamte Saison über den Fuß nicht vom Gaspedal genommen, was sich jetzt auszahlt. Mit 24 verbleibenden Spielen in der regulären Saison und 6,5 Spielen Vorsprung auf die Draymond-Green-losen Warriors und 8 Spielen Vorsprung auf die Grizzlies, sollten sie den ersten Platz im Westen halten können.
NBA: Die Tabelle der Western Conference
Platzierung | Team | Bilanz |
1. | Phoenix Suns | 48-10 |
2. | Golden State Warriors | 42-17 |
3. | Memphis Grizzlies | 41-19 |
4. | Utah Jazz | 36-22 |
5. | Dallas Mavericks | 35-24 |
6. | Denver Nuggets | 33-25 |
7. | Minnesota Timberwolves | 31-28 |
8. | L.A. Clippers | 30-31 |
9. | Los Angeles Lakers | 27-31 |
10. | Portland Trail Blazers | 25-34 |
Phoenix Suns können auch ohne Chris Paul
"Wir stehen bei 48-10. Wenn ich also ein paar Spiele verpasse, dann werden die Jungs für mich die Stellung halten", meinte auch Paul vor dem All-Star Game in Cleveland. Neun der verbleibenden 24 Gegner befinden sich dabei nicht mal in den Playoff-Rängen und sechs weitere kämpfen um das Play-In-Turnier. Und die Suns sind ja auch ohne Paul wahrlich kein schlechtes Team.
Phoenix hat sein Team im Vergleich zur Vorsaison beinahe komplett zusammengehalten und sich vor der Trade-Deadline clever verstärkt (der angesprochene Holiday und Rückkehrer Torrey Craig). Sie haben den vielleicht tiefsten Kader der Liga und sind auf allen Positionen zwei- und dreifach besetzt. Konkret bedeutet das, dass die auch die Minuten ohne Paul auf dem Platz gewinnen - und zwar deutlich (+4,2). Zum Vergleich: Die Bucks (-3,9 ohne Giannis), Warriors (-3,1 ohne Curry) und Bulls (-5,5 ohne DeRozan) verlieren die Minuten ohne ihre Stars deutlich.
Schwierig wird es dagegen wahrscheinlich mit dem Franchise-Rekord (62 Siege) werden, dafür müssten sie mindestens eine Bilanz von 15-9 über die verbleibenden Spiele erreichen. Das ist nicht unmöglich (man erinnere sich an die Grizzlies ohne Ja Morant (11-2), aber im harten Saisonendspurt auch kein Spaziergang.
NBA: Kehrt Chris Paul mit 100 Prozent zurück?
Viel wichtiger als die Frage nach der restlichen Saison ist aber, ob wir die beste Version von CP3 in den Playoffs erleben werden. Vor allem in Clutch-Situationen ist er für die Suns unverzichtbar, wenn er - wie regelmäßig - das gesamte Spiel an sich reißt und aus der Mitteldistanz seinen Automatismus anwirft.
Jedoch gibt es Grund zur Hoffnung. Paul zog sich bereits 2017 eine ähnliche Verletzung zu und kehrte bereits nach fünfeinhalb Wochen wieder auf den Court zurück, ohne dass er anschließend noch Anzeichen von der Verletzung zeigte. Allerdings brach er sich damals den linken Daumen und eben nicht den Daumen an seiner Shooting-Hand. Was sich dadurch im Vergleich zu seiner Verletzung von 2017 verändert, ist nicht absehbar.
Sollte Paul jedoch wirklich fit zu den Playoffs zurückkehren, könnte sich die Verletzung sogar als Vorteil für die Suns herausstellen. Der Point God verpasste in der bisherigen Saison keine einzige Partie und stand im Schnitt 33 Minuten pro Spiel auf dem Platz - so viele wie seit der Saison 2014-15 nicht mehr. Dazu kam die relativ kurze Offseason nach den Finals im vergangenen Jahr.
CP3 sollte die Pause gut nutzen und pünktlich zu den Playoffs zurückkehren, dann stünde dem Championship-Run der Suns im Wege. Falls er aber sogar noch länger ausfallen würde, könnte schon in der ersten Runde gegen eines der beiden Teams aus L.A. eine böse Überraschung drohen.