SPOX: Greift man dazu immer auf dieselben Übungen zurück?
de Beer: Man kann sich unheimlich viele Übungen einfallen lassen, die letztlich aber immer zum gleichen Ziel führen - zum Abarbeiten der erwähnten, vielfältigen Bausteine. Die Verpackung sollte also durchaus variieren, das Ziel bleibt aber dasselbe. Als Trainer möchte man mit seinen Übungen erreichen, dass torwartspezifische Verhaltensweisen verändert werden und sich den Keepern neue Sichtweisen erschließen. Klassisches Beispiel: Man muss den Torhütern vermitteln, dass in Eins-gegen-eins-Duellen die Angreifer den größeren Stress haben. Also: Nicht frühzeitig zur Seite wegdrehen, sondern breitmachen und einen Schritt nach vorne gehen. Es geht oft um solche Nuancen, um die Veränderung von Verhalten und somit eine größere Effizienz zu erzielen.
SPOX: Sie haben als gelernter Schreiner auch schon eigenhändig Prallwände und Schussrampen gebaut.
de Beer: Das war ein Einfall, um eine Variation in die eine oder andere Übung zu bekommen. Ich bin in den Baumarkt gegangen, habe mir die Bretter zuschneiden lassen und sie in meiner Garage zusammengeschraubt. Anschließend habe ich einen meiner Pferdeanhänger genommen und das Zeug nach Dortmund gekarrt. Ich habe noch eine Art Fernsehschrank zu Hause, den man auch als Prallwand benutzen kann. Ich habe solche Dinger in unterschiedlichen Größen, damit der Ball jeweils verschieden abprallt. Damit kann man fußballtechnische Übungen machen oder die Reaktionsschnelligkeit trainieren.
SPOX: Manuel Neuer hatte beim Sieg gegen Brasilien mehr als doppelt so viele Balkontakte wie Selecao-Stürmer Fred - und der musste ja auch noch sieben Mal den Anstoß ausführen. Verkörpert Neuer mit seiner Spielweise das ideale Ausbildungsendziel?
de Beer: Das Endziel ist immer noch die Null. Ein Torhüter sollte kein Gegentor kassieren. Manuel Neuer hat bei der WM nicht mehr und weniger als das getan, was ihm angeboten wurde. Er hat in erster Linie versucht, keinen Ball reinzukriegen. Er ist ja beispielsweise gegen Algerien nicht so oft aus dem Tor gekommen, weil er es so toll findet, sondern weil es notwendig war. Das hat er natürlich außerordentlich gut getan, weil er die Situationen frühzeitig erkannt und ein hervorragendes Timing dabei hatte. Es war eben auffällig, weil er viel helfen und dabei auch noch viel riskieren musste.
SPOX: Roman Weidenfeller ist jetzt hinter Neuer die Nummer zwei der Nationalelf. Er war bereits vor Jahren längere Zeit in vielen Medien der Torhüter mit den besten Noten, stand für die DFB-Elf aber quasi nie zur Debatte. Wieso?
de Beer: Er war zum damaligen Zeitpunkt ungefähr 25 Jahre alt. Damals spielten noch Oliver Kahn und Jens Lehmann, sie waren die Etablierten in der Nationalelf. Da war es schwierig, mal hinein zu schnuppern, selbst wenn er zwei Jahre lang sehr gute Leistungen gezeigt hat. Umso mehr freue ich mich, dass er mittlerweile so stabil ist. Dass er jetzt dabei ist, ist mehr als verdient.
SPOX: Inwiefern stand ihm früher seine Verbissenheit im Weg?
de Beer: Er war schon immer ein sehr ehrgeiziger Torhüter mit hohen Zielen. Das ist ja auch keinesfalls ein Fehler. Ich habe lieber jemanden, den ich etwas bremsen muss, als einen, dem man ständig in den Hintern treten muss. Wie in allen Berufen läuft man in jüngerem Alter vielleicht auch mal für eine gewisse Zeit lang in die falsche Richtung. Roman hatte vor ein paar Jahren auch mal eine Schulterverletzung, die ihn kurzfristig aus dem Rhythmus brachte. In den letzten Jahren erreichte er aber nach und nach seine Ziele. Das bestätigte ihn einerseits, andererseits machte es ihn reifer, ruhiger und abgeklärter.
SPOX: Weidenfeller wird mit dem Alter immer besser - keine glänzenden Aussichten für seinen Vertreter Mitch Langerak. Wurde bei ihm nicht mal über eine Ausleihe nachgedacht?
de Beer: Natürlich wird es für ihn auch mal den Gedanken gegeben haben, einen anderen Weg einzuschlagen. Es könnte vielleicht auch irgendwann eine Alternative sein, wenn er hier sehen würde, dass er nicht wesentlich weiterkommt. Aber das ist nicht der Fall. Mitch fühlt sich ausgesprochen wohl hier in Dortmund. Für uns ist er ein Glücksfall, sowohl von seiner Leistungsfähigkeit her, als auch vom Charakter. Es ist nicht selbstverständlich, dass er eine solch lange Zeit so ruhig und fokussiert bleibt. Wenn er gebraucht wird, ist er immer zu einhundert Prozent da - das ist eine fantastische Leistung. Wir sind außerordentlich zufrieden mit ihm.
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