Vier Playoff-Spiele, alle vier in letzter Sekunde entschieden. Es gehört nicht allzu viel Fantasie dazu, um die Playoff-Begegnungen am vergangenen Wochenende zur besten Divisional Round - und womöglich sogar zur besten Playoff-Runde überhaupt - in der Geschichte der NFL zu erklären.
Ein 52-Yard-Field-Goal zum Sieg mit auslaufender Uhr beim Duell der Bengals und der Titans. Eine Defensivschlacht mit einem ebenso dramatischen Ende zwischen den Packers und den 49ers. Eine Aufholjagd beinahe historischen Ausmaßes der Bucs, die gegen die Rams nach einem wahnsinnigen Pass letztlich doch nicht ausreichte. Die ersten drei Spiele der Divisional Round boten bereits genug Drama für mehrere Playoff-Runden und doch fand das Wochenende im zuvor bereits mit Hochspannung erwarteten Duell zwischen den Chiefs und den Bills seinen krönenden Abschluss.
Patrick Mahomes und Josh Allen lieferten sich im Arrowhead Stadium ein Duell für die Geschichtsbücher, alleine die letzten zwei Minuten des Spiels hätten eine eigene Mini-Doku verdient. Auch mit verflogenem "Recency Bias" dürfte das Aufeinandertreffen der Chiefs und Bills als eines der besten Spiele überhaupt im Gedächtnis bleiben - und das trotz der nach wie vor fragwürdigen Overtime-Regeln, die letztlich über Gewinner und Verlierer (mit)entschieden.
NFL: Mahomes und Allen als unüberwindbares Hindernis?
Entscheidend für dieses Feuerwerk aus spektakulären Plays waren natürlich in erster Linie die Quarterbacks auf beiden Seiten: Mahomes und Allen zeigten beide jeweils eine der besten QB-Leistungen in dieser Saison und rissen das Spiel in einer Art und Weise an sich, die klar über den reinen Faktor als Passer hinausging. Mein Kollege Adrian Franke erklärte in seinen Erkenntnissen am Montag zu Recht, dass einigen General Managern in der AFC beim Ansehen dieses Spiels flau im Magen geworden sein dürfte.
Die Aussicht, auf Jahre hinweg in den Playoffs auf Mahomes und Allen zu treffen, ist keine allzu angenehme. Die Aufgabe, einen Quarterback in dieser Form aus den Playoffs zu kegeln, ohne selbst über einen herausragenden Spieler auf dieser Position zu verfügen, scheint beinahe im Voraus zum Scheitern verurteilt. Es ist somit eine durchaus angsteinflößende Perspektive für so manchen Konkurrenten in der NFL.
Das gilt vor allem für Teams wie die Titans, die Browns oder womöglich auch die Patriots, die sich aufbauend auf einem Fundament aus einem starken Run-Game, einer guten Defense und einem soliden Quarterback zuletzt eigentlich dem Status des Contenders anzunähern schienen. Kann dieses Fundament in einer Conference mit Mahomes und Allen wirklich Erfolg haben?
Wie Teams in der NFL diese Herausforderung in den kommenden Jahren angehen werden, wird spannend zu verfolgen sein. Mit den 49ers ist immerhin ein Team als klare Gegenthese zu all den Contendern rund um einen Superstar-Quarterback nach wie vor im Playoff-Rennen vertreten.
Doch während sich General Manager über diese Frage den Kopf zerbrechen können, darf der neutrale Fan bereits mit Begeisterung und Vorfreude auf die langfristige Zukunft der NFL blicken. Die Aussichten schienen schon lange nicht mehr so vielversprechend wie heute.
NFL: Vier herausragende junge Quarterbacks in der AFC
Es lässt sich durchaus argumentieren, dass die vier besten Quarterbacks in der NFL mit Ausnahme von Aaron Rodgers und Tom Brady, die ein Karriereende nach ihrem Playoff-Aus jeweils nicht ausschließen wollten, aktuell alle in der AFC spielen: Mahomes, Allen, Joe Burrow und Justin Herbert. Der älteste dieser vier Quarterbacks ist Mahomes - im Alter von gerade mal 26 Jahren.
Das Duell zwischen Mahomes und Allen hat das Potenzial, die NFL für den Rest dieses Jahrzehnts zu prägen. Was sich bereits über die letzten zwei Jahre zunehmend andeutete, wurde in der Nacht auf Montag praktisch nochmal bestätigt.
Dazu kommt mit Herbert ein Quarterback, der in seinem zweiten Jahr in der NFL bereits spektakulärere Highlight-Würfe als irgendein anderer Passer zeigte und schon im Alter von 23 Jahren ein veritabler MVP-Kandidat war. Dazu kommt Burrow, der die Bengals nach 31 Jahren ohne Playoff-Sieg ins AFC Championship Game führte und zum Ende der Regular Season zu den besten Quarterbacks der Liga zählte.
Dazu kommt auch noch ein Lamar Jackson, der 2020 im Alter von gerade mal 23 Jahren ohne Gegenstimme zum jüngsten MVP in der Liga-Geschichte gewählt wurde und mit seinem explosiven Spielstil zwischenzeitlich drauf und dran zu sein schien, NFL-Offenses zu revolutionieren. Und wer weiß? Vielleicht kommt auch noch ein Trevor Lawrence, der vor weniger als einem Jahr noch als eines der größten Quarterback-Talente aller Zeiten galt, auch noch zu dieser Gruppe hinzu.
Fans können also jede Menge elektrisierende Quarterback-Duelle in der AFC erwarten.
NFL: Die nächste Ära nach Brady, Manning und Co.
Zu Beginn dieses Jahrtausends konnte sich die Conference schon mal an einer Riege junger und hochtalentierter Quarterbacks erfreuen: Tom Brady, Peyton Manning und Ben Roethlisberger sollten die kommenden zwei Jahrzehnte in der NFL prägen.
Von 2003 bis 2018 stand stets mindestens einer der drei Quarterbacks im AFC Championship Game, sechsmal trafen zwei Vertreter des Trios direkt aufeinander. Über 15 Jahre schaffte es nur ein anderer Quarterback (Joe Flacco mit den Baltimore Ravens) in den Super Bowl.
Die Phase des Übergangs in eine Ära nach Brady, Manning und Roethlisberger in der AFC sowie Drew Brees und Aaron Rodgers in der NFC wurde daher bereits seit Jahren als wegweisend für die weitere Entwicklung der NFL gesehen. Welche Spieler würden das Spiel prägen können so wie Brady, Manning und Brees das Passspiel geprägt haben? Wer würde sich zu einem neuen Gesicht der NFL entwickeln können?
Manning beendete seine Karriere bereits vor sieben Jahren, Brees folgte im vergangenen Jahr, Roethlisberger macht im Anschluss an diese Saison Schluss. Bradys und Rodgers' Zukunft ist noch ungewiss. Und doch sieht die Zukunft der NFL rosig aus. Tatsächlich verspricht die bevorstehende Ära noch aufregender, noch spektakulärer werden zu können.
Die neue Quarterback-Ära in der NFL beginnt jetzt
Bis zum Status von Manning und erst Recht natürlich von Brady ist es für Allen, Mahomes und Co. zweifelsohne noch ein langer Weg. Gut möglich, dass keiner der heutigen Youngster jemals an die Erfolge der zwei vielleicht größten Quarterbacks in der Geschichte der NFL heranreichen wird. Und doch hat uns das Duell zwischen Mahomes und Allen bereits Momente beschert, die vor einigen Jahren noch völlig undenkbar gewesen wären.
Der moderne Elite-Quarterback - womöglich mit Burrow als Ausnahme - ist kein reiner Pocket-Passer mehr. Er kann Sidearm-Würfe um Defender in seinem Gesicht herum drehen wie Mahomes. Er kann über Linebacker hinwegwalzen wie Allen. Er kann Würfe über 70 Yards feuern wie Herbert. Er kann mit einer Körpertäuschung drei Verteidiger ins Leere laufen lassen wie Jackson.
Die neue Quarterback-Ära in der NFL beginnt jetzt. Und wenn die Eindrücke aus den letzten Saisons nicht völlig täuschen, wird sie mindestens so aufregend werden wie die letzte. Die beste Divisional Round der NFL-Geschichte war nur ein Vorgeschmack darauf.