SPOX: Herr Ujiri, es mag zwar nicht die erfolgreichste Zeit Ihrer Karriere gewesen sein, trotzdem würde ich gerne mit Ihnen über Ihre Zeit in Deutschland sprechen.
Masai Ujiri: Ich habe es befürchtet! (lacht) Ja, ich habe damals in Wolfenbi... (überlegt) Wie genau hieß das nochmal?
SPOX: Wolfenbüttel.
Ujiri: Genau! Sie sehen schon, so wahnsinnig viel ist mir davon nicht hängen geblieben. Ich war ja nur wenige Monate dort, bevor ich wieder gecuttet wurde - so lief das in meiner aktiven Karriere ja öfters. Ich habe zwar viele Orte gesehen, aber man behält längst nicht alle davon im Gedächtnis, wenn man nur so kurz dort ist.
SPOX: Von einer recht erfolglosen Spielerkarriere in den unteren Ligen Europas sind Sie binnen ziemlich kurzer Zeit zu einem der angesehensten General Manager in der NBA geworden. Können Sie Ihren Weg dorthin ein wenig beschreiben?
Ujiri: Wie schon gesagt war meine Karriere als Spieler ziemlich marginal, ich bin in Europa von Team zu Team gesprungen. Mal für drei Monate, mal auch für ein Jahr. Was soll ich sagen: Ich war eben nicht besonders gut. (lacht) Als ich meine ersten Chancen bekam, ins Coaching beziehungsweise Scouting einzusteigen, fiel es mir daher nicht schwer, mich dort voll reinzuhängen. Das Scouting lag mir sogar so am Herzen, dass ich zunächst für die Orlando Magic pro bono gearbeitet habe.
SPOX: Sie wurden also gar nicht bezahlt?
Ujiri: Genau, ich bezog kein Honorar. Das war zwar ziemlich ungewöhnlich, aber ich konnte es mir zu der Zeit erlauben und ich wollte mich eben unbedingt in diesem Bereich festbeißen - da war dies nicht der lukrativste, aber schnellste Weg. Ich kannte Orlandos Scouting Director Gary Brokaw bereits und habe mich ihm sozusagen aufgedrängt, damit er mich für die Franchise arbeiten ließ. Reisen, Hotelzimmer und so weiter habe ich dabei zunächst selbst bezahlt. Und es hat ja funktioniert: Ich habe dem Team imponieren können und mir quasi einen Namen gemacht - von dort an ging dann alles sehr schnell.
SPOX: Einfach eine Verkettung glücklicher Umstände?
Ujiri: Nun, ich habe natürlich auch sehr viel gearbeitet, um mich im internationalen Basketball besser auszukennen als jeder andere. Ich wollte auf jede Frage vorbereitet sein. Aber ohne Glück geht es auch nicht: Ich bin Zeit meiner Karriere immer wieder an die richtigen Leute geraten. In Orlando waren das nach Brokaw zunächst Doc Rivers und John Gabriel, in Denver ging es dann mit Kiki Vandeweghe und anderen weiter, bis mir Bryan Colangelo die Möglichkeit gab, als Director of Global Scouting und später als Assistant General Manager für die Raptors zu arbeiten. Schlussendlich kamen die Kroenkes noch dazu, also Josh und Stan, die mir in Denver meinen ersten Job als General Manager gaben.
SPOX: Zwischen Ihrem ersten unbezahlten Scouting-Job und der GM-Stelle in Denver lagen bloß acht Jahre...
Ujiri: Ja, manchmal muss ich mich da schon kneifen. Vom Kind in Nigeria zum College-Spieler, dann die Jahre in Europa und nun mein jetziger Job - das ist schon ein einzigartiger Weg, denke ich. Ich bin glücklich und sehr dankbar für all die Personen, die mir jede Station davon möglich gemacht haben. Basketball war für mich schon als Kind die große Leidenschaft, die große Liebe, aber diesen Weg hätte auch ich mir niemals ausgemalt.
SPOX: Als Sie 2010 bei den Nuggets GM wurden, hatten Sie direkt eine der schwierigsten Situationen für Personaler zu bewältigen: Der Superstar, Carmelo Anthony, wollte weg. Was Sie für ihn im Trade dann von den Knicks bekamen, wurde gemeinhin als sehr guter Gegenwert angesehen - haben Sie sich mit diesem Trade etabliert?
Ujiri: Zumindest wussten die Leute danach, wer ich bin. Es war ja tatsächlich mein erster Trade, meine erste große Entscheidung als Hauptverantwortlicher, da ich noch ganz frisch im Job war. Ich weiß noch, wie ein Journalist in Denver bei meinem Amtsantritt geschrieben hat: 'Er hat noch nie einen Trade eingefädelt.' Da dachte ich nur: 'Blitzmerker, ich hatte vorher ja auch noch keinen Job dieser Art.' (lacht) Es war ein Segen für mich, dass ich von den Kroenkes das vollste Vertrauen bekommen hatte, denn dadurch konnte ich mich auf meinen Job konzentrieren und das Beste für uns 'rausholen', was meiner Meinung nach machbar war. Ich hörte mir alle Angebote an, es war ja kein Geheimnis, dass Melo unbedingt weg wollte. Dann analysierten wir - und schlussendlich verließ ich mich auf meine Instinkte.
SPOX: Kein bisschen Angst dabei?
Ujiri: Doch, auf jeden Fall! (lacht) Ich wusste ja, dass ein aus unserer Sicht 'schlechter' Trade mich meine Karriere lang verfolgen würde. Aber ich hatte guten Support, nicht nur in unserer Organisation, sondern auch außerhalb: Ich sprach beispielsweise mit meinen guten Freunden Adam Silver und (Spurs-GM,d. Red.) R.C. Buford und bekam von ihnen den Rücken gestärkt. Das half, aber natürlich hatte ich auch ein mulmiges Gefühl dabei - nur muss man diese Risiken manchmal eben einfach eingehen. Zum Glück lief es ja tatsächlich recht gut für uns.
SPOX: Nicht nur durch den Melo-Trade haben Sie sich recht schnell als GM etabliert, der für gute Trades steht - unter anderem bekamen Sie für Andrea Bargnani noch mehrere Draft-Picks von den Knicks, was schon zum Zeitpunkt des Trades als unfassbar angesehen wurde. Ist Ihr Job dadurch eigentlich härter geworden? Haben Ihre Kollegen Angst, wenn Sie anrufen?
Ujiri: Nein, überhaupt nicht. Wissen Sie, wir neigen zu häufig dazu, Trades immer sofort bewerten zu wollen. Vielleicht sieht es erstmal so aus, als wäre eine Partei als Sieger aus einem Deal hervorgegangen, drei oder fünf Jahre später kann das aber wieder vollkommen anders aussehen - das geht mir häufig zu schnell. Niemand denkt, dass ich in der Hinsicht das allsehende Auge hätte und keine Fehler mache oder dass ich versuche, jemanden über den Tisch zu ziehen. Viele der anderen GMs sind ja sogar gute Freunde von mir. Natürlich will jeder stets allen voran sein Team verbessern, aber es herrscht auch ein gemeinsamer Respekt.