"Ich habe Fußball nie richtig geliebt"

Von Johannes Heiming
Johannes Focher machte im April 2014 sein letzten Spiel für Borussia Dortmund
© getty
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SPOX: Ist Ihnen das dann egal?

Focher: Ja. Es darf jeder denken, was er will. Vielleicht haben die Leute ja auch Recht. Wäre ich ein besserer Spieler gewesen, hätte ich wohl weiter gemacht und in der 2. Liga spielen können. Darauf kommt es jetzt aber nicht mehr an.

SPOX: 2012 haben Sie es versucht, aus dem gewohnten Umfeld auszubrechen und sind zu Sturm Graz gewechselt, wo Sie insgesamt 22 Spiele in der österreichischen Bundesliga absolvierten.

Focher: Peter Hyballa, mein Trainer in der Dortmunder A-Jugend, hat mich damals angerufen. Ich fand das dann auch schnell ziemlich interessant. Das Ausland hat mich schon immer gereizt, auch wenn es dann "nur Österreich" geworden ist. Die Stadt Graz ist ein Traum. Wir spielten eine turbulente Saison mit Höhen und Tiefen. Der Trainer wurde ausgetauscht, zwei Mal der Torwart gewechselt - rückblickend dennoch eine tolle und lehrreiche Zeit.

SPOX: Aber auch eine kurze. Nach einer Saison sind Sie wieder zurück nach Dortmund gegangen.

Focher: Darko Milanic wurde neuer Trainer in Graz und unter ihm habe ich nicht mehr gespielt. Ich habe mich daher nicht mehr richtig wohl gefühlt und vor allem keine Perspektive mehr gesehen. Das Heimweh hat sicherlich auch eine gewisse Rolle gespielt. Graz ist im Vergleich zum Ruhrgebiet schon ein ganz anderes Pflaster, gerade was die Menschen und ihre Mentalität angeht.

SPOX: Ihr letztes Pflichtspiel für die Dortmunder U23 fand im April 2014 in der 3. Liga gegen Wacker Burghausen statt. Wie steht es derzeit um Ihre sportliche Aktivität?

Focher: Ziemlich schlecht. Ich müsste mal wieder ein bisschen was machen. (lacht) Ab und zu kicke ich zum Spaß mit Freunden. Hin und wieder kommen auch noch Angebote rein, wenn irgendwo ein Torwart gebraucht wird. Die habe ich bislang aber alle abgelehnt.

SPOX: Eine Rückkehr zwischen die Pfosten ist, egal wo, also nicht denkbar?

Focher: Nicht im Moment. Man soll ja niemals nie sagen, aber es reizt mich einfach nicht mehr. Wie gesagt: Ich hasse den Fußball nicht. Ich habe lange gespielt und war ein klassischer Schulhofzocker. Ich war aber nie besessen davon wie zum Beispiel ein Thorsten Legat. Ich habe auch nie Playstation gespielt wie alle anderen. Dafür hatte ich einfach noch nie etwas übrig. Dennoch war ich natürlich in meinen Mannschaften immer richtig integriert und es war auch eine witzige Zeit. Ich habe den Fußball nie richtig geliebt, aber ich finde es schwer zu erklären, weshalb das so ist. Vielleicht gelingt mir das mit 60 Jahren besser. Klar ist: Mir hat das Profileben nicht mehr gereicht. Ich brauchte anderes Futter.

SPOX: 2004 sind Sie als 14-Jähriger zu Borussia Dortmund gekommen. Wie reflektieren Sie nun Ihre ersten Schritte?

Focher: Es war immer cool, wo wir überall hingefahren sind und wen ich alles kennengelernt habe. Während ich im Tor stand, war ich nie total unglücklich. Ich war von dem, was ich getan habe, in all den Jahren überzeugt. Nach dem Abitur aber merkte ich, dass mir etwas fehlt. Der Fußballeralltag ist plump und ermüdend, ich wollte geistig mehr gefordert werden. Die Gesprächsthemen im Fußball sind meist sehr beschränkt. Es dreht sich hauptsächlich um Fußball, Frauen und Geld. Als ich an die Uni kam, war ich überrascht, welche Unterhaltungen man dort führen kann. Trotzdem bin ich heute für alles, was Borussia Dortmund für mich getan hat, sehr dankbar.

SPOX: Sie sprachen die mangelnde Eigenständigkeit mancher Fußballer bereits an. Holger Badstuber kritisierte kürzlich zu bequeme Jugendspieler. Können Sie ihn verstehen?

Focher: Definitiv. Bei den Bayern wird das Hofieren der Spieler sicherlich noch etwas extremer sein als in Dortmund. Doch auch beim BVB geht es den Jungs echt gut. Bereits als Jugendspieler verdient man ordentliches Geld und in der Schule ist man sowieso der König. Bei mir war das nicht anders. Diese Zeit ist aber meistens endlich, denn nicht viele schaffen den Sprung zu den Profis - und dann fällt der Wechsel ins wirkliche Leben sehr schwer.

SPOX: Weil man zuvor schon so abgehoben ist, dass der Aufprall schmerzhaft ausfällt?

Focher: Irgendwo ist das ja auch normal. In Europa dominiert der Fußball alles. Bereits in der U14 berichten die Medien über einen. Dass da der eine oder andere dann die Nase zu weit oben trägt, ist wohl ein menschlicher Prozess, den man prinzipiell niemandem übel nehmen kann. Jeder will guten Fußball sehen und eine gute Nationalmannschaft haben. Eine hochprofessionelle Jugendarbeit ist da selbstverständlich. Ich kenne aber auch einige Leute, die in jungen Jahren ein kaputtes Knie oder eine kaputte Hüfte davontragen - und die stehen dann mit leeren Händen da.

SPOX: Herr Focher, abschließende Frage: Sind Sie mit sich und Ihrer Entscheidung im Reinen?

Focher: Ja, das bin ich. Mir fehlt der Fußball nicht und es war die richtige Entscheidung. Das überrascht mich manchmal auch selbst und ist dann etwas beängstigend. (lacht) Ich habe aber einfach keinen Grund, dem Fußball hinterher zu trauern, denn dafür ist die Zeit im Moment zu aufregend. Ich bin gespannt, wohin mich meine die Reise noch führen wird.

Johannes Focher im Steckbrief

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