Eine Niederlage trennte die Clippers vom Saisonende, Kawhi Leonard fehlte erneut, nach einer schwachen Leistung in Spiel 4 stand der verbliebene Superstar der Kalifornier in der Pflicht. Und Paul George lieferte ab: Ein Playoff-Career-High von 41 Punkten, eine effiziente Wurfquote (15/20 FG), 13 Rebounds und 6 Assists standen in 41 Minuten zu Buche, 20 Zähler in einem überragenden dritten Viertel ebneten den Weg zum 2-3 in der Serie gegen die Phoenix Suns.
"Das ist einer der speziellsten Kerle, der sich jemals die Schuhe geschnürt hat. Gebt diesem Mann seine Blumen", schwärmte DeMarcus Cousins von seinem Mitspieler. Der Big Man, der in Abwesenheit des verletzten Ivica Zubac elf Minuten sah, nutzte diese für starke 15 Punkte, was ebenfalls einen Karrierebestwert in der Postseason darstellte.
Deutliche Worte hatte Boogie zudem für jene Fans übrig, die George die Tauglichkeit absprachen, auf der großen Bühne zu bestehen: "Ich weiß nicht, wo dieser Mist herkommt, wo das Internet das Narrativ über diese Spieler bestimmt. Wir dürfen uns davon nicht beeinflussen lassen."
Kritik an George gab es in den vergangenen Jahren reichlich. Der 31-Jährige gehört sicherlich zu den am meisten gescholtenen Stars der Association. Teils selbstverschuldet, beispielsweise weil er sich selbst den Spitznamen Playoff-P verpasste, ohne ihn mit Leistungen zu untermauern. In dieser Postseason lässt er aber vor allem Taten sprechen.
Dass George ohne Leonard eine (zu) hohe Last schultern muss, ist hinlänglich bekannt, letztmals spielte er am 11. Mai weniger als 35 Minuten in einer Partie. In 13 Playoff-Spielen stand er mehr als 40 Minuten auf dem Parkett. In allen 18 Auftritten in der Postseason kam er stets auf mehr als 20 Punkte, dies gelang in der Geschichte der Liga vor ihm lediglich Michael Jordan (1992, 1997-98), Kevin Durant (2012, 2018) und Kobe Bryant (2008).
Suns vs. Clippers, Spiel 5: Hier gibt es die Highlights der Partie.
L.A. Clippers: Auch Morris und Jackson liefern ab
Während der Ex-Pacers-Star seine Gala lediglich damit erklärte, dass er sich körperlich gut gefühlt habe, gehen die Gründe weit darüber hinaus. Ohne Leonard und Zubac waren die Clippers in ihren Möglichkeiten beschränkt und versuchten es mit einem kleinen Lineup um den zuletzt schwachen Marcus Morris auf der 5. Dieser lieferte mit 20 Zählern eine bärenstarke erste Halbzeit ab, in der bisherigen Serie hatte er es insgesamt nur auf 25 Punkte gebracht.
Im Verbund verteidigte L.A. aggressiv und engagiert, erzwang 14 Turnover und nutzte die Geschwindigkeitsvorteile in Transition zu einfachen Punkten. Die Räume, die die in verschiedenen Variationen angewandte Zonenverteidigung bot, konnten die Suns nur unzureichend nutzen (9/26 Dreier), in der Zone kam Deandre Ayton trotz Größenvorteilen nicht wie zuletzt zur Geltung, Phoenix traf nur 45,2 Prozent aus dem Feld.
Als das Spiel im vierten Viertel doch noch eng zu werden drohte, traf Reggie Jackson zwei wichtige Dreier und versenkte einen sehenswerten Dunk in Transition. Und auch Head Coach Tyronn Lue, bei seinen Spielern sowieso hoch geschätzt, nahm vor und während der Partie mit kleinen Anpassungen einen entscheidenden Einfluss.
Aber das Rampenlicht gebührte in erster Linie George - und das vollkommen zu Recht. "Wir blühen in solchen Momenten auf und stehen noch enger zusammen. Dieses Team zeichnet sich durch Widerstandsfähigkeit über den gesamten Kader hinweg aus", konnte George den personellen Problemen auch Positives abgewinnen. Die ganze Serie über hätten nur Kleinigkeiten die beiden Teams getrennt, sei es beim Ayton-Tip-In mit dem Buzzer in Spiel 2 oder dem Backstein-Festival in Spiel 4.
Paul George sieht sich zu Unrecht kritisiert
In Spiel 5 konnte George auch deshalb in Viertel drei so gnadenlos aufdrehen, die Zone attackieren und Dreier um Dreier gegen den machtlosen Chris Paul versenken, weil er durch Morris und Jackson in der ersten Halbzeit entlastet wurde. Bis zur Pause hatte er nur 8 Würfe für 11 Punkte genommen. Der Tatsache, dass er nach all seinen Verletzungen nicht mehr über die gleichen physischen Voraussetzungen wie noch vor Jahren verfügt, ist er sich vollkommen bewusst.
"Ich musste definitiv an ein paar Stellen Abstriche machen, auch durch die Schulter-Operationen. Du musst mit dem auskommen, was du leisten kannst, und dich entsprechend anpassen", sagte George. Dabei habe auch eine Aussage von LeBron James Widerhall bei ihm gefunden: "Er sagte, er werde nie wieder bei 100 Prozent sein. Darüber habe ich nachgedacht und festgestellt: Mann! Das gilt für mich genauso. Es ist hart, aber Teil des Spiels."
Trotz dieses Eingeständnisses, dass er sein früheres Leistungsmaximum wohl nicht mehr erreichen kann, richtete auch er eine klare Ansage an seine Kritiker, die in George vielmehr Pandemic-P und Wayoff-P als den selbsternannten Playoff-P sehen. "Das glaube ich wirklich. Das ist eine Tatsache", antwortete George auf die Frage, ob er zu stark kritisiert werde. "Aber daran darf ich keine Gedanken verschwenden. Das bringt der Job mit sich. Ich versuche dennoch, rauszugehen und zu dominieren."
Zwei Siege trennen die Clippers von den Finals, die Suns benötigen allerdings nur noch einen Erfolg. Die Clippers stehen also weiter mit dem Rücken zur Wand, dürfen sich keinen Ausrutscher mehr erlauben. Weiter geht es in der Nacht auf Donnerstag (ab 3 Uhr live auf DAZN), dann wieder vor heimischer Kulisse, höchstwahrscheinlich mit unverändertem Personal.
"Wir waren das ganze Jahre über widerstandsfähig und wollten uns wehren. Die Spieler wissen, dass sie dieses Team schlagen können, auch wenn sie dezimiert sind", gab sich Lue nach dem ersten Viertel in Spiel 5 kämpferisch. Er wurde von seinen Spielern nicht im Stich gelassen. Zwölfmal musste eines seiner Teams in seiner Coaching-Karriere ein Elimination Game bestreiten, seine Bilanz von 10-2 ist die beste in der NBA-Geschichte. Sollte diese bald bei 12-2 stehen, stehen die Clippers in den Finals. Dafür wird es aber noch weitere spektakuläre Auftritte von George brauchen.