Der 1. November 1991 verändert vieles in der Karriere von Mitch Richmond. Der 26-Jährige sitzt daheim in Oakland, als die Golden State Warriors ihr erstes Saisonspiel gegen die Denver Nuggets bestreiten.
Richmond ist nicht etwa verletzt, sondern schlicht und ergreifend nicht mehr Teil des Teams, das er in den vergangenen drei Spielzeiten gemeinsam mit Tim Hardaway und Chris Mullin anführte. Als Run TMC legte man unter der Leitung von Don Nelson in jeder Partie ein Offensivfeuerwerk auf das Parkett und verzauberte Fans wie Gegenspieler.
Jetzt ist das spektakuläre Trio Geschichte. Kurz vor dem Tip-Off in der McNichols Sports Arena wird der Shooting Guard gemeinsam mit Les Jepsen und einem Zweitrundenpick nach Sacramento getradet, im Gegenzug wechselt Rookie-Big-Man Billy Owens nach Kalifornien. Ein Trade, der das Schicksal der Warriors, der Kings und von Richmond selbst nachhaltig prägen sollte.
"Er hätte länger bleiben sollen"
"Das war eine der härtesten Entscheidungen, die ich als Coach treffen musste. Wir hätten diesen Trade niemals machen sollen, ich wurde auch nur dazu überredet. Das Frontoffice wollte, dass wir nach dem Playoff-Aus einen Big Man holen, aber es hat alles nicht so funktioniert, wie sie sich das vorgestellt haben. Mitch hätte langer bei uns bleiben sollen", bereut Nelson später seinen Entschluss.
Auch Richmond muss den Schock erstmal verdauen. "Nach nur drei Jahren dieses Team verlassen zu müssen, war ein schwerer Schlag. Ich hatte mich hier eingelebt und wollte eigentlich nicht weg. Viele wissen es nicht, aber die ersten drei Saisons bei den Kings bin ich zwischen Oakland und Sacramento hin- und hergependelt. Mein Herz war immer noch hier", erklärt er kurz vor seiner Aufnahme in die Hall of Fame.
Bis zum folgenschweren Trade in die kalifornische Hauptstadt sind Richmond, Mullin und Hardaway ein Vorbild für innovative Offense in der NBA. Besonders Ersterer gibt den Warriors, die ihn 1989 an fünfter Stelle drafteten, eine weitere Facette im Angriff. Nach 22,0 Punkten, 5,9 Rebounds und 4,2 Assists in seiner ersten Spielzeit wird er zurecht zum Rookie of the Year gewählt. In den kommenden beiden Saisons knüpft er daran nahtlos an.
Kein Richmond, kein Erfolg
Dennoch scheinen zunächst die Warriors als Gewinner aus dem Trade hervorzugehen. Mit Sarunas Marciulionis, der in diesem Jahr ebenfalls zu Hall-of-Fame-Ehren kam, als Richmond-Ersatz erreicht Golden State Platz drei im Westen, Sacramento dagegen verpasst trotz einer überragenden Saison von "The Rock", wie Richmond aufgrund seiner harten Spielweise genannt wurde, die Playoffs.
In den Playoffs reichte es für das Team von Don Nelson aber auch ohne Richmond nicht für die zweite Playoff-Runde. Noch schlimmer: Marciulionis verletzt sich in der kommenden Saison schwer am Knöchel. Es vergehen weitere 15 Jahre, bis man sich in Oakland wieder über einen Erstrunden-Sieg in der Postseason freuen kann.
Richmond dagegen bekommt bei den Kings das Image des erfolglosen Ballermanns angedichtet. 23,3 Punkte erzielt er im Schnitt in seinen sieben Saisons bei den Kings. Abgesehen von 1996 verpasst die Franchise in jedem Jahr die Playoffs. Der Shooting Guard gehört zwar zu jener Zeit neben Reggie Miller, Clyde Drexler und Michael Jordan zu den besten seiner Zunft, der Team-Erfolg bleibt allerdings weiterhin aus.
"Mitch' Leistung in Sacramento kann ihm nicht hoch genug angerechnet werden. Er hat unglaublich effizient gespielt, obwohl er teilweise von drei Verteidigern gleichzeitig belagert wurde", lobt ihn Ex-Teamkollege Mullin.
Tatsächlich trifft Richmond bei den Kings nie weniger als 44,5 Prozent seiner Würfe und versucht sogar, seine minderbegabten Mannschaftskameraden in Szene zu setzen.
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Die große Show von Phoenix
Richmonds individuelle Klasse bleibt den Fans auch nicht verborgen, sechs Mal in Folge wird er zum All-Star gewählt, 1994 darf er sogar als Starter ran. Die große Show folgt aber ein Jahr später in Phoenix.
Der mittlerweile 29-Jährige ist das Highlight des All-Star-Games, in nur 22 Minuten legt er 23 Punkte auf und trifft zehn seiner 13 Würfe. Einzig Shaquille O'Neal kommt an diese Zahlen heran, der Diesel agiert aber deutlich ineffizienter und steht zudem länger auf dem Parkett.
Blockbuster 2.0
All das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Sacramento weiterhin der Erfolg ausbleibt. Die Verantwortlichen der Kings werden unruhig und lassen kurz nach dem Saisonende im Jahr 1998 die Bombe platzen. Gemeinsam mit Otis Thorpe wird der Star für Chris Webber nach Washington verschifft.
Während die Kings mit Webber so richtig durchstarten und ab 2000 im Westen zum Erzrivalen der Lakers reifen, findet sich Richmond erneut als alleiniger Star in einem Team wieder, dass seit fast 20 Jahren auf den Einzug in die zweite Runde der Playoffs wartet.
Bei den Wizards muss Richmond, mittlerweile auch schon 33, dem Alter langsam aber sicher Tribut zollen. Offensiv ist er dank seines exzellenten Wurfes immer noch brandgefährlich, aufgrund seiner nachlassenden Athletik zieht er nicht mehr so häufig und druckvoll zum Korb wie in seiner Blütezeit. Vor allem die teilweise spektakulären Dunks werden immer seltener.
Späte Erlösung
Im Sommer 2001 schließt sich Richmond als Rollenspieler den Repeat-Lakers an, entscheidend mitwirken kann er am dritten Titel in Folge aber nicht mehr. In der Postseason reicht es nur für zwei Kurzeinsätze, darunter die letzten Minuten in der entscheidenden Partie gegen die New Jersey Nets.
Die Einwechslung des Altstars ist eine Huldigung seiner Karriere, in der Richmond einfach zu oft zur falschen Zeit am falschen Ort war. In Sacramento, wo seine Nummer zwei mittlerweile unter der Hallendecke hängt, hatte er nie die richtigen Mitspieler, um das Team regelmäßig und vor allem erfolgreich in die Playoffs zu führen. Bei den Wizards erlebte er das selbe Trauerspiel.
Folgenschwerer Trade
Viele glauben bis heute, dass die Warriors in den 90er-Jahren mit ihrem Run-TMC-Trio durchaus ein Contender gewesen wären. Golden States Überaktionismus zerriss nicht nur eine der besten Offensiv-Combos aller Zeiten, der für Richmond nach Oakland gekommene Billy Owens konnte auch nie die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen.
"Wie Chris, Tim und ich uns verstanden haben, hat mich ans College erinnert. Sowas kommt in der NBA nicht oft vor. Unser Verhältnis ging über den Sport hinaus, wir haben praktisch alles gemeinsam gemacht. Es ist unglaublich, wie gut wir uns immer noch verstehen", erklärte Richmond in seiner Hall-of-Fame-Rede.
Zugleich hatte er nie so viele talentierte Teamkollegen um sich wie zu seiner Zeit bei Golden State. "Oakland ist der einzige Ort, an dem ich mich wie in einer Familie gefühlt habe. Ich würde mich selbst als Warrior bezeichnen", ergänzt Richmond.
Tatsächlich hatte "The Rock" abgesehen von Mullin und Hardaway nie einen Teamkollegen, der neben ihm ebenfalls mehr als 20 Punkte im Schnitt aufgelegt hat.
Gewissenloser Shooter?
Am Ende stehen für den jetzt 49-Jährigen 432 Siege und 544 Niederlagen in seiner Karriere zu Buche. Ein gewissenloser Shooter, der bei jeder Gelegenheit abdrückt, war Richmond aber definitiv nicht, das belegen die Zahlen.
Hätte Don Nelson ihn an diesem folgenschweren Tag im November 1991 nicht getradet, wäre er vielleicht schon als Franchise-Player Champion geworden - und nicht als Bankdrücker bei den Lakers.
Vielleicht macht aber genau dieser Trade auch den Mythos Run TMC aus. Denn niemand weiß, was Mullin, Richmond und Hardaway zusammen erreicht hätten. Im kommenden Jahr sind dann vielleicht alle drei endlich wieder vereint. Dann kann nämlich auch Hardaway als letztes Mitglied des legendären Trios in die Hall of Fame aufgenommen werden.