Es dürfte der unrühmliche Höhepunkt einer bisher verkorksten Saison der Wolves gewesen sein. Im zweiten Viertel gegen die Phoenix Suns verteidigten die Mannen von Coach Chris Finch plötzlich nur noch mit vier Spielern, weil D'Angelo Russell komplett verpennte, dass er für Taurean Prince zwischen zwei Freiwürfen eingewechselt werden sollte.
"Das ist ein Zeichen, dass diesem Team im Moment ein wenig das Selbstvertrauen und die Richtung fehlt", versuchte Finch die nicht zu erklärende Situation zu erklären. Es rumort in Minnesota, nicht erst seit dem Spiel gegen Phoenix. Schon bei der Pleite gegen die Knicks zwei Tage zuvor setzte es Pfiffe gegen die Mannschaft und ein Assistant Coach von Finch zählte das Team öffentlich im Halbzeit-Interview an.
"Wir müssen fünf Spieler finden, die alles geben wollen, vor allem in der Defense", wurde Micah Nori überraschend deutlich. "Am Ende des Tages geht es nicht um das System. Es geht um den Willen, alles zu geben. Es ist eine Schande, wenn wir nach elf Spielen schon predigen müssen, dass wir hart und mit Einsatz spielen müssen."
Inzwischen stehen die Wolves trotz eines fast schon unverschämt leichten Spielplans bei 5-7. Dabei wurden folgende Teams geschlagen: Houston, San Antonio, OKC (2x) und die Lakers. Alles Mannschaften, die schlechter als Minnesota platziert sind. Die Euphorie, die rund um das Team im Sommer herrschte, ist längst verschwunden.
Timberwolves: Edwards und der Wunsch nach Small Ball
Dabei schien diese berechtigt. Nach einer der besten Spielzeiten der Franchise-Geschichte, an deren Ende man sich eine packende Playoff-Serie mit Memphis lieferte, fädelte das neue Front Office um Tim Connelly einen schockierenden Trade ein, der den dreifachen Defensive Player of the Year Rudy Gobert in den hohen Norden brachte.
Der Preis dafür war hoch, doch mit einem Kern aus Anthony Edwards, Karl-Anthony Towns und eben Gobert wollte man sich in der Spitzengruppe der Western Conference einnisten. Noch ist nicht viel passiert, doch wie sich die Wolves dieser Tage präsentieren, stimmt nachdenklich. "Wir spielen soft", ärgerte sich Edwards nach dem Spiel gegen die Knicks und schloss sich selbst damit ein.
Es läuft noch nicht für den Shootingstar der Vorsaison, der wegen seiner Essgewohnheiten in die Schlagzeilen kam und dessen Körpersprache teilweise sehr fragwürdig wirkt. Als Beispiel dient dieses Play gegen Houston, als sich Edwards die komplette Possession mit den Händen an der Hüfte keinen Zentimeter bewegte. Es wirft Fragen auf, ob jene Draft-Berichte, die das Bild einer launischen Diva zeichneten, womöglich doch einen Funken Wahrheit in sich trugen.
Schon früh in der Saison sorgte Edwards für Wirbel, als er die neuen großen Aufstellungen in Frage stellte: "Je kleiner wir spielen, desto besser ist es für mich", meinte Edwards nach einer Niederlage gegen Utah, um aber immerhin nachzuschieben, dass er mit der Zeit Lösungen finden werde, auch an der Seite von zwei Bigs zu funktionieren.
Edwards hat noch nicht seinen Platz in diesem Team gefunden, es ist offensichtlich, dass er Frust schiebt. Die Leichtigkeit und seine ansteckende gute Laune scheinen abhanden gekommen zu sein. Zwar legt der 21-Jährige mit durchschnitt 22,2 Punkten bisher einen Karrierebestwert auf, doch gerade von Downtown will nicht viel gelingen, was auch an der teils fragwürdigen Wurfauswahl liegt. Der Antman will es erzwingen, durch die Neustrukturierung des Teams sind auch seine Touches gesunken. Seine Qualitäten als Scorer sind weiterhin gefragt, doch auch Russell, Towns und natürlich Gobert wollen involviert werden.
Timberwolves: Ein System ist noch nicht zu erkennen
Es wäre zu viel verlangt, dass das Küken in diesem Experiment vorangeht. Dafür sind schließlich andere da. Ex-All-Star Russell, der eine fürchterliche Saison spielt, scheint mit der Aufgabe, für Ordnung zu sorgen, überfordert. Die Starting Five hat ein negatives Net-Rating von -6,2 in 152 Minuten, stattdessen liegt es meist an den Reservisten, die Kohlen aus dem Feuer zu holen.
In der Hälfte aller Spiele lagen die Wolves nun mindestens mit 18 Zählern hinten, mit dieser Ansammlung an Talent ein mittelschwerer Skandal. "Wir suchen noch nach unserer Identität", musste Finch feststellen. "Jedes Team ist anders und was wir letzte Saison geschafft haben, ist nun nichts mehr wert."
Startschwierigkeiten waren zu erwarten, doch dass es so holprig werden würde, ist erschreckend. Es werden tonnenweise schlechte Würfe genommen, der Ball läuft nicht gut durch die eigenen Reihen. Ebenfalls auffällig: Trotz dieses enorm athletischen Teams erarbeiten sich die Wolves viel zu selten leichte Transition-Punkte und verzetteln sich häufig in ihren Sets.
"Wir spielen Basketball als Team, wir teilen den Ball", schrie Suns-Star Devin Booker während der Partie in Richtung der Wolves und er hat einen Punkt. Minnesota hat noch keinen Weg gefunden, alle Mäuler zu stopfen. Hinderlich war dabei auch die Vorbereitung, in welcher Towns wegen eines Infekts nur ein Spiel bestritt und Gobert nach der EuroBasket langsam herangeführt werden musste.
Timberwolves: Twin Towers noch nicht abgestimmt
So muss der Rhythmus mit den Spielen kommen, Rückschläge sind die Folge. Das gilt auch für die Defense, die zwar mit Gobert an Profil gewonnen hat, dafür aber mit Patrick Beverley den emotionalen Leader sowie mit Jarred Vanderbilt den Mann für Spezialaufgaben verloren hat. Russells defensive Limitierungen sind bekannt, aber auch Edwards ruft nicht das ab, was er in den Playoffs präsentierte.
Platz 10 ligaweit ist zwar für die Wolves in Ordnung, aber gefühlt ist deutlich mehr drin. Sobald Gobert das Feld verlässt, brechen alle Dämme, dafür läuft es dann offensiv umso besser. Es sind meist die Minuten, in denen Towns als Center agiert und nicht nur am Perimeter steht. Es bringt gleichzeitig andere Hürden mit, da KAT defensiv weiterhin ein dickes Minus ist.
Dabei geht es nicht nur um seine Probleme, auf dem Flügel zu verteidigen (es ist erstaunlich, wie oft er abseits des Balles seinen Gegenspieler vergisst), sondern auch seine Fähigkeiten am Ring. Auch mit bald 27 Jahren bleibt der einst hochgelobte Towns den Beweis schuldig, dass er zumindest respektabel verteidigen kann.
Timberwolves: Die bösen Geister von Jimmy Butler
Im Vorjahr konnten die Wolves das noch mit einer hohen aggressiven Defense kaschieren, in dieser Saison klappt das in den Minuten ohne Gobert selten. Dieser Twitter-Thread zeigt es recht gut. Mit dem Franzosen wird hingegen viel Drop Defense gespielt, so wie es Gobert aus Utah kennt und wie er am besten eingesetzt wird.
Gleichzeitig ist es spürbar, dass Minnesota Gobert Touches verschaffen möchte, wirklich glücklich sieht das oft nicht aus. Auch dies gehört zum Stotterstart der Wolves dazu. Immerhin: Viel schlechter kann es nicht werden, auch wenn schon nach wenigen Wochen im beschaulichen Minneapolis dunkle Wolken über der Franchise schweben. Es sind nicht nur die Niederlagen, sondern das "Wie" und die Kommentare rund um die Spiele, die etwas stutzig machen. "Wir müssen Lineups finden, in denen alle hart spielen und sich aufopfern", fordert Finch. "Es ist jetzt an mir, Lösungen zu finden, damit wir besser werden."
Dennoch ist man sich bewusst, dass die Wolves auf eine Situation wie 2017 zusteuern könnten, als nach dem Trade für Jimmy Butler ebenfalls große Euphorie vorherrschte. "Ich kenne das. Die Erwartungen sind hoch und dann leisten wir uns solche Ausrutscher", merkte KAT an. "Immer das Gleiche, aber wir müssen die Ruhe bewahren. Wir haben Talent und müssen es nun zusammen schaffen. Ihr werdet schon noch das Team sehen, welches im Sommer so gehyped wurde."
Immerhin: Mit Butler waren die Wolves ein Spitzenteam, bevor das Kartenhaus durch eine Verletzung und den folgenden Trade-Wunsch auseinander fiel. Für den Moment sind die Wolves aber vom Status eines Topteams meilenweit entfernt.
Minnesota Timberwolves: Die kommenden Spiele
Datum | Uhrzeit | Gegner | Ort |
12. November | 3.30 Uhr | Memphis Grizzlies | A |
14. November | 0 Uhr | Cleveland Cavaliers | A |
17. November | 1 Uhr | Orlando Magic | A |
20. November | 1.30 Uhr | Philadelphia 76ers | A |
22. November | 2 Uhr | Miami Heat | H |