Am Sonntag war es endlich soweit, Quarterback Jimmy Garoppolo gab sein Startdebüt für die San Francisco 49ers. Seit er vor etwas mehr als vier Wochen von den New England Patriots für viele überraschend an die Westküste getradet wurde, konnten es besonders die Fans der Niners kaum noch erwarten, ihren potenziellen Franchise-QB zu sehen.
Die Erwartungen waren hoch, schließlich war "Jimmy G" in den letzten fast vier Jahren der Lehrling des wohl besten Quarterbacks überhaupt. Und als er im Vorjahr während Tom Bradys Sperre selbst mal ran durfte, zeigte er mehr als nur positive Ansätze. Wer weiß, wie gut er ohne seine Schulterverletzung im zweiten Saisonspiel gegen Miami in den zwei weiteren Partien ohne Brady ausgesehen hätte?
Garoppolo gab sein Niners-Debüt bereits in der Vorwoche am Ende gegen die Seahawks, da sich Rookie C.J. Beathard zuvor verletzt hatte. Garoppolo orchestrierte sogleich seinen ersten Touchdown-Drive der Saison.
In Chicago, Garoppolos Heimatstadt, durfte er dann auch endlich von Beginn an ran. Head Coach Kyle Shanahan hatte genug gesehen von Beathard oder wer da sonst noch als Passgeber infrage kam. Es war an der Zeit, zu schauen, wie sich der QB der Zukunft anstellen würde.
Und wie stellte sich Garoppolo an? Insgesamt gut, das ist klar, schließlich führte er die NIners zu einem 15:14-Auswärtserfolg, dem zweiten Sieg dieses Teams in der Saison und dem erst vierten in den letzten zwei Spielzeiten zusammen.
Jimmy Garoppolo: "Einfach nur gewinnen"
"Es ist nicht immer der schönste Sieg, aber am Ende des Tages willst du einfach nur gewinnen", analysierte Garoppolo seinen ersten Auftritt von Beginn an für sein neues Team.
Konkret begann er etwas übermotiviert und feuerte zunächst mal einen Pass über den Kopf von Wide Receiver Louis Murphy - Murphy und Garoppolo hatten insgesamt ein ereignisreiches Spiel miteinander.
Der zweite Pass war dann ein Laser zu Marquise Goodwin für 15 Yards und ein neues First Down. Der nächste Pass danach war ein Checkdown nach Play-Action auf Fullback Kyle Juszczyk für 16 Yards und ein weiteres First Down. Garoppolo fand schnell seinen Rhythmus und bereitete letztlich ein Field Goal von Robbie Gould vor - insgesamt traf dieser fünf Mal und war für alle Punkte seines Teams allein zuständig.
Was bei Garoppolo schon früh auffiel, war sein Gefühl für die Situation. Ähnlich wie sein Lehrmeister in New England verstand es Jimmy G sehr gut, sich dem Tempo und der Situation im Spiel anzupassen. Musste es schnell gehen, weil Chicago blitzte, dann kam der schnelle Release, hatte er mehr Zeit, bewegte er sich zumeist gut in der Pocket und suchte den freien Mann. Immer die Augen nach vorne gerichtet auf der Suche nach dem Big Play. Und wenn dies sich nicht ergab, folgten sichere Würfe ins Niemandsland oder eben Checkdowns.
Letztere funktionierten allerdings nicht immer, gerade Running Back Carlos Hyde hatte damit so seine Schwierigkeiten und ließ teils präzise kurze Pässe auch mal fallen. Hyde kam letztlich bei fünf Targets auf drei Receptions für magere zwölf Yards. Dieser Teil des Spiels - den Garoppolo aus Patriots-Zeiten zur Genüge kennt und den auch Shanahan in Atlanta so gerne genutzt hat - ist also noch deutlich ausbaufähig.
San Francisco 49ers: Red-Zone-Effizienz als Problem
Aufbaufähig ist ebenso die Effektivität in der Red Zone. Die Abwesenheit von Touchdowns untermauert dies. Aus fünf Trips in die Red Zone wurden fünf Field Goals. Grund dafür war nicht unbedingt schlechtes Play-Calling, vielmehr schlechte Ausführung dessen. Die Niners schossen sich, wie es für sie symptomatisch ist in dieser Spielzeit, immer wieder mit unnötigen Penalties selbst in den Fuß. Immerhin war aber auf Gould und die eigene Defense Verlass - die Niners ließen nur 85 Passing Yards zu!
"Die Red Zone ist eine harte Gegend. Es ist genauso wie beim dritten Versuch, du hast enge Wurffenster, du musst blindes Verständnis mit deinen Jungs entwickeln und da ich erst seit kurzem hier bin, wird es eine Weile dauern, bis das alles klappt. Aber ich denke, insgesamt gehen wir in die richtige Richtung", sagte Garoppolo über die Probleme kurz vor der Endzone.
Garoppolo kam schließlich auf 293 Yards (26/37) und leistete sich eine Interception. Seine erste überhaupt in der NFL nach 104 Passversuchen ohne. Auf seine Kappe ging diese aber keineswegs. Vielmehr war es Murphy, der den Ball über die Mitte einfach nicht festhielt. Cornerback Kyle Fuller nutzte es aus und schnappte sich das Leder.
Überhaupt war das Verhältnis Garoppolo-Murphy schwierig - bei sechs Targets fing der Receiver einen Pass. Für 16 Yards. Dieser Pass wiederum war unterm Strich einer der schwächeren von Garoppolo, denn er war in Triple-Coverage geworfen, was man in aller Regel eher nicht machen sollte. Murphy fing ihn dennoch und sorgte so für ein in der Phase wichtiges First Down im dritten Viertel.
Abgesehen von diesem gab es jedoch nicht wahnsinnig viele schlechte Pässe des Quarterbacks, der insgesamt total cool wirkte und zu jeder Zeit die Ruhe bewahrte. Eben das wünscht man sich von einem Quarterback - und erwartet es von einem, der schon ein paar Jahre auf dem Buckel hat. Garoppolo jedoch zeigte dies schon im dritten Start. Im Grunde zeigte er es bereits in den zwei Starts 2016.
Jimmy Garoppolo: Sehr gutes Verständnis mit Wide Receivern
"Seit ich Jimmy kenne, und das ist noch nicht sehr lange, war er jeden Tag derselbe Junge. Seine Stimmung ist nie zu gut oder zu schlecht und das willst du von einem Quarterback", sagte Shanahan. "Und das behielt er auch über das Spiel hinweg bei. Natürlich war nicht alles perfekt, aber er hat sich nicht verändert und das ist es, was man will. Das erlaubt es dir, Fehler zu überwinden und es hilft dir, nicht den Fokus zu verlieren, wenn es mal richtig gut läuft."
Ebenfalls beeindruckend war sein Verständnis mit den Receivern Goodwin und Rookie Trent Taylor, die sich beide als zuverlässige Anspielstationen präsentierten. Goodwin fing acht Pässe bei acht Targets (99 Yards), Taylor hatte sechs Receptions bei sechs Targets (92 Yards) - für ihn war es gar eine Karrierebestleistung.
"Es ist sehr beeindruckend", sagte Goodwin über Garoppolo: "Er ist einfach ein selbstbewusster Typ. Wenn du mit dieser Selbstsicherheit spielst, dann fühlst du dich unaufhaltsam. Ich bin einfach glücklich, dass er hier reinkam und einen Sieg geholt hat. Es wird ihn sehr viel weiterbringen als Quarterback, als Person und als Leader. Und es hilft dieser Organisation für die Zukunft sehr."
Möglich machte dies auch eine für Niners-Verhältnisse äußerst stabile Pocket. Garoppolo kassierte zwei Sacks und insgesamt fünf QB-Hits. Keine Selbstverständlichkeit, schließlich kassieren die Niners die siebtmeisten Sacks (37) in dieser Saison - drei pro Spiel. Aber auch dies könnte ein Resultat der schnellen Entscheidungen von Garoppolo sein.
Jimmy Garoppolo bleibt unter Druck cool
Apropos schnelle Entscheidungen: Laut ESPN Stats & Information war Garoppolo 9-12 für 115 Yards gegen den Blitz. Davor brachten Niners-Quarterbacks in dieser Situation nicht mal die Hälfte ihrer Pässe (49,6 Prozent - Platz 29 in der Liga) an den Mann.
Abgesehen davon dürfte es Shanahan freuen, dass sein neuer QB alle neun Pässe nach Play-Action angebracht hat - zuvor waren es 54,5 Prozent (Platz 30 in der Liga) für San Francisco in diesen Spielzügen. Kenner von Shanahans System wissen, dass der Play-Fake ein wichtiger Bestandteil seines Playbooks ist.
Es gibt zahlreiche Aspekte des Spiels, die sich mit Garoppolo leichter umsetzen lassen als mit den bisher beschäftigten Passgebern der Niners. Es lief nicht alles perfekt, keine Frage. Aber Garoppolo hat eines geschafft: Er bringt neue Hoffnung in die Bay Area. Er deutete ein Niveau an, das lange kein Quarterback mehr in diesem Team an den Tag gelegt hat. Und das ist schon mal ein guter Anfang.