"Diese Schlacht gewinne ich"

Olympisches Doppelfinale in Athen: Kiefer (l.) und Schüttler halten traurig ihre Medaillen in die Kameras
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SPOX: Gehen wir noch einmal zurück auf den Court. Wie ist es mit dem mentalen Aspekt auf der Tour? Wie viel spielt sich auf dem Platz ab und wie viel im Kopf?

Kiefer: Mittlerweile ist es so: Tennisspielen kann jeder - und die letzten drei, vier, fünf Prozent spielen sich alle nur im Kopf ab. Und da muss man momentan sagen: Ein Novak Djokovic steht über allen. Djokovic ist so wie vor sechs, sieben Jahren Federer. Der stand damals ganz oben und danach war eine große Lücke. Und so ist es jetzt bei Djokovic: Bei den Big Points ist er da und nutzt seine Chancen knallhart aus. Das muss man ganz ehrlich sagen, und da glaube ich auch, dass Boris Becker großen Anteil daran hat.

SPOX: Kann man den Gegner auch wegbluffen, wenn man weiß: OK, eigentlich läuft es nicht so?

Kiefer: In der Weltspitze ist das ganz schwer.

SPOX: Haben Sie das mal probiert?

Kiefer: Ja, aber unbewusst wahrscheinlich. Man ist so mit seinem Spiel beschäftigt. Klar beobachtet man den Gegner. Man hat seinen Plan und schaut: Ist der Gegner müde oder nicht müde. Aber große Veränderungen sind da natürlich nicht so sinnvoll.

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SPOX: Gibt es das auf der Tour, dass man schon relativ früh im Match weiß, ob man gewinnt oder verliert? Dass man nach einem oder zwei Aufschlagspielen sagt: "Das schaff ich", oder aber "Er ist zu stark".

Kiefer: Nein, eigentlich nicht. Klar, man muss natürlich rausgehen und sagen: Pass mal auf, diese Schlacht gewinne ich heute! Aber im Tennis kann so viel passieren. Da führt der Gegner mit 2:0 Sätzen - und auf einmal gewinnt man dann noch in fünf Sätzen. Das ist mir auch passiert, bei meinem ersten Davis-Cup-Match gegen Grant Stafford in Bremen. Ich war natürlich nervös, es war mein erstes Match für Deutschland. Dann lag ich 0:2 hinten und hab dann aber noch in fünf gewonnen. Und genau das gleiche passiert auch andersrum. Wir sind ja alle keine Maschinen.

SPOX: Spürt man es, wenn das Match entgleitet? Gibt es einen klaren Wendepunkt oder passiert das schleichend?

Kiefer: Es gibt natürlich die Big Points, da merkt man: Oh, jetzt könnte es sich drehen. Aber da spielt wie gesagt der Kopf eine extrem große Rolle. Das ist eine Sache, die ich im Nachhinein noch ändern würde, wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte: Ich hätte mich noch früher mit dem Thema Psychologie beschäftigt.

SPOX: Würden Sie sonst noch etwas ändern?

Kiefer: Ich würde von Anfang an einen eigenen Physiotherapeuten auf die Tour mitnehmen.

SPOX: Wie wäre es zum Abschluss mit einer Speed-Runde: Kurze Fragen, kurze Antworten.

Kiefer: Gerne!

SPOX: Lieblingsgegner?

Kiefer: Todd Martin.

SPOX: Angstgegner?

Kiefer: Nicht wirklich Angstgegner, aber unangenehm: Fabrice Santoro

SPOX: Lieblingsturnier?

Kiefer: Halle/Westfalen und früher noch in Düsseldorf der World Team Cup.

SPOX: Beste Fans?

Kiefer: Da würde ich auch sagen Halle. Da hab ich mich immer Zuhause gefühlt.

SPOX: Ihr bester Ballwechsel?

Kiefer: Es gab einen sehr guten Ballwechsel bei den US Open gegen Federer. Und gegen Nadal hatte ich auch schon einen ganz guten, bei den US Open 2009. Also da gibt es schon ein paar spektakuläre.

SPOX: Auf ein Thema müssen wir aber doch noch zu sprechen kommen: Hannover 96. Sie haben ja selbst auch gespielt.

Kiefer: Ja, bei der Ü32 habe ich relativ lange gespielt. Momentan habe ich eine kleine Pause eingelegt, weil es mir zu viel geworden ist: Am Tag sechs, sieben Stunden auf dem Platz stehen und am Abend noch zum Fußballtraining gehen oder am Wochenende zum Spiel, das geht dann schon sehr hart zur Sache. Deshalb hab ich mir eine Auszeit gegönnt.

SPOX: Aber es ist nur eine Auszeit.

Kiefer: Ja, topfit bin ich, ich könnte also jederzeit einsteigen. Aber auf dem Transfermarkt kamen noch keine Angebote.

SPOX: Also wären die Profis im Abstiegskampf auch noch eine Option.

Kiefer: Wenn die Anfrage kommt! Sie wissen, wo sie sich melden müssen. [96-Sportdiektor] Dirk Dufner muss sich nur melden: "Pass mal auf, im letzten Spiel biste dabei."

SPOX: Dann sind wir mal gespannt.

Kiefer: Ja, ich auch!

Seite 1: Kiefer über Olympia 2004, seine Markenzeichen und Wimbledon 1997

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Seite 3: Kiefer über Mental-Fights, Angstgegner und seine Fußballer-Karriere

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