Auf den ersten Blick ist es kein leichtes Unterfangen, nach Gemeinsamkeiten von Stephen Curry, Klay Thompson und Reggie Jackson zu suchen. Da stehen zwei der besten Schützen aller Zeiten auf der einen Seite. Dreifache Champions mit All-Star-, All-NBA- und in Person des Chefkochs sogar MVP-Ehren. Und auf der anderen Seite steht Jackson.
Aber es gibt eben doch diesen einen Aspekt, der das Trio verbindet: brandheißes Shooting in den Playoffs. Die Splash Brothers sind in dieser Hinsicht seit Jahren eine Institution, doch in den Playoffs 2021 hat sich auch Jackson in ihre Sphären geballert.
Beweisstück A: Mit 56 verwandelten Dreiern führt der 31-Jährige die Liga in dieser Postseason an - vor etwa Teamkollege Paul George oder Trae Young oder Khris Middleton, die auf ähnlich viele Einsätze kommen. Beweisstück B: In den Playoffs 2021 fabrizierte er 15 Spiele mit mindestens drei Dreiern, das schafften vor ihm in einer Postseason nur Thompson (16) und Curry (gleich dreimal mit 18, 17 und 16 solcher Partien).
"Er hatte ein großartiges Jahr", schwärmte deshalb Head Coach Tyronn Lue nach dem 116:102-Sieg der Clippers in Spiel 5 der West-Finals, mit dem L.A. vorerst am Leben blieb. "Ich freue mich einfach für ihn, dass er endlich diese Möglichkeit bekommt. Er zeigt, wer er als Spieler ist." Vor allem nach dem Ausfall von Kawhi Leonard gab und gibt Jackson seinem Team einen wichtigen Schub in der Offense, hilft sogar, Spiele auf der größten NBA-Bühne zugunsten der Clippers zu entscheiden. Dabei stand er vor knapp einem Jahr noch kurz vor dem Karriereende.
L.A. Clippers: Reggie Jackson dachte ans Karriereende
Schon seit mehreren Jahren schleppte sich Jackson mit verschiedenen Verletzungen über das NBA-Parkett. Erst der Knöchel, dann der Rücken zwangen den Point Guard seit der Saison 2016/17 immer wieder zu längeren Auszeiten. Und auch wenn er auf dem Court stand, konnte er die Erwartungen als einer der Anführer in Detroit, wo er 2015 einen Fünfjahresvertrag für 80 Millionen Dollar unterschrieb, nicht erfüllen. Stattdessen lieferte er solide, aber leere Statistiken ab, die sich nicht in Teamerfolg ummünzen ließen.
Im Februar 2020 einigten sich beide Parteien schließlich auf einen Buyout. George, schon seit Jahren ein guter Kumpel von Jackson, überzeugte den Guard von einer Unterschrift in L.A., doch der Rücken machte weiterhin Probleme. Auch sportlich lief es nicht, in den Bubble-Playoffs kam er in der zweiten Runde nur noch zu Kurzeinsätzen, als die Clippers nach einer 3-1-Führung gegen Denver epochal auseinanderfielen.
Der Traum vom Titel schien zu diesem Zeitpunkt Lichtjahre entfernt. "Ich hatte das Gefühl, vielleicht sollte es einfach nicht sein", blickte Jackson gegenüber ESPN auf den vergangenen Sommer zurück. Die Situation habe schwer auf ihm gelastet, "ich war bereit, aufzugeben. Ich dachte, ich würde meine Karriere beenden, weil ich einfach nicht gesund wurde."
Erst nach einer Weile Abstand in der Offseason fand er seine Liebe zum Basketball wieder, Jackson fasste den Entschluss in L.A. für ein Jahr zum Veteranen-Minimum (2,3 Mio. Dollar) zu verlängern. Immerhin hatte er dort ein Zuhause gefunden, ein seltenes Gut im Leben von Jackson. In Italien als Sohn eines US-Soldaten geboren, verbrachte er seine Kindheit mal in England, mal in North Dakota, mal in Georgia, mal in Florida und letztlich in Colorado.
Clippers-Guard Jackson: Wichtiger Schub für L.A.
Nach dem College-Aufenthalt in Boston, nach NBA-Stationen in Oklahoma City - die Thunder holten ihn 2011 als 24. Pick in die Liga - und Detroit fühlt er sich bei den Clippers nicht zuletzt dank der engen Beziehung zu George nun scheinbar wohl. Zwar wurden im Laufe der Saison immer wieder Stimmen laut, die Verstärkung auf der Point-Guard-Position forderten, Jacksons 10,7 Punkte und 3,1 Assists in 20 Minuten waren nicht berühmt und tatsächlich holten die Clippers ja Rajon Rondo, doch spätestens in den Playoffs hat Jackson die Kritiker verstummen lassen.
Seit er in Spiel 3 der ersten Runde gegen die Dallas Mavericks in die Starting Five beordert wurde, haben sich seine Leistungen deutlich gesteigert. In der restlichen Serie gegen die Mavs legte er 18,2 Punkte im Schnitt auf, seit dem Ausfall von Kawhi steigerte er seine Ausbeute sogar auf 22,6 Zähler bei starken Quoten. Seine 41,5 Prozent von Downtown in diesen Playoffs (bei 7,5 Versuchen pro Partie) entsprechen dem Playoff-Schnitt von Thompson. Beweisstück C.
Jackson selbst führt dabei auch die klare Rollenverteilung bei den Clippers als Erfolgsrezept an, jeder im Team sei über die Saison in seine Rolle hineingewachsen, das gemeinsame Ziel der Championship habe die Mannschaft zusammengeschweißt. Der Guard verkörpert dabei genau wie viele seiner Kollegen die neue Mentalität dieses Clippers-Teams, die der bisherige Erfolgsgarant und der große Unterschied zum Vorjahr war: niemals aufgeben.
"Dieses Team ist widerstandsfähig. Wir glauben immer an uns selbst. Wir geben niemals auf", betonte Jackson nach Spiel 3 gegen die Suns, nachdem sich L.A. zum dritten Mal in Folge aus einem 0-2-Loch in einer Serie herauskämpfen musste. "Wir machen immer weiter. Dieses Team ist hungrig."
NBA: Die Statistiken von Reggie Jackson in den Playoffs 2021
Runde | G / MIN | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
Erste Runde vs. Mavs | 7 / 30,1 | 15,4 | 3,4 | 2,7 | 43,4 | 39,3 |
Zweite Runde vs. Jazz | 6 / 30,8 | 18,0 | 1,7 | 4,0 | 58,8 | 50,0 |
West-Finals vs. Suns | 5 / 37,9 | 21,8 | 4,4 | 2,8 | 47,2 | 37,2 |
Gesamt | 18 / 32,5 | 18,1 | 3,1 | 3,2 | 49,2 | 41,5 |
L.A. Clippers. Reggie Jackson ist in der Crunchtime zur Stelle
Jackson spielte eine wichtige Rolle bei den Comebacks gegen Dallas und Utah. Auch gegen die Suns ist er regelmäßig in der Crunchtime zur Stelle. In Spiel 5 war der persönliche Playoff-Bestwert von PG-13 die Story des Spiels, doch im vierten Viertel konnte sich dieser voll und ganz auf seinen Buddy verlassen.
Als sich die Suns auf 4 Zähler herangekämpft hatten, verzeichnete Jackson 8 Zähler in einem 10:2-Lauf der Gäste, der wieder einen komfortablen Vorsprung herstellte. Sein erster Dreier vom linken Flügel tänzelte noch über den Ring und fiel mit etwas Glück. George tankte sich im nächsten Angriff zum Korb durch, kurz darauf servierte er einen weiteren Dreier von Jackson. Dieses Mal traf er nichts als Nylon. Wiederum wenig später setzte er mit einem Transition-Dunk das Sahnehäubchen auf den Run.
Am Ende waren es 23 Punkte, neunmal in 18 Partien knackte Jackson in den Playoffs nun die 20-Punkte-Marke - in der kompletten Regular Season gelang ihm dies nur siebenmal. Die Clippers-Lineups mit Jackson weisen in der Postseason laut Cleaning the Glass ein Net-Rating von +12,0 vor. Mit ihm auf der Bank verzeichnet L.A. dagegen 5,7 Punkte pro 100 Ballbesitze weniger als der Gegner.
"Reggie, man ... er war schon die komplette Saison über phänomenal für uns", sagte Lue nach dem überlebenswichtigen Spiel 5, in dem L.A. auf 2-3 verkürzte. "Er liebt diese Momente und das Spiel auf der großen Bühne. Er performt jedes Mal, wenn er mit dem Rücken zur Wand steht."
Reggie Jackson: Eigene Interpretation des "Game 6 Klay"?
Das tun die Clippers nun auch in Spiel 6. Eine Niederlage und der Traum vom Titel ist ausgeträumt. George reißt in diesen Playoffs die mit Abstand meisten Minuten aller Spieler ab, er nimmt alle zwei Abende sein Team auf die Schultern. Zusätzliche Unterstützung von zum Beispiel Jackson ist aber dringend notwendig, um doch noch ein Entscheidungsspiel zu erzwingen.
Der wiederum hat Begehrlichkeiten bei der Konkurrenz geweckt. Als Free Agent dürfte er dank seiner Auftritte in den Playoffs einen netten Zahltag erwarten, mehr als das Minimum wird es sicherlich geben. Zunächst aber liegt der Fokus auf der aktuellen Aufgabe.
Die Clippers haben nun die meisten Siege in einer einzelnen Postseason aller Zeiten, wenn sie in einer Serie im Rückstand liegen (7), in diesen Playoffs haben sie zudem noch kein Spiel 6 verloren. In den bisherigen beiden legte Jackson 25 (gegen Dallas) und 27 Zähler (gegen Utah) auf. Gegen einen Reggie Jackson mit seiner eigenen kleinen "Game 6 Klay"-Interpretation hätte L.A. nun auch gegen Phoenix sicherlich nichts einzuwenden.