Wer etwas über Cristiano Ronaldo erzählen will, der könnte mit einer Episode aus seiner Zeit bei Manchester United beginnen. Damals, so erzählt man es sich auf der Insel, war das Team von Sir Alex Ferguson unterwegs auf Reisen.
Kurz vor dem Abflug gab es allerdings Probleme um einen Koffer. Das gute Stück war derart vollgepackt und schwer, dass es nicht durch die Abfertigung kam. Der Koffer gehörte Cristiano Ronaldo. Dessen Kollegen sollen ob des peinlichen Zwischenfalls nur mit dem Kopf geschüttelt und gespottet haben: "Sonst passen nicht alle Kosmetika rein."
Ronaldo: Eitler Schönling?
Es ist eine Geschichte, die gut in das Bild passt, das die Öffentlichkeit von Ronaldo hat. Der Portugiese gilt als eitler Schönling und "Narziss" (SZ). Als jemand also, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt hat.
Ronaldo tut wenig dafür, diesen Eindruck zu widerlegen. Er inszeniert sich gerne selbst und mag es, wenn sich alle Blicke auf ihn richten. Wer ihn in seinen Reihen hat, muss damit leben. Die Fans anderer Klubs hingegen verachten ihn dafür.
40-Tore-Marke erneut geknackt
Doch es gibt auch den anderen Ronaldo. Den, der sich in den letzten Monaten "geändert" hat, wie Alvaro de la Rosa, Real-Experte der "AS", kürzlich in der "tz" schrieb. "Er scheint nicht mehr so angespannt und auf sich selbst fokussiert, und das hat sein Spiel auch verbessert."
Die Folgen: Schon jetzt hat Ronaldo die 40-Tore-Marke aus dem letzten Jahr übertroffen. Am Wochenende entschied der 27-Jährige mit seinem Treffer den Clasico beim FC Barcelona und damit die Meisterschaft. Erstmals seit 2008 wird der spanische Titel in diesem Jahr wieder nach Madrid gehen.
Und: Dank Ronaldos acht Treffern und der Vorarbeit zu Mesut Özils wichtigem Auswärtstor im CL-Halbfinal-Hinspiel beim FC Bayern dürfen die Königlichen auch noch vom Triumph in der Königsklasse träumen. Zuletzt gewann Real die Königsklasse vor zehn Jahren.
Mit drei Geschwistern aufgewachsen
Ronaldo ist erfolgreich, und er ist selbstverliebt. Es sind diese beiden Eigenschaften, die den Offensivspieler für die Öffentlichkeit so interessant machen. Doch es gibt auch die andere Geschichte von Cristiano Ronaldo dos Santos Aveiro. Eine Geschichte, die viele längst vergessen haben und über die auch er selbst kaum spricht.
Diese Geschichte beginnt auf einer Anhöhe in Funchal auf der Blumeninsel Madeira. Dort, wo am Ende der Rua da Quinta do Falcao eine kleine gelbe Flachdachhütte steht: Ronaldos Elternhaus.
Hier wächst er auf. Zusammen mit seinem Bruder Hugo und den beiden Schwester Elma und Liliana muss er sich ein Zimmer teilen, eine größere Wohnung kann sich die Familie nicht leisten.
Vater stirbt früh
Ronaldos Vater Jose Dinis, der später im Alter von nur 51 Jahren verstirbt, arbeitet als Platzwart beim ortsansässigen CF Andorinha, die Mutter Maria Dolores geht putzen und kocht in einem Lokal. Das Geld reicht, um die Familie zu ernähren. Immerhin. Vielen anderen, die in der Gegend leben, geht es deutlich schlechter. Der Alltag wird bestimmt von Armut, Drogen und Kriminalität.
Für den kleinen Cristiano gibt es dagegen nur den Fußball. Auf einem Ascheplatz kickt er fast jeden Tag bis spät in die Nacht - und ist immer der Beste. Das allerdings ist ihm nicht so wichtig. Wenn er mit Freunden spielt, will er, dass auch die mal glänzen und treffen. Ihre Freude ist seine Freude.
Trost von der Mutter
Mit seinem Klub CF Andorinha läuft es dagegen weniger gut. Ein Ronaldo alleine ist gegen die reichen Klubs der Insel zu wenig. Er verliert häufig, und kommt damit überhaupt nicht zurecht. Fast nach jedem Spiel fließen Tränen.
Seine Mutter muss ihn trösten, reden will er dann nicht. Sie nimmt ihn in den Arm. Das hilft ein wenig. Vater Jose Dinis hingegen verhält sich distanzierter. Emotionen sind seine Sache nicht. Er ist stolz auf seinen Sohn. Es nach außen zu zeigen, damit tut er sich aber schwer.
Jose Dinis ist dennoch bei jedem Spiel seines Sohnes dabei. Zunächst bei CF Andorinha, später auch bei CD Nacional, wohin Ronaldo im Alter von zehn Jahren wechselt. Schon ein Jahr später wird Sporting Lissabon, einer der größten Klubs des Landes, auf ihn aufmerksam.
Startschwierigkeiten in Lissabon
Der Gedanke, in dem Verein zu spielen, in dem Luis Figo seine ersten Erfolge feierte, gefällt Ronaldo. Sporting lockt ihn mit einem Platz im Vereinsinternat. Die Familie fällt die Entscheidung allerdings schwer, schließlich ist Lissabon rund 900 Kilometer von Madeira entfernt. Vor allem Vater Jose Dinis will seinen Filius nicht verlieren. "Meinen Sohn gebe ich nicht her", soll er gesagt haben. Doch weil Cristiano ihn immer wieder anfleht, gibt der Vater schließlich schweren Herzens nach.
In der neuen Welt in Lissabon findet sich Ronaldo zunächst allerdings gar nicht zurecht. Er hat keine Freunde, ist der jüngste Spieler seiner Mannschaft und wird von seinen neuen Teamkollegen gehänselt. Wie schlecht es ihm geht, will er sich aber nicht anmerken lassen. Er will seiner Familie keine Sorgen machen und beweisen, dass er gut genug für Sporting ist.
Auf dem Platz gelingt ihm das. Schnell erkennen seine Mitspieler, dass auch sie besser sind, wenn Ronaldo auf dem Platz steht. Er wird das Aushängeschild seiner Mannschaft. Zwei Jahre nach seinem Wechsel nach Lissabon zieht Mutter Maria Dolores zu ihm in die Hauptstadt. Nun stimmt auch das Private.
Schulische Probleme nebensächlich
Da ist zu verschmerzen, dass es in der Schule nicht läuft. Statt zwischen den Trainingseinheiten zu büffeln, verbringt Ronaldo die Zeit lieber mit ein paar Freunden und hängt in Lissabonner Einkaufszentren ab. Dass er deshalb sitzen bleibt, ist ihm egal. Am Ende braucht er für drei Klassen sechs Jahre.
Über die schulischen Probleme sieht man bei Sporting großzügig hinweg - immerhin ist Ronaldo vielleicht der beste Spieler, der jemals das grün-weiße Trikot getragen hat. In den folgenden Jahren untermauert er diese These. Er wird zum Aushängeschild der Nachwuchsabteilung des Vereins und ist in seinem Alter das größte Talent des Landes.
Teuerster Fußballer der Welt
Rund drei Wochen nach seinem 17. Geburtstag debütiert er schließlich in Sportings erster Mannschaft, ein gutes Jahr später wechselt er zu Manchester United, wo er in sechs Jahren unter anderem drei Meistertitel und die Champions League gewinnt und zum Fußballer des Jahres 2008 gewählt wird.
Ein Jahr später verpflichtet ihn Real Madrid. Die Spanier zahlen 94 Millionen Euro Ablöse. Er ist nun ein Königlicher und der teuerste Spieler der Welt. Er, der kleine Cristiano aus der gelben Flachdachhütte von der Blumeninsel Madeira.
Cristiano Ronaldo im Steckbrief