Die Bucks sind in dieser Spielzeit deutlich schwerer auszumachen als in den vergangenen Jahren. Selbst den schwachen Saisonstart mal ausgeklammert, zeigt Milwaukee regelmäßig zwei Gesichter. An einem Tag sind sie die unaufhaltsame Regular-Season-Maschine, an anderen wirken sie fahrig und leisten sich unnötige Niederlagen.
Paradebeispiele dafür sind Pleiten gegen Detroit, die Back-to-Back-Niederlagen gegen die Hornets Anfang Januar und schließlich die Blowouts gegen die Nuggets (-36) und ein halbes Blazers-Teams (-15), was man in dieser Form nicht gewohnt ist. Auf der anderen Seite stehen ein 50-Burger von Giannis Antetokounmpo gegen Indiana und dominante Siege über die Lakers oder Golden State.
Würden heute die Playoffs starten, würde Milwaukee es in der ersten Runde mit den brandheißen Celtics zu tun bekommen. Würden sie auf Platz zwei liegen, könnten die Raptors ihr erster Gegner sein, die ihnen in dieser Spielzeit drei Niederlagen eingeschenkt haben. Als Ost-Primus könnte, das Play-In-Turnier einmal außen vor genommen, derzeit sogar die Wundertüte aus Brooklyn warten.
In Anbetracht der unfassbaren Qualität des Ostens in dieser Saison werfen die Niederlagen und die Inkonstanz des amtierenden Champions Fragen auf. Hat Milwaukee wirklich das Zeug zum Repeat? Wir versuchen uns an einer Antwort.
Milwaukee Bucks: Der Einfluss der Big Three
Blicken wir auf die angesprochenen Niederlagen in den vergangenen Wochen, fällt vor allem eines auf. Spielen die Bucks nicht mit ihrem Trio aus Giannis, Khris Middleton und Jrue Holiday, sind sie anfällig. Bei den Niederlagen gegen die Hornets, Hawks und Raptors fehlte Holiday, gegen die Blazers musste Giannis aussetzen.
Wenn alle drei fit sind, sind sie aber eine Big Three, die ihrem Namen alle Ehre macht. In insgesamt 30 gemeinsamen Partien steht dieses Trio bei einer Bilanz von 24-6. Laut Cleaning the Glass haben die Bucks ein Net-Rating von +5,7, wenn die drei zusammen auf dem Platz stehen (79. Perzentil) - Garbage Time rausgerechnet.
Interessanter wird es, wenn wir ein bisschen tiefer in die Zahlen eintauchen. PBPstats.com hat ein Tool, das die gespielten Minuten gewichtet, je nachdem wie viel Einfluss sie auf den Ausgang des Spiels haben. Dabei wird unterschieden zwischen Situationen mit geringem, mittlerem, hohem und sehr hohem Einfluss. Wenn ein Team beispielsweise Ende des dritten Viertels mit +24 führt, wäre der Einfluss "gering", bei -2 und zwei Minuten zu spielen, wäre der Einfluss "sehr hoch".
Rechnet man jetzt die Minuten mit "geringem" Einfluss raus, steht das Trio bei einem Net-Rating von +13,8 über 424 Minuten. Zum Vergleich: Die Suns mit Chris Paul, Devin Booker und Deandre Ayton kommen in 619 Minuten auf ein Net-Rating von +9,9, die Heat um Jimmy Butler, Bam Adebayo und Kyle Lowry auf +9,5 in 347 Minuten und die Warriors - wir nehmen mal die Zeit vor der Green-Verletzung als Maßstab - mit Stephen Curry, Green und Andrew Wiggins auf +10,6 in 595 Minuten.
Sehen wir also von den vielen Verletzungen und Corona-bedingten Ausfällen ab, die die Bucks durcheinander gewirbelt haben, bleibt festzuhalten, dass das Team immer noch unglaublich abgezockt ist - sofern aller drei Stars fit sind. Damit kommen wir aber auch zu einem der Probleme.
Milwaukee Bucks: Die Statistiken der Big Three
Spieler | Spiele | Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
Giannis Antetokounmpo | 48 | 32,6 | 29,4 | 11,3 | 6,0 | 54,7 | 30,4 |
Khris Middleton | 47 | 32,0 | 19,4 | 5,5 | 5,3 | 44,2 | 36,3 |
Jrue Holiday | 46 | 32,9 | 18,0 | 4,6 | 6,7 | 50,6 | 40,4 |
Milwaukee Bucks: Neue Probleme
In der vergangenen Postseason sind die Bucks von größeren Verletzungen verschont geblieben. Nun wird aber immer klarer: Wenn Milwaukee fit ist, sind sie eine Übermacht, wenn nicht, fehlt ihnen oft ein Plan B. Das hat sich in der vergangenen Saison nicht so gezeigt, weil das Team viel tiefer war. Die Verletzung von Brook Lopez ist nun aber der Auslöser der Misere.
Durch den Ausfall des Splash Mountain haben die Bucks ihren eigentlichen Rim Protector verloren. Giannis muss deswegen defensiv mehr Last schultern und Vorjahresheld Bobby Portis ist in die Starting Five gerutscht. Das hat für das Team gleich mehrere Auswirkungen. Zum einem sind die Bucks abhängiger von ihrem Superstar. Steht Giannis aus dem Feld, haben sie laut nba.com/stats ein Net-Rating von +9, ohne ihn fällt es auf -4,2. Auch die Bilanz ohne den Griechen ist negativ (5-6).
Das war im Vorjahr anders, da gewannen die Bucks auch die Minuten ohne Giannis auf dem Feld (+1,6). Unter anderem, weil Lopez in der Defense seinen Mann stand oder Portis als Sixth Man ohne Giannis auf dem Feld dafür sorgte, dass die Offensive intakt blieb. Diese Option fällt in dieser Saison weg, worunter die Produktion der Bank merklich leidet (Platz 28 ligaweit).
Realistisch einsetzbare Bankspieler bei den Bucks sind derzeit Wesley Matthews, Jordan Nwora, mit Abstrichen Thanasis Antetokounmpo und die neu verpflichteten DeAndre' Bembry und Serge Ibaka. George Hill fehlt genauso wie Pat Connaughton.
Wenn alle fit sind, ist Connaughton der mit Abstand beste Spieler aus diesem Kreis, nach einer Hand-OP wird er aber noch eine Weile fehlen. Hill hat seinen Zenit überschritten und ist von Downtown in dieser Saison ein Schatten seiner selbst (31,6 Prozent), Bembry ist ein ordentlicher Verteidiger, kann aber ebenfalls nicht werfen. Nwora ist unerfahren, Antetokounmpo leider deutlich schlechter als sein Bruder und Ibaka ein großes Fragezeichen.
Milwaukee Bucks: Dragic als Lösung?
Die ersten beiden Spiele des Kongolesen sahen zwar ordentlich aus, mehr als ein vernünftiger Back-Up ist er nach seinen wiederkehrenden Verletzungen aber wohl nicht mehr. Gut tun würde den Bucks, die noch zwei freie Roster-Spots haben, ein Spieler, der für sich selbst kreieren und die Big Three entlasten kann. Der Top-Kandidat aus Bucks-Sicht wäre ohne Frage Goran Dragic, der nach seinem Buyout bei den Spurs auf der Suche nach einem neuen Team ist.
Auch wenn in dieser Saison sportlich vom Slowenen nicht viel zu sehen war, sollte er auch mit 35 Jahren noch im Stande sein, eine Offensive zu schmeißen. Hinzu kommt ein Haufen Playoff-Erfahrung, die er beim Finals-Run der Heat vor nur 16 Monaten eindrucksvoll unter Beweis stellte. Im Vergleich zu den aktuellen Backup-Guards wäre er ein enormes Upgrade.
Milwaukee Bucks: Bereit für die Playoffs
Gleichzeitig darf man nicht aus den Augen verlieren, dass immer noch die Regular Season läuft. Zwar dominieren die Bucks diese erstmals seit Jahren nicht mehr, was automatisch für Verwunderung sorgt, in den Playoffs sollte aber vieles anders aussehen. Wenn die Rotation auf sieben bis acht Spieler schrumpft, wird die Produktion von der Bank bei weitem nicht mehr so wichtig sein.
Im Vergleich zur Vorsaison haben die Bucks ihren Kern zusammengehalten. Der Abgang von P.J. Tucker tut aus defensiver Sicht weh, mit Grayson Allen in der Starting Five ist aber für deutlich mehr Shooting gesorgt. Eine Rotation aus Holiday, Allen, Middleton, Giannis, Ibaka oder Lopez (falls dieser rechtzeitig fit wird), Portis, Connaughton und eventuell Dragic ist eine absolute Ansage - defensiv wie offensiv.
Selbst falls Dragic nicht in Wisconsin landen sollte, werden die Bucks auf dem Buyout-Markt aktiv werden und einen weiteren Ballhandler holen. Ob Ibaka das Problem auf der Fünf lösen wird, bleibt abzuwarten, zur Not muss Portis es halt richten.
So oder so sind die Bucks auch mit einigen Niederlagen mehr auf der Habenseite als in den Vorjahren auf dem Papier das beste Team des Ostens. Immerhin gibt es da ja auch noch diesen MVP- und DPOY-Kandidaten namens Giannis. Der amtierende Champion sollte - Gesundheit vorausgesetzt - im Osten der Favorit auf die Finals sein.