SPOX: Herr Hagemann, die erste Übertragung eines Spiels der deutschen Nationalmannschaft auf "RTL" war von den Quoten ein großer Erfolg: Bis zu 12,3 Millionen Menschen hörten Ihren Kommentar beim 2:1 gegen Schottland. Was geht in einem vor?
Marco Hagemann: In der Vorbereitung habe ich nichts geändert - und auch während des Spiels ist die Quote abstrakt. Da ist man so fokussiert darauf, den bestmöglichen Job zu erledigen, dass man sich keine konkreten Überlegungen macht. Nach dem Schlusspfiff war es etwas anders. Da kamen schon Gedanken auf, wie viele Millionen dabei waren und wie wichtig es vor allem für den Sender ist. Daher freut mich die Quote umso mehr. "RTL" ist mit dem Kauf der Rechte einen mutigen Schritt gegangen.
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SPOX: Ein Schritt, der angeblich 100 Millionen Euro für insgesamt 20 DFB-Spiele im Rahmen der EM- und WM-Qualifikation kostet.
Hagemann: Die Zahlen kenne ich nicht. Aber natürlich ist die Quote für einen Privatsender von entscheidender Bedeutung - und umso wichtiger ist es, dass "RTL" belohnt wurde. Natürlich hatten wir bei der ersten Übertragung hier und da Luft nach oben, allerdings ist das völlig normal und das Produkt ließ sich insgesamt sehr gut sehen.
SPOX: Zumindest Sie wurden sogar vom sonst überkritischen Medien-Feuilleton gelobt. "Spiegel Online" schrieb: "Die nervenschonende Alternative zu manch öffentlich-rechtlichem Kollegen."
Hagemann: Wir reden über Geschmäcker, nicht über objektive Wahrheiten. Natürlich freut einen jedes Lob. Aber allgemein gebe ich nicht so viel auf TV-Kritiken, zumal sie bei unserer Premiere mitunter sehr unsachlich waren. Da wurden zum Teil uralte Reflexe bedient, das war einfach billig.
SPOX: Teils wurde "RTL" überhart kritisiert. Die "FAZ" schrieb auf ihrer Onlineseite sogar einen fast 8000 Zeichen langen Verriss.
Hagemann: Ich kann mir das Ausmaß nicht erklären. Kritik ist okay und man kann nicht jede Präferenz treffen. Und vielleicht spielt Gewohnheit eine große Rolle. Wobei ich vieles immer noch nicht verstehe. Es wurde sich über die Werbeblöcke aufgeregt - und da frage ich mich: Worüber reden wir denn hier? Die "Sport Bild" hat das Thema Werbung im Sport zuletzt aufgegriffen und eine sehr interessante vergleichende Analyse vorgenommen. Bei "Sat.1" gab es früher in der Champions League selbstverständlich Werbung. Bei "Sky" ist die Halbzeit-Analyse keine richtige wegen der Reklame - und da wird das Livebild sogar verkleinert, um mit dem L-Frame während eines Spiels Anzeigen zu integrieren. Selbst "ARD" und "ZDF", die Milliarden an Gebührengeldern kassieren, haben bei der WM kräftig geworben, wenn sie denn durften. Beim Spiel Deutschland gegen USA hat sich das "ZDF" über 11 Minuten Werbung in der Halbzeitpause gegönnt! Und auch die Sportschau geizt nicht mit Werbepausen. "RTL" dagegen ist ein privater Sender, der Live-Sport kostenlos anbietet und die hohen Rechtekosten fast ausschließlich über Werbung refinanzieren muss. Nein, es ärgert mich einfach, wenn beim Thema Werbung wider besseres Wissens mit zweierlei Maß gemessen wird.
SPOX: Abgesehen von der Werbung schrieb die "FAZ", dass die Wortwahl in der Vorberichterstattung "an die Elogen auf Stalin im sozialistischen Realismus erinnern könnte". Was dachten Sie, als Sie das lasen?
Hagemann: So über Kollegen zu schreiben, ist für mich völlig niveaulos. Man kann Kritik äußern, trotzdem ist so ein Vergleich für mich jenseits des Zulässigen. Dass das von einem renommierten Blatt kommt, ist erschreckend.
SPOX: Es wurde an "RTL" die vermeintliche Effekthascherei kritisiert. Wobei es interessant ist, dass Sie als Kommentator bei der Bewerbung der DFB-Übertragung genauso in den Vordergrund gerückt wurden wie Moderator Florian König und Experte Jens Lehmann.
Hagemann: Mir ist das persönlich nicht wichtig, dass mein Gesicht irgendwo gezeigt wird. Ich bin leidenschaftlicher Kommentator und ich mag es, dass ich mit meiner Stimme ein Spiel begleite. Daher war es für mich ungewöhnlich, dass ich mit Florian und Jens in der Außendarstellung ein Trio bilde. Aber es ist ein schönes Zeichen aus redaktioneller Sicht und wertet den Job des Kommentators auf. Die Philosophie gefällt mir und sie wurde mir in den Gesprächen mit "RTL" immer wieder vermittelt. Der Fußball soll immer im Mittelpunkt stehen. Daher gibt es keine Revolution in der Übertragungskonzeption - warum auch? Das Ereignis entscheidet, wie unterhaltsam es im TV rüberkommt. Daher sollte der Sport im Vordergrund stehen. "RTL" geht genau den richtigen Weg und das finde ich großartig.
SPOX: Ihre Verpflichtung kam dennoch etwas überraschend. Das vermeintlich für Krawall bekannte "RTL" holt den nüchtern-analytischen Hagemann, um das wichtigste Sportprojekt des Senders zu begleiten. Wie erstaunt waren Sie?
Hagemann: Jetzt greifen Sie auch schon in die Schublade. Das mit dem Krawall hat doch einen langen Bart und stimmt im Sport schon mal gar nicht. Die Champions League damals mit Günther Jauch und Marcel Reif stand für Seriosität, genauso Skispringen, Boxen und seit vielen Jahren die Formel 1. Nichtsdestotrotz hatte ich nichts geahnt, als eine Kölner Nummer auf meinem Handy erschien und auf einmal "RTL"-Sportchef Manfred Loppe an der anderen Leitungen sprach und mir den Job anbot. Die Freude war riesig. Vor allem, weil es eine Bestätigung dafür ist, dass man mit Fleiß, Ehrgeiz und Authentizität so auffallen kann, dass man die Aufmerksamkeit eines anderen Senders auf sich zieht.
SPOX: Es heißt, dass es Sie nervt, wenn Sie immer in die Schublade "nüchtern-analytisch" gesteckt werden. Stimmt das?
Hagemann: Genervt bin ich nicht, es wundert mich immer nur. Ich bin kein Selbstdarsteller und ich gehe faktisch auf Spielsituationen ein und reichere sie mit Daten oder kleinen Geschichten an. Doch wer mich richtig kennt, der weiß, dass ich manchmal nicht zu halten bin, wenn das Ereignis das hergibt. 2012 beim denkwürdigen letzten Spieltag der Premier League, als ManCity in den letzten vier Minuten der Nachspielzeit zwei Tore gegen Queens Park schoss und so den Titel holte, ist nicht nur das Dach vom Etihad Stadium weggeflogen. Ich bin definitiv auch ein emotionaler Kommentator. Dass das Adjektiv nicht so oft fällt, um mich zu beschreiben, finde ich schade.
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