Bronny James zu den Lakers: Der größtmögliche Triumph für LeBron
Auf die eine oder andere Frotzelei wird sich LeBron James einstellen müssen. Harmlose, wie etwa die Frage, ob ihn Bronny mit "Dad!" ansprechen wird, wenn er im Fastbreak frei ist und den Ball haben will. Vielleicht auch schlüpfrige wie diese: "Es hat sich herausgestellt, dass LeBron James mit der Mutter seines neuesten Teamkollegen ins Bett geht."
Aber das wird am "King" abperlen. Zu groß ist dieser Triumph, zu bedeutend das Ziel, dass er erreicht hat. Jahrelang sprach LeBron davon, eines Tages mit Sohn Bronny gemeinsam in der NBA spielen und damit Geschichte schreiben zu wollen. Im Laufe der kommenden Saison wird sich dieser Wunsch erfüllen, wohl eher früher als später.
Eine Leistung, die gar nicht groß genug zu bewerten ist - und die ihn in den Augen der übrigen NBA-Stars noch einmal auf ein ganz neues Level hebt. Wenn das überhaupt möglich ist. "Stell dir vor, du kannst mit deinem Sohn zusammenspielen. Das ist historisch. Ich habe selbst zwei Jungs, ich kann mir nicht vorstellen, wie man sich dabei fühlt", twitterte etwa Zach LaVine von den Chicago Bulls, und war bei weitem nicht der einzige.
"Vermächtnis", war LeBrons bislang einzige Reaktion in den sozialen Medien. Die Familie soll laut ESPN im kleinen Kreis in New York City gefeiert haben, mit einem sehr emotionalen Vater LeBron. Sein Sohn Bronny ist nun offiziell ein NBA-Spieler - aber dass es der Nachwuchs auch in die beste Liga der Welt schafft, das ist nichts Neues. Die Golden State Warriors allein haben mit Steph Curry, Klay Thompson, Gary Payton II und Trayce Hackson-Davis aktuell vier NBA-Sprösslinge im Kader.
Dass LeBron an der Seite seines Sohnes in sein 22. Jahr in der Liga gehen wird, das ist die Schlagzeile. Die ultimative Errungenschaft, die seinen vier Titeln, vier MVP-Awards und 20 All-Star-Nominierungen mindestens gleichwertig gegenübersteht. Mindestens. Selbst Michael Jordan, dem er seine ganze Karriere lang nachjagte und -eiferte, kann das nicht von sich behaupten.
Nicht nur irgendwie, wohlgemerkt. Nicht als abgehalfterter Rollenspieler LeBron, der sich irgendwie noch durch die Liga schleppt, um diesen Moment erleben zu können. Sondern immer noch als waschechter Superstar und All-NBA-Spieler. Zahlen können kaum ausdrücken, wie absurd das alles ist.
Ein Versuch: Bronny James wurde am 6. Oktober geboren, da ging LeBron gerade in sein zweites Jahr mit den Cleveland Cavaliers. In diesem sollte er 27,2 Punkte, 7,4 Rebounds und 7,2 Assists auflegen. 19 Jahre später (!!!) waren es in der Saison 2023/24 25,7 Punkte, 7,3 Rebounds und 8,3 Assists. Was soll man da noch sagen?
Über all dem Trubel darf man auch die persönliche Seite nicht vergessen. Sportlich ist es ein einzigartiger "Flex", für Vater und Sohn werden es unbezahlbare Momente. Über Jahrzehnte war LeBron immer wieder unterwegs und weg von der Familie, teilweise wochenlang. Verlorene Zeit, die auch seine vielen hundert Millionen Dollar nicht zurückbringen konnten.
Wie viele Minuten sie letzten Endes gemeinsam für die Lakers spielen werden, ist noch offen. Aber da gibt es ja auch die Trainingseinheiten, die Road Trips, Abendessen und so weiter. Wer weiß: Das könnte LeBron sogar dazu motivieren, mehr als nur ein oder zwei Jahre in der NBA dranzuhängen. Gut genug dafür ist er sowieso.
Bronny James zu den Lakers: Ein Coup mit minimalem Risiko
Als ersten Schritt wird LeBron dafür entweder seine Spieleroption über ein Jahr und 51,4 Millionen Dollar ziehen müssen - dafür hat er bis Samstagabend Zeit -, oder aber einen neuen Vertrag mit den Lakers aushandeln. Die sollen Medienberichten zufolge bereit sein, ihm für drei Jahre das maximal mögliche Gehalt von 162 Millionen Dollar anzubieten.
Sportlich gesehen ist selbst ein LeBron diese Summe in zwei Jahren vielleicht nicht mehr wert. Auf der Jagd nach Titeln wird die Aufgabe nicht einfacher, ein konkurrenzfähiges Team unter dem Salary Cap zusammenzustellen. Aber bei den Lakers wird traditionell nicht gefeilscht, wenn es um Superstars geht. Diesen Ruf hat sich die Franchise erarbeitet, und dieser wird kultiviert - man weiß ja nie, wann der nächste große Name nach L.A. übersiedeln will.
So oder so ist es für die glamouröseste Franchise der NBA ein echter Coup, Vater und Sohn im Kader vereint zu haben. Gerade in diesen Tagen, wo die Boston Celtics ihren 18. NBA-Titel feiern und die Lakers um eine Championship überflügelt haben. "In der nächsten Saison könnte und sollte NBA-Geschichte geschrieben werden, und zwar in einem Lakers-Jersey", freute sich General Manager Rob Pelinka.
Die Schlagzeilen sind geschrieben, die Strahlkraft im kommenden Jahr wird enorm sein. Schon in der Summer League, die Mitte Juli in Las Vegas beginnt. Die übrigen Picks am Donnerstag, die Tatsache, dass 15 der 28 Picks teilweise mehrfach getradet wurden, das interessierte kaum einen mehr. Wieder einmal schaute die gesamte Basketball-Welt auf die Lakers.
Sportlich wird man das größte Ziel erreicht haben, LeBron James weiter im Team zu halten. Was Bronny in dieser Hinsicht beitragen kann, ist da nur ein Bonus. Einen 55. Pick, spät in der 2. Runde, ist das allemal wert. Dass sich Zweitrundenpicks überhaupt durchsetzen, ist eher Ausnahme denn Regel, insofern war der Pick ein minimales Risiko.
Es wird nun am neuen Head Coach J.J. Redick liegen, Bronny optimal zu nutzen, bzw. ihm gemeinsame Minuten mit dem Vater zu verschaffen. Die Lakers sind immer noch ein selbsternannter Titelanwärter, da gibt es keine Spielzeit zu verschenken.
Mit Sicherheit wird es den einen oder anderen Aufenthalt in der G-League für Bronny geben, das beruhigt die Sache etwas. Und Redick pflegt ein exzellentes Verhältnis zu LeBron, eine Meuterei wird es so schnell also nicht geben. Trotzdem ist das auf Redick gerichtete Brennglas durch diesen Draft-Pick noch etwas näher herangerückt - den Lakers steht eine heiße Saison bevor.
Bronny James zu den Lakers: Klutch gibt den Ton an
Für die NBA an sich ist Bronny James bei den Lakers ebenfalls ein großer Moment, den sie PR-taktisch so gut wie möglich ausschlachten wird. Vater und Sohn gemeinsam im Einsatz, das hat es im Baseball und Eishockey bereits gegeben, endlich konnte man in dieser Hinsicht nachziehen.
Was Commissioner Adam Silver am 2. Draft-Tag eher weniger gefallen haben könnte, war der schonungslose Blick darauf, wie sehr die Franchises mittlerweile unter der Fuchtel mächtiger Berateragenturen stehen. Das wurde im Verlauf der ESPN-Übertragung deutlich. Da nämlich rückte der 55. Pick der Lakers immer näher, aber jegliche Spannung, ob nicht vielleicht doch ein anderes Team vorher zuschnappen würde, hatte sich längst erledigt. Etwa die Celtics an 54. Stelle, die die Lakers und LeBron dann quasi "erpressen" und zu einem Trade zwingen könnten.
Erkenntnisse zum Draft: Wen interessiert schon die College-Karriere?
Nichts da. Bob Myers, langjähriger GM und Meistermacher der Warriors, gewährte zusammen mit Newsbreaker Adrian Wojnarowski einen Blick hinter die Kulissen. "In diesem Moment ruft Rich Paul Teams an und sagt ihnen: Draftet Bronny nicht, sonst spielt er in Australien", verriet Myers. Alle Teams, außer natürlich die Lakers.
Und bei der Konkurrenz wird selbstverständlich gespurt, denn: "Man will den Pick nicht verschwenden und keinen Spieler draften, der gar nicht kommen will. Und diese bestimmte Berater-Agentur vertritt auch noch viele andere Spieler. All das spielt ebenfalls eine Rolle." Heißt: "Als mächtiger Berater kann man manche Dinge vorschreiben."
Gemeint ist in diesem Fall natürlich Klutch Sports, gegründet von LeBrons engem Vertrauten Rich Paul. Der hat sich im letzten Jahrzehnt zum Big Player auf dem Beratermarkt aufgeschwungen - und demonstrierte seine Macht schon im Vorfeld des Drafts. Da spielte er die Idee noch herunter, dass LeBron unbedingt mit seinem Sohn spielen wolle. Offenbarte aber fast nebenbei: "Es gibt keine Absprache, dass LeBron verlängert, wenn die Lakers Bronny an 55. Stelle draften. Wenn das so wäre, würde ich sie dazu zwingen, ihn an Nummer 17 auszuwählen."
Ist es so einfach? Tatsächlich spielen die großen Agenturen - neben Klutch gibt es z.B. auch noch CAA oder Wasserman - eine riesige Rolle im Hintergrund, wenn es darum geht, welcher Spieler am Ende wo landet. Zumal sie nicht nur die Stars vertreten, sondern auch Head Coaches oder sogar Journalisten: ein riesiger Interessenskonflikt.
Dass die Berater die bestmögliche Situation für ihren Spieler suchen und dabei alle möglichen Hebel in Bewegung setzen, ist natürlich legitim. Und natürlich können die Teams auch gegen ihren Willen handeln. Aber es ist Fakt, dass Entscheidungen längst nicht mehr nur aus sportlichen Beweggründen getroffen werden.
Bronny James zu den Lakers: Der harte Teil kommt erst noch
Die Frage, ob ein anderes Team den "Spieler" Bronny James gerne gedraftet hätte, ist dabei eine ganz andere. Es war darüber spekuliert worden, dass es ja eine Franchise versuchen könne, um LeBron aus Los Angeles wegzulocken und so im "Zwei zum Preis von einem"-Paket zu bekommen. Daraus wurde nichts, wahrscheinlich war es auch nie eine ernsthafte Option. Aber man hätte Bronny ja auch aus sportlicher Sicht draften können. Oder?
Das ist die große Frage, die im Vorfeld gar nicht so leicht zu beantworten war. Dementsprechend fluktuierte der Status des 19-Jährigen in den Mock Drafts der vergangenen Monate, vom Erstrundenpick bis zum ungedrafteten Free Agent war alles dabei. Ein Grund war auch der angeborene Herzfehler, der bei Bronny im vergangenen Jahr diagnostiziert worden war, und der seine College-Karriere auf nur 25 Spiele beschränkte.
Klar ist: Ein Supertalent im Stile seines Vaters ist er längst nicht. Bronny ist kleiner, schmächtiger und weniger talentiert, zudem auf seinen Guard-Positionen weder ein exzellenter Dribbler noch ein guter Schütze. Was er mitbringt, ist die richtige Einstellung, ein gutes Auge und der vielbeschworene "Basketball-IQ", zweifellos über die Jahre auch geschult durch den Vater. "Er ist defensiv sehr gut", lobte zudem Lakers-Star Anthony Davis bei ESPN: "Er kann das Spiel gut lesen, ist ein richtig guter Spielmacher. Natürlich ist der Druck groß, aber ich glaube, dass er gut zurechtkommen wird."
Als Almosen oder klassischen Fall von Nepotismus wollte Bronny selbst seine mögliche NBA-Karriere natürlich nicht sehen. "Das ist ein seriöses Geschäft. Mich einfach nur wegen meines Vaters zu draften, das würde ein GM gar nicht erlauben", betonte er beim Draft Combine im Mai. "Ich habe die nötige Arbeit investiert und werde aufgrund meiner Stärken als Spieler und Mensch gedraftet werden."
Das darf man sicherlich bezweifeln, gerade wenn man sich anschaut, an welchen Stellschrauben Klutch vor und im Draft gedreht hat. Andererseits steckt in Bronny durchaus ein potenziell guter Basketballer, der es auch in der NBA schaffen kann. Es ist auch nicht so, als wären Spieler mit ähnlichem Profil noch nie zuvor gedraftet worden. Spielerisch seien Jrue Holiday, Derrick White oder Davion Mitchell seine Vorbilder, verriet Bronny. Gerade die beiden Celtics-Guards wären mit Sicherheit der Best Case, was seine Karriere angeht.
Es liegt nun an ihm selbst, sich in einer sehr komplexen Situation zurechtzufinden. Einerseits hat er mit seinem Vater den perfekten Ansprechpartner und Mentor um sich herum, andererseits wird der Druck unglaublich groß sein und der Blick der Öffentlichkeit entsprechend kritisch. Bei seinem ersten NBA-Vertrag hat der berühmte Nachname zweifelsohne geholfen. Den zweiten wird er sich selbst erarbeiten müssen.
NBA Draft 2024: Alle Picks der 2. Runde im Überblick
Pick | Team | Spieler |
31. | Toronto Raptors | Jonathan Mogbo |
32. | Utah Jazz | Kyle Filipowski |
33. | Milwaukee Bucks | Tyler Smith |
34. | New York Knicks | Tyler Kolek |
35. | Indiana Pacers | Johnny Furphy |
36. | San Antonio Spurs | Juan Nunez |
37. | Detroit Pistons | Bobi Klintman |
38. | Oklahoma City Thunder | Ajay Mitchell |
39. | Memphis Grizzlies | Jaylen Wells |
40. | Phoenix Suns | Oso Ighodaro |
41. | Philadelphia 76ers | Adem Bona |
42. | Charlotte Hornets | KJ Simpson |
43. | Atlanta Hawks | Nikola Djurisic |
44. | Miami Heat | Pelle Larsson |
45. | Toronto Raptors | Jamal Shead |
46. | LA Clippers | Cam Christie |
47. | New Orleans Pelicans | Antonio Reeves |
48. | San Antonio Spurs | Harrison Ingram |
49. | Indiana Pacers | Tristen Newton |
50. | Indiana Pacers | Enrique Freeman |
51. | New York Knicks | Melvin Ajinca |
52. | Portland Trail Blazers | Quinten Post |
53. | Memphis Grizzlies | Cam Spencer |
54. | Boston Celtics | Anton Watson |
55. | Los Angeles Lakers | Bronny James |
56. | New York Knicks | Kevin McCullar Jr. |
57. | Toronto Raptors | Ulrich Chomche |
58. | New York Knicks | Ariel Hukporti |