"Ich habe Fußball nie richtig geliebt"

Von Johannes Heiming
Johannes Focher machte im April 2014 sein letzten Spiel für Borussia Dortmund
© getty

Johannes Focher stand viele Jahre bei der zweiten Mannschaft von Borussia Dortmund im Tor und war Teil des Profikaders, als der BVB 2011 und 2012 Meister wurde. Doch mit 25 beendete der Torwart seine Karriere und begann stattdessen ein BWL-Studium. Focher über sein neues Leben, die Kritik an Jugendspielern und Thorsten Legat.

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SPOX: Herr Focher, Sie spielten insgesamt neun Jahre für Borussia Dortmund und beendeten im Sommer 2015 mit 24 Jahren Ihre Karriere als Profi, um ein BWL-Studium zu beginnen. Weshalb haben Sie sich für diesen ungewöhnlichen Weg entschieden?

Johannes Focher: Ein Studium hat mich grundsätzlich schon immer gereizt. Ich habe schon zu Profizeiten versucht, nebenher zu studieren. Das klappte aber nicht so gut. Als ich von Sturm Graz nach Dortmund kam, habe ich dort nicht mehr gespielt und mir deshalb überlegt: wie sieht mein Leben in den nächsten zehn Jahren aus? Rückblickend muss ich sagen, dass ich nie der größte Fußball-Fan mit hoher Leidenschaft war. Andere können nicht mehr ohne ihn leben, aber das war bei mir einfach nicht so. Daher habe ich mich trotz aller Widerstände für das Studium entschieden.

SPOX: Sie haben im April 2014 ihr letztes Spiel für die Amateure von Borussia Dortmund gemacht. Wann genau ist dann die Entscheidung pro Studium gereift?

Focher: Das hat sich in meinem letzten Profijahr immer mehr herauskristallisiert. Ich hatte damals Probleme mit einer Fußverletzung und habe mich gefragt, ob ich noch einmal in die vierte oder fünfte Liga gehen möchte, um wieder anzugreifen. Doch ich hatte das Feuer nicht mehr.

SPOX: Sie sind dann zunächst nach München gezogen und haben dort ein duales Studium begonnen.

Focher: Das hörte sich eigentlich auch ganz gut an. Ich war in der Hinsicht aber wirklich unerfahren. Zuvor war der Fußball in meinem Leben so dominant. Ich merkte daher schnell, dass das nicht das Richtige für mich ist und habe zum Glück noch schnell genug umdisponiert.

SPOX: Und zwar wieder Richtung Ruhrgebiet.

Focher: Genau. Ich studiere nun sozusagen in heimatlichen Gefilden. Bochum ist Ruhrgebiet - mehr als hier geht gar nicht. Mehr Beton geht auch nicht. (lacht) Es passt aber richtig gut und ich freue mich auf die nächsten Semester.

SPOX: Wie groß war letztlich die Umstellung vom Leben als Fußballprofi auf den studentischen Alltag?

Focher: Das war wirklich krass. Ich habe jetzt im Hinblick auf meine Klausuren zwar auch Druck, aber der ist nicht vergleichbar, da ich ihn mir ja nur selbst mache. Beim Fußball kommt er fast ausschließlich von außen. Als Jugendspieler muss man noch viel selbst organisieren, aber später dann überhaupt nicht mehr. Als Profi wird sehr viel für dich getan. Beim Studium hingegen gilt: wenn nicht ich es mache, macht es keiner. Das ist neben all den inhaltlichen Dingen, die ich nun lerne, auch ein interessanter Nebeneffekt. Ich entwickele mich charakterlich weiter. Für Leute, die nicht aus dem Profi-Geschäft kommen hört sich das vielleicht nicht üblich an, aber die Eigenständigkeit geht vielen Fußballern mit der Zeit komplett verloren. Es gibt viele Sportler, die diesen Absprung nicht schaffen.

SPOX: Sind die Unterschiede so groß?

Focher: Es ist eine vollkommen andere Welt, in der ich mich erst einmal zu Recht finden musste. Ich war überrascht, wie viel Gegenwind ich in der Zeit bekommen habe, in der ich über das Karriereende nachdachte. Viele waren skeptisch und meinten: 'Warum machst du das? Du wirfst dein Talent weg!' Ich solle stattdessen lieber an das gute Geld denken, das ich verdienen könne.

SPOX: Wie sind Sie mit diesen Meinungen umgegangen?

Focher: Die Leute, die eng mit dem Fußball verbunden sind, haben den Kopf geschüttelt. Sie konnten nicht verstehen, weshalb ich den Beruf, von dem so viele Jungs träumen, einfach hinwerfe. Mein Onkel hat mir sehr geholfen, ihm bin ich mehr als dankbar. Er ist auch der Einzige in meiner Familie, der ein Studium abgeschlossen hat. Er hat mir unterschiedliche Strukturen aufgezeigt und mir gesagt, auf was ich zu achten habe. Zudem hat mich auch ein guter Freund unterstützt, der Jura studiert hat. Er konnte mir viele Fragen aus der Sicht eines Studenten beantworten.

SPOX: Sind Sie jetzt mit dem zeitlichen Abstand froh, den Sprung geschafft zu haben?

Focher: Ja, total. Fußball ist für mich natürlich kein schlechter Sport, aber ich musste an meine Zukunft denken. Ich befand mich etwas auf dem absteigenden Ast und wusste nicht, wo ich letztlich gelandet wäre. Das Risiko, mit 30 Jahren keine Perspektive mehr zu haben, ist hoch. Das wollte ich nicht erleben. Die Klassiker, eine Trainerausbildung zu machen oder Berater zu werden, kamen für mich nie in Frage.

SPOX: Hatten Sie Sorge, wie die Entscheidung öffentlich wahrgenommen wird?

Focher: Ja, sie war aber unter dem Strich unbegründet. Ich habe einige Sportler kennengelernt, die denselben Schritt gewagt haben. In Tobias Rau kann ich mich beispielsweise total wiederfinden. Dennoch fragt man sich natürlich, wie eine solche Entscheidung in der Öffentlichkeit ankommt. Wenn ich jetzt erzähle, dass ich vor meinem Studium Fußballprofi war, wird das aber gar nicht als extrem außergewöhnlich wahrgenommen.

SPOX: Sie sind an der Universität also gar kein großes Thema?

Focher: Nein, zumindest nicht so, wie ich dachte. Die Leute wollen dann zwar wissen, wo ich gespielt habe und so weiter, aber ich bin trotzdem ein normaler Student. Doch es ist schon so, dass man schnell abgestempelt wird, wenn man zugibt, keine Lust mehr auf Fußball verspürt zu haben. Dann heißt es: 'Der hat es halt einfach nicht gepackt.'

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