Wie ein Rekordverdiener sah Leon Draisaitl nicht aus. Statt dessen redete in einem schlichten Kapuzenshirt und Baseballkappe nüchtern über seinen großen Zahltag. "Ich liebe nichts mehr, als dieses Trikot zu tragen", sagte der deutsche Eishockeystar, als er in einem Videocall mit ruhiger Stimme über seine Zukunft bei den Edmonton Oilers sprach.
Kurz zuvor, fast auf den Tag genau zehn Wochen nach dem verlorenen Stanley-Cup-Finale, hatte der NHL-Klub schwindelerregende Zahlen präsentiert. Draisaitl bekommt in Kanada einen Achtjahresvertrag über insgesamt 112 Millionen US-Dollar. Die Einigung gaben die Oilers am frühen Dienstagmorgen (Ortszeit) bekannt.
"Dies ist ein historischer Tag für die Edmonton Oilers", sagte Stan Bowman, Vizepräsident und General Manager des Klubs. Wohl war. Das durchschnittliche Jahresgehalt von 14 Millionen Dollar ist ein neuer Höchstwert in der nordamerikanischen Profiliga.
Bislang war Auston Matthews (Toronto Maple Leafs/13,25) die Nummer eins in dieser Liste, ab sofort steht dort Draisaitl. Der gebürtige Kölner verdient damit auch mehr als sein kongenialer Sturmpartner Connor McDavid, immerhin dreimaliger Gewinner der Hart Memorial Trophy für den besten Spieler der Saison.
Doch auch Draisaitl hat diesen Award schon bekommen (2020), dazu im gleichen Jahr die Art Ross Trophy für den Topscorer. Deshalb war schon kurz nach dem verlorenen Finale Ende Juni gegen die Florida Panthers, als Edmonton aus einem 0:3 ein 3:3 gemacht und dann doch verloren hatte (3:4), klar, dass die Vertragsverlängerung mit dem Ausnahmespieler höchste Priorität hat. Die bisherige Vereinbarung wäre 2025 ausgelaufen.
"Ich hoffe, ich bleibe mein Leben lang ein Oiler", sagte Draisaitl und gab sich kämpferisch. "Wir haben den Job noch nicht erledigt. Das Hauptziel ist, den Stanley Cup zu gewinnen. Wir sind bereit, wieder anzugreifen." Von zusätzlichem Druck durch den Vertrag wollte er nichts wissen. Es gehe viel mehr um Verantwortung. "Ich bin mir der Verantwortung bewusst. Ich muss etwas zurückgeben." Er bekomme aber "viel Geld, um damit umzugehen".
Draisaitls Glück ist nun (abgesehen vom fehlenden Titel) komplett. Zuletzt hatte der 28-Jährige seiner Freundin Celeste Desjardins in einer Bucht auf Mallorca einen Heiratsantrag gemacht, die Kanadierin sagte Ja. Dass der gemeinsame Lebensmittelpunkt weiter Edmonton sein soll, war da längst klar.
"Leons Engagement für unser Team, unsere Stadt und die Oilers-Fans überall kann gar nicht genug betont werden. Sein Wunsch, einen Stanley-Cup-Titel nach Edmonton zu holen, ist zentral für alles, was er auf und neben dem Eis tut", sagte Bowman. 2017 hatte Draisaitl bei der Franchise einen Achtjahresvertrag über 68 Millionen Dollar unterschrieben, der neue hat dieselbe Laufzeit, ist aber um mehr als 40 Millionen lukrativer.
Draisaitl wurde 2014 von Edmonton an Position drei gedraftet. Seither läuft der Nationalspieler für den fünfmaligen Stanley-Cup-Sieger auf. Draisaitl, Deutschlands Sportler des Jahres 2020, hat in der NHL als Scorer fünfmal die 100-Punkte-Marke durchbrochen. 2023/24 erreichte der Center in 81 Hauptrundenspielen 41 Tore und 65 Assists für 106 Punkte. In den Play-offs kamen zehn Treffer und 21 Vorlagen hinzu. Edmonton stand erstmals seit 2006 wieder im Finale.
Draisaitl will unbedingt den Stanley Cup nach Edmonton zurückholen, 1990 war dem Klub der bislang letzte Triumph gelungen. Nach mehreren enttäuschenden Spielzeiten waren die Oilers in diesem Jahr ganz dicht dran, doch das entscheidende siebte Spiel in Florida ging 1:2 verloren. "Es ist herzzerreißend", sagte Draisaitl damals. Nun beginnt der nächste Anlauf - mit einem Rekordgehalt.
