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NBA Legendenserie: Bernard King - The King of Christmas

Von Thore Beckmann
Bernard King legte 1984 am ersten Weihnachtsfeiertag 60 Punkte im MSG auf
© getty

Bernard King ist einer der besten Small Forwards und Scorer aller Zeiten. Einst legte er am Christmas Day 60 Punkte im Madison Squard Garden auf, der selten eine so legendäre Performance gesehen hat. Warum wird der King of Christmas trotzdem so oft übersehen, wenn es um die wirklich Großen des Basketballs geht? Seine Karriere erzählt eine Geschichte von vielen Rückschlägen.

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Dieser Artikel wurde erstmals am 22. Dezember 2016 veröffentlicht. Alle weiteren Legenden-Geschichten findet Ihr in unserem Archiv.

Christmas Day in der NBA, das ist eine andere Dimension als die Regular Season. Mitten in der harten Phase der 82-Spiele-Saison stechen die Partien an den Feiertagen heraus. Jahr für Jahr werden hier die brisantesten Duelle angesetzt, die Einschaltquoten aller anderen Spiele überboten und eigens Statistiken nur für den 25.12. geführt.

Christmas Day in der NBA, das ist ein Ausflug in die Playoffs mitten im Dezember. Spiele, in denen die großen Akteure ein Statement liefern und aufzeigen wollen, wer die Liga derzeit dominiert. Die beeindruckendste Leistung am 1. Weihnachtsfeiertag lieferte jedoch ein Spieler, der nur relativ selten in der Diskussion um die Besten aller Zeiten auftaucht: Bernard King.

60 Punkte, 19 von 30 aus dem Feld und 22 von 26 von der Freiwurflinie bedeuten nach wie vor die meisten Punkte, die jemals am Christmas Day erzielt wurden. Die Knicks verloren 1984 zwar mit 120:114 gegen den Stadtrivalen aus New Jersey, doch King machte der NBA klar, das mit ihm zu dieser Zeit zu rechnen war.

Bernard King: Der beste Spieler in der goldenen Zeit

"Ich habe nie gegen einen Spieler gespielt, der so schwer zu verteidigen war" - Julius Erving

"Bernard King ist der beste Forward der Liga, keine Diskussion" - Larry Bird

"Bei Bernard kommen wir aus dem Staunen nicht mehr raus" - Isiah Thomas

Auch wenn Bernard King nicht von der Liga, sondern nur in einem Voting unter den Aktiven zum besten Spieler der 83/84-Saison gewählt wurde, zeigen die Worte dieser NBA-Legenden, in welchem Maße King zu dieser Zeit gefürchtet wurde.

Er wurde von seiner Peer-Group in dieser Saison als bester Spieler angesehen - und das in einer Liga in der auch Isiah, Larry Legend, Magic und Kareem zu finden waren.

King ließ nicht nach und war in der Saison 84/85 mit 32,9 Punkten Topscorer. Er war drauf und dran seine eigene Legende in der berühmtesten Arena der Welt zu schreiben. Die Fans wollten das nächste Powerhouse im Osten neben Detroit und Boston sehen, welche schon im Jahr zuvor enorme Probleme mit den Knicks hatten.

Im Big Apple liebt man noch heute kaum einen Spieler so sehr wie Bernard King. Aber warum eigentlich?

Bernard King: Brooklyn's Finest

Aufgewachsen in den Sozialbauwohnungen in Brooklyn, New York, durchlebte King das klassische harte Leben eines jungen schwarzen Teenagers in den 60ern und 70ern. Basketball diente wie bei vielen als Refugium und als Möglichkeit, sich zu profilieren. King wuchs als Knicks-Fan auf und träumte davon, wie seine Idole Walt Frazier und Willis Reed irgendwann im Garden auf dem Parkett zu stehen.

Er kannte nichts anderes als den Basketball, wurde zur High-School-Legende im Big Apple und riss die Zuschauer mit seiner klassischen New Yorker Spielweise mit. Der 2,07 Meter große Small Forward flog mit beeindruckender Athletik über den Hardwood, scorte, hustlete und brachte auch das gewisse Etwas aus der Streetball-Szene New Yorks mit.

Die Bernie and Ernie Show

King machte durch seine Leistungen an der High School die University of Tennessee auf sich aufmerksam. Eine Südstaaten-Uni, die eher für ihr Football-Programm bekannt war und an der zu dieser Zeit lediglich drei Prozent farbige Studenten eingeschrieben waren. Nicht gerade der Traum eines ambitionierten schwarzen Spielers aus New York.

Es reichte jedoch eine Person, um King von Tennessee zu überzeugen: Ernie Grunfeld. Grunfeld hatte seine Wurzeln ebenfalls im Big Apple und zeigte das auch auf dem Basketballfeld. Es machte "Klick" und die beiden formten eines der berühmtesten College-Duos aller Zeiten.

Mit ihrem ausgefallenen Spielstil machten die beiden Basketball in Tennessee populär. Die Spiele in Nashville wurden nicht mehr nur als Sport, sondern als Entertainment-Events verkauft.

"Ich glaube einfach, dass wir einen bestimmten Flair und eine gewisse Arroganz hatten, die man im Süden nicht kannte", sagte Grunfeld, später General Manager der Washington Wizards. Die "Bernie and Ernie Show" machte Grunfeld zum beliebtesten Kind der Stadt. Dem gebürtigen Rumänen wurden die Wünsche von den Lippen abgelesen ... und King?

Das zweite Refugium

Auf dem Parkett wurde King genauso gefeiert wie sein kongenialer weißer Partner. Abseits des Platzes begegnete ihm aber täglich der akute Südstaaten-Rassismus der damaligen Zeit. Willkürliche Verhaftungen und das kontinuierliche Gefühl, fremd zu sein, führten King zum Alkohol. Gegenüber ESPN fasste er sich diesbezüglich kurz aber bestimmt: "Ich habe eine MENGE getrunken".

Ein Problem, das er auch mit Beginn seiner NBA-Karriere, die er als siebter Pick 1977 bei den New Jersey Nets begann, nicht in den Griff bekam. Immer wieder hatte King Alkoholexzesse und wurde unter anderem deswegen von New Jersey, nach Utah, nach Golden State und schließlich nach New York getradet.

Der Alkohol weckte das Monster in King, der nach eigenen Angaben auch in seiner Kindheit schon häufig von seiner Mutter geschlagen wurde. Nach einigen Vorfällen von Trunkenheit am Steuer gipfelte die Sucht in einer Anklage wegen eines sexuellen Übergriffs, an den er sich wegen zu viel Drogeneinfluss selbst nicht mehr erinnern konnte.

King wurde nicht verurteilt, seine Karriere stand dennoch auf der Kippe. Es gab wahrscheinlich nur noch einen Ort der ihn retten konnte - der Madison Square Garden.

Bernard King: Den Traum leben

King kam mit all seinen Problemen 1982 zurück in seine Heimatstadt und schaffte den Turnaround, weil er wusste, dass es seine letzte Chance war. King perfektionierte sein Spiel und wurde bei den Knicks eine nicht auszurechnende Inside/Out Waffe.

Seine Athletik machte ihn zum perfekten Scorer im Fastbreak und beim Offensivrebound. Sein Baseline-Jumper war wegen einer starken Körperstabilität und einem guten Touch nicht zu verteidigen. Seine Furchtlosigkeit brachte ihn zudem immer wieder an die Linie. Von 1977 bis 1991 gab es nur zwei Saisons, in denen King unter 20 Punkten im Schnitt blieb.

"Ich hatte niemals Angst, gegen irgendjemanden zu spielen - Bird, Magic, Dr. J, Michael - ich habe großen Respekt vor diesen Spielern, aber Bernard King ist der einzige, vor dem ich richtig Angst hatte", sagte Dominque Wilkins bei seiner Laudatio für Kings Aufnahme in die Hall of Fame.

"Als hätte jemand einen Schuss losgelassen"

"Als hätte jemand einen Schuss losgelassen". So beschrieb Hubie Brown, damals Knicks-Coach, das Geräusch, das Kings Knie machte, bevor er sich schmerzverzerrt am Boden krümmte.

Drei Monate nachdem er an Weihnachten für 60 Punkte explodierte, zerstörte King sein Knie komplett. Kreuzbandriss, Knorpelschaden und gebrochenes Bein - das Karriereende des zu dieser Zeit vielleicht besten Spielers drohte. Und der Traum vom nächsten Powerhouse im Osten war ausgeträumt.

King arbeitete sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch die Reha und ganz New York fragte sich, wie es um den Franchise Player wohl bestellt sei. Zwei Jahre später kehrte er zurück, wurde jedoch 1987 prompt nach Washington getradet.

Er legte weiterhin starke Zahlen auf und erzielte mit 34 Jahren sogar nochmal 28,4 Punkte im Schnitt. Die Bedeutung, die er für die New Yorker Fans hatte, konnte er aber in Washington nicht erlangen. Eine Knieverletzung später war das Karriereende quasi besiegelt.

King: Jedes Spiel wie Weihnachten

Der Garden liebte ihn und seine 60 Punkte wurden wie ein Heiligtum behandelt. Es waren viele Jahre die meisten, die jemals im Madison Square Garden erzielt wurden. "Beschmutzt" wurde das Heiligtum erst 2009 von Kobe Bryant, der sich zu 61 Punkten gegen schwache Knicks hinreißen ließ.

Die Die-Hard-Fans der Knickerbockers waren so enttäuscht von ihrem Team, dass sie ihre eigenen Jungs auspfiffen. Auch, dass nun nicht mehr King an der Spitze der Topscorer im MSG stand, nagte an ihnen. Selbst Carmelo Anthonys 62 Punkte einige Jahre später konnten nicht über den Frust der Anhänger im Big Apple hinwegtäuschen.

Bill Simmons beschrieb einige Reaktionen der Fans in seinem Basketball-Almanach The Book of Basketball: "Es war der schlimmste Abend meines Lebens im Garden", sagte ein Dauerkartenbesitzer. Ein anderer berichtete Simmons von schlaflosen Nächten, die ihn im Anschluss an Kobes Performance heimsuchten. Das alles verdeutlicht die Bedeutung von Kings 60 Punkten. Es war und ist das Emblem eines der größten Knicks.

Der Garden liebte seinen Star, an den sich viel zu viele nicht mehr zu erinnern scheinen. Bei allem, was Bernard King der Stadt im grellen Scheinwerferlicht gegeben hat, darf man jedoch nicht vergessen, dass sein Wandel nur durch seine Heimkehr in den Madison Square Garden erst ermöglicht wurde.

"Ich habe in der Arena gespielt, in der meine Helden gespielt haben. Auf dem Weg dorthin hatte ich vor jedem Spiel Herzrasen. Jedes Mal, wenn ich das Trikot angezogen habe, war es besonders. Im Madison Square Garden ist jedes Spiel ein Christmas Game."

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