"Völlig niveaulos und erschreckend"

Jens Lehmann und Florian König führen durch die DFB-Berichterstattung bei "RTL"
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SPOX: Ist das die Gemeinsamkeit zwischen Ihnen und Frank Buschmann, der oberflächlich betrachtet wie der komplette Gegenentwurf eines Kommentators zu sein scheint? Sie beide sind gut befreundet und werden sogar vom gleichen Agenten Sascha Fabian vertreten.

Hagemann: Wir besitzen eine Gemeinsamkeit: die grenzenlose Leidenschaft für Sport. Wir ticken beide nicht normal. Wir schauen beide unglaublich viel Sport und probieren verschiedenste Sportarten aus. Das verbindet ungemein. Daher sind wir nicht so unterschiedlich, wie viele meinen.

SPOX: Ein tragischer Umstand verbindet Sie ebenfalls: Als Buschi 18 Jahre alt war, verlor er seinen Vater wegen Suizid. Ihr Vater verstarb, als Sie 19 Jahre alt waren.

Hagemann: Ich habe mit Buschi nie darüber gesprochen, aber das ist eine traurige wie interessante Parallele. Bei uns beiden ist viel passiert und die Väter spielten eine wichtige Rolle bei der Berufswahl. Bei mir war es so: Ohne meinen Vater wäre ich wohl nie Sportjournalist geworden. Er nahm mich als Fünfjähriger zu meinem ersten Fußball-Spiel ins Stadion mit: Dortmund gegen Gladbach, das durch zwei Frank-Mill-Tore gewann. Und als ich 13 war, fragte mich mein Vater, von welchem Beruf ich träume. Ich antwortete: "Weiß ich nicht. Vielleicht Busfahrer? Oder Lokomotivführer?" Mein Vater antwortete: "Nein, du wirst Sportjournalist. Wer schaut sich sonst die dritte Wiederholung eines Spiels freiwillig an?" Zwei Jahre später, mit 15, nahm ich tatsächlich meinen ersten journalistischen Job an. Für das "Westfalen-Blatt" in meinem Heimatort Schloß Holte fuhr ich mit dem Fahrrad und mit Kamera und Notizblock in der Tasche zu den Sportereignissen. Da wurde relativ schnell klar, dass meine Zukunft in die Richtung gehen musste.

SPOX: Und wussten Sie, dass Sie das schaffen?

Hagemann: Nein, der Anfang war für viele, die in die Sportmedien wollten, schwierig. Zumal ich erst einmal den Tod meines Vaters verarbeiten musste. Irgendwann begreift man jedoch, dass man sein eigenes Schicksal selbst in der Hand hat. 2000 fing ich mit dem Praktikum beim "DSF" für 400 Mark im Monat an. Relativ schnell kam daraufhin das Angebot, als freier Mitarbeiter zu bleiben. Und ein halbes Jahr später konnte ich sogar das Volontariat überspringen und bekam mit 23 Jahren das Angebot auf die Redakteursstelle. Aus der Erfahrung glaube ich: Wenn man an sein Ziel glaubt, es nicht aus den Augen verliert, Risiken wie einen Umzug eingeht, geduldig bleibt und fleißig weiterarbeitet, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dem Traum näherzukommen.

SPOX: Dass es nicht immer aufwärts geht, erfuhren Sie bei der WM 2006. Sie waren zwar Teil des "Premiere"-Teams, durften trotzdem kein Spiel kommentieren.

Hagemann: Das gehört dazu und lehrte mich, dass alles seine Zeit braucht. Ich hatte zwar zwei Jahre zuvor schon mein erstes Livespiel für "Premiere" gehabt, und wenn dann die WM im eigenen Land ansteht, möchte man mehr als "nur" Zusammenfassungen vertonen oder redaktionelle Dienste übernehmen. Ich musste in mich gehen und mir selbst versichern, ruhig zu bleiben und an sich zu arbeiten.

SPOX: Wie arbeitet ein Kommentator an sich?

Hagemann: Vor allem stimmlich. Das Zutrauen in die eigene Stimme ist jetzt hundertprozentig vorhanden. Man weiß irgendwann, wie man mit der Stimme spielen und dass man ohne rumzubrüllen Emotionen transportieren kann. Im Grunde muss man mit dem Mikro so sein, wie man sonst auch ist - aber das ist schwierig zu lernen und erfordert viel Übung. Zudem kann man sich in den Routinen vor einem Spiel sehr verbessern. Was muss ich machen, um mich vorbereitet zu fühlen? Mit welchem Trainer oder Funktionär redet man am besten? Welcher Journalistenkollege kann einem am meisten helfen? So lernt man den Umgang mit den verschiedensten Situationen und strahlt die Ruhe beim Kommentieren aus.

SPOX: Sie erreichen mit "RTL" die Masse, gleichzeitig besitzen Sie seit jeher ein Herz für kleine Projekte wie das "Sportradio360". Warum?

Hagemann: Ich bin gerne bei einem festen Sender aufgesattelt und möchte Sportereignisse live kommentieren. Doch es widerspricht sich nicht, in der Freizeit spannende Experimente zu unterstützen, die sich eine gewisse Unabhängigkeit bewahrt haben. Vier Stunden Sendezeit ist wohl zu lange, in einer abgewandelten Form wäre "Sportradio360" ein Format, das ich mir im größeren Rahmen gut vorstellen kann. Einfach über Sport plaudern, klar Meinung beziehen, keine Zwänge verspüren - und nicht alles ernst nehmen, weil es am Ende nur Sport ist. Einfach spielerisch mit den Themen umgehen. Das fehlt mir in den großen Medien.

SPOX: Wie sehen Sie die generelle Zukunft von Randsportarten in den großen Medien? Liegt die Zukunft darin, wie die Basketball-Bundesliga konsequent ins Internet zu gehen?

Hagemann: Wir haben es wieder bei der Volleyball-WM der Männer beobachten können: Volleyball ist eigentlich ein überragender Fernsehsport, im Vergleich zum Beispiel zu Eishockey, wo man den Puck kaum sieht und die Spielergesichter alle unter den Masken versteckt sind. Dennoch war selbst das WM-Halbfinale der deutschen Volleyballer nicht im TV zu sehen. Daher glaube ich, dass es für viele Sportarten eine große Chance bedeutet, ins Netz zu wandern und sich dort zu etablieren. Die Jugend als kommende Konsumentengruppe wird immer Technik-affiner und ist offen für solche Angebote. Von daher: Vorher meckern bringt nichts. Einfach mal machen und sich nicht von den ewigen Bedenkenträgern entmutigen lassen.

Seite 1: Hagemann über den ersten Auftritt, "RTL" und aufkommende Kritik

Seite 2: Hagemann über die tragische Parallele zu Buschi und Rückschläge

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