Die lokalen Medien waren nicht zufrieden. "Das ist nicht das, was wir wollten", schrieb die Zeitung Olay. Die Hakimiyet fand es nicht gut, dass der Trainer zu wenig auf Offensive setzte: "Es wurden keine Torchancen kreiert, sondern nur versucht, den Gegner aufzuhalten." Medyan ging härter ins Gericht: "Das Ergebnis ist ein Desaster. Die haben gut nicht gespielt, wir waren schlecht!"
Zwölf Jahre später werden die Fans von Bursaspor sentimental, wenn sie diese Schlagzeilen sehen. Damals, im Oktober 2010, war es ein "Desaster", im Old Trafford bei Manchester United mit 0:1 zu verlieren. In der Champions League wohlgemerkt. Der damalige Trainer Ertugrul Saglam musste den unzufriedenen Fans und Medien erklären, warum man der Truppe von Sir Alex Ferguson kein Bein stellen konnte.
Heute ist Tamer Tuna Trainer in Bursa. Er erzählt den Journalisten, dass es okay ist, wenn der Verein ihm vorerst kein Gehalt bezahlt. "Bis Mai kann ich das aufschieben", sagt er. Nicht, weil Tuna zu viel Geld hat und den Trainerjob als Hobby macht, sondern weil einfach kein Geld da ist. Er wird auch im Mai kein Gehalt bekommen, so viel ist sicher.
Bursaspor - das war mal ein stolzer Champions-League-Teilnehmer. Ein Sensationsmeister der Süper Lig im Jahr 2010. Am letzten Spieltag holte man sich den Titel, weil Fenerbahce mit Christoph Daum patzte. Die ganze Stadt strömte damals zur Meisterfeier ins Atatürk-Stadion, um den ersten Titel in der Vereinsgeschichte zu feiern.
Bursaspor ist in der 2. Liga im Abstiegskampf
"Der Bus mit der Mannschaft hat das Stadion mit extremen Schwierigkeiten erreicht. Tausende Menschen, die noch nie in ihrem Leben im Stadion waren, wollten ein Teil der Feier sein", erinnert sich Serkan Yetismisoglu, eine Lokalreporter-Legende, der mit Herz und Blut weiter dabei ist und damals Tränen in den Augen hatte, als die Krokodile im Theatre of Dreams zur Champions-League-Hymne einliefen.
Heute hat er wieder Tränen in den Augen, weil Bursaspor in der 2. Liga im Abstiegskampf steckt und eigentlich längst schon bankrott ist. Gerade erst sammelten wieder ein paar Stadtgrößen Spenden, damit der Verein seine Schulden bezahlen kann. Bei der FIFA sammelte Bursa bis zuletzt 45 Klagen wegen ausstehender Transfer- und Gehaltszahlungen. Der Weltverband verhängte eine Transfersperre - wieder mal.
Da zuletzt wieder einige Spieler mangels Bezahlung weggerannt sind, hatte Trainer Tuna im Trainingslager zuletzt nur noch 13 Feldspieler zur Verfügung. Nicht nur sportlich bedarf es Neuzugänge, sondern allein schon, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten. Dank der Spenden konnte der Klub die eine oder andere Zahlung machen.
Als der Meister-Präsident starb, begann der Absturz
Wo es nicht ging, bat der Klub seine Gläubiger um eine außergerichtliche Einigung. Wie bei Baris Yardimci, der Bursaspor schon 2019 verließ, aber immer noch auf Gehalt wartete. Der Verteidiger von Konyaspor ließ sich aber auf eine Einigung ein. Der Klub bedankte sich öffentlich bei ihm. Die FIFA hob am türkischen Deadline Day die Sperre auf und Bursaspor konnte auf dem letzten Drücker noch vier neue Spieler holen.
Für einen Kader, der eigentlich kaum wettbewerbsfähig ist. Tuna, der früher selbst in Bursa kickte, schlägt Alarm: "Wenn ich mir die Spieler im Kader ansehe, glaube ich nicht, dass sie gescoutet wurden. Das wurde nicht für wichtig erachtet. Es gibt hier auch keine Leute im Verein, die so eine Vision haben." Dann spricht Tuna das aus, was viele Fans seit Jahren befürchten: "Der Klub ist im Würgegriff der Berater. Unser Sportdirektor hat nun jeden Tag mit ihnen zu tun." Dass Bursa nun noch neue Spieler von einem Transfer überzeugen konnte, zeugt von einem Wunder.
Doch, ob die Neuen jemals Gehalt sehen werden? Blickt man in die Historie, sind Zweifel angebracht. Der Klub hat Transfer-Schulden, die bis ins Jahr 2010 (!) zurückreichen. Die Meistersaison - nach ihr lief nichts mehr rund. Ein Schicksalsschlag war bestimmt der Tod des Meister-Präsidenten Ibrahim Yazici, der gesund wirtschaftete und auf fähiges Personal setzte. 2013 erlitt er während eines Gastspiels bei Orduspor einen Herzinfarkt und starb drei Tage später im Krankenhaus an den Folgen. Alles, was danach kam, trieb den Klub in den Ruin.
Der Gerichtsvollzieher kassierte die Kaffeemaschine
Die Zustände seit dem Abstieg 2019 sind wie ein schlechter Film. Massenweise kamen und gingen Spieler, Trainer und Vorstände. Die Verantwortung wurde immer auf die Vorgänger geschoben, bis es im Klub dunkel wurde. Im März 2021 schaltete die Stadtwerke den Strom auf dem Trainingsgelände und im Stadion ab.
Seit Monaten hatte der Klub nicht mehr gezahlt, der ausgehandelte Ratenzahlungsplan wurde nicht eingehalten, nicht einmal eine Rate wurde überwiesen. Der damalige Präsident Erkan Kamat gab erschütternde Details bekannt: "Der Klub stand vor der Insolvenz. Der Gerichtsvollzieher kassierte selbst die Kaffeemaschine im Mannschaftsbus." Kamat weiter: "In der Küche hat der Ofen nicht mehr funktioniert. Wir mussten Tischdecken, Gardinen, Gläser und alles neu kaufen."
Auch damals halfen Fans und Gönner, um Strom und Gas zu bezahlen. Doch wie lange das noch so gehen kann, ist fraglich. Den Klub drücken über 60 Millionen Euro Schulden. Wie man die bezahlen will, weiß keiner. Die türkische Währungs- und Wirtschaftskrise tut ihr übriges.
Es gibt einen einzigen Hoffnungsschimmer in Bursa: der Nachwuchs. Der Klub hat nach wie vor mit die beste Nachwuchsförderung des Landes. Eine Oase in einer längst vergrauten Fußballstadt. Der Klub produziert jährlich Talent um Talent. Viele spätere Nationalspieler und Liga-Größen stammen aus der Bursa-Schule.
Ali Akman floh zu Eintracht Frankfurt
Doch der Klub bekommt es nicht hin, einen Vorteil daraus zu ziehen. Die Perspektive, in der Profi-Abteilung zu spielen, war mal lukrativer. Zwar bleiben noch viele Youngster, weil sie oder ihre Familien so sehr an den Farben des Klubs hängen. Aber oft werden Gehälter nicht gezahlt oder ihre Hingabe nicht gewürdigt. Einer von ihnen war Ali Akman, den sich Eintracht Frankfurt zu Saisonbeginn sicherte.
Das Ausnahmetalent brach in der Jugend alle Rekorde, schoss auch als 17-Jähriger bei den Profis seine Tore, doch die Aussicht, bei einem Zweitligisten zu bleiben, der Gehälter nicht zahlt und keine sportliche Perspektive bietet, verleitete ihn zum Vereinswechsel. Da Akman im Januar 2021 seinen ablösefreien Wechsel für den Sommer verkündete, warf ihn der Verein raus. Als Akman Monate später bei einer erneuten Spenden-Aktion mitmachte, schickte Bursaspor das Geld zurück.
Große Erwartungen hatte man auch an Batuhan Kör (20), Kerem Sen und Taha Altinkardes (beide 19). Sie gehörten zum Stammpersonal bei Bursa, bis sie Süper-Lig-Spitzenreiter Trabzonspor vor zwei Wochen im Paket für knapp unter zwei Millionen Euro verkaufte. Allein Kör war mehr wert.
Als man sich in der Türkei über dieses günstige Geschäft wunderte, platzte die Bombe. Emin Adanur, der zwar offiziell als Vizepräsident fungiert, aber eigentlich das Sagen hat, fädelte den Deal höchstpersönlich ein und staubte das Geld selbst ab. Adanur erklärt: "Ich hatte dem Klub 63 Millionen Lira (rund vier Millionen Euro) gegeben. Ich habe Personalgehälter und andere Verbindlichkeiten bezahlt. Aus dem Geld von den Transfers habe ich mir 20 Millionen Lira genommen, aber der Klub schuldet mir immer noch über 40 Millionen. Für den Rest habe ich eine Pfändung eingeleitet."
Inzwischen ist Adanur zurückgetreten - so wie der gesamte Vorstand. Demnächst stehen Neuwahlen an und sollte sich jemand dazu bereit erklären, anzutreten, wird er das Chaos wieder den Vorgängern in die Schuhe schieben. Währenddessen versucht Tamer Tuna die Mannschaft in der Liga zu halten. Ein zäher Kampf. Er seufzt und sagt: "Wir sind allein gelassen."