"Plötzlich wurde ich vom Good Guy zum Teufel. Ihr könnt das nicht verstehen. Ich wünsche es keinem, das durchzumachen, was ich durchgemacht habe." In einem bemerkenswerten Feature von Sports Illustrated blickte ein äußerst aufgeräumter Dwight Howard 2017 auf seine Laufbahn zurück und versuchte eine Frage zu beantworten: Was ist nur aus dem Superman geworden, der zwischen 2007 und 2012 der dominante Spieler auf der Center-Position war?
Eine einfache Antwort darauf gibt es nicht, aber viele Ansätze, die ein Bild von einem Sportler zeichnen, dem all die Dinge, die während seiner Zeit in der NBA auf ihn hereinprasselten, über den Kopf wuchsen. Vor allem, weil sein tiefer Glaube ihn zuvor vor der weiten und ach so gefährlichen Welt beschützt hatte. Und diese Versäumnisse mussten später aufgeholt werden.
Die Jugend von Howard war geprägt von Bibelstunden, Kirchenbesuchen in der Fellowship of Faith in East Point/Georgia und Gebeten. Von seinen Eltern wurde er in eine Privatschule, die Southwest Atlanta Christian Academy geschickt, dort erzählte er seinen Altersgenossen stolz, dass er als NBA-Spieler dafür sorgen wird, dass die Silhouette im NBA-Logo mit einem übergroßen Kreuz erweitert wird.
Zumindest die Sache mit dem NBA-Spieler sollte überhaupt kein Problem sein: Auch dank seiner Körpergröße von weit über zwei Metern bereits in der neunten Klasse, kombiniert mit einer beeindruckenden Schnelligkeit, dominierte er die Gegenspieler. Als Senior an der High School legte er beim Gewinn der Staatsmeisterschaft 25 und 18 auf, beim McDonald's All-American 2004 wurde er gemeinsam mit J.R. Smith zum Co-MVP gewählt, Orlando griff an Eins zu.
"Dein Auftrag ist es, den Basketball als Plattform für Gottes Ruhm zu verwenden", gab der Pastor in der Fellowship of Faith Howard in frühen Jahren mit auf den Weg - eine Haltung, durch die der Übergang in die beste Basketballliga der Welt einem Kulturschock gleich kam. So luden die gestandenen NBA-Spieler Tony Battie und Steve Francis Howard nur ein einziges Mal in einen Club ein, nachdem er ihnen zuvor berichtet hatte, dass Gott im Badezimmer zu ihm gesprochen hat. Sie hatten Angst, sie würden ihn verderben.
Dwight Howard: 2008 stand er noch über LeBron
Howard, als Rookie nach eigener Aussage noch Jungfrau, wandelte seine Isolation und seinen Ärger in Energie um, verbrachte unzählige Stunden im Kraftraum und entwickelte sich zu jenem Spieler, den die Magic-Fans am liebsten für immer in Erinnerung behalten hätten: Double-Double-Maschine, Abo-All-Star, bester Verteidiger der Liga, spektakulärer Dunker und vor allem derjenige, der Orlando 2009 in die Finals führte.
2008 hatte Howard mehr Werbeverträge als LeBron James, der in der Folge schnell zu DEM Gesicht der Liga werden sollte. 2012 sammelte Howard 3,1 Millionen All-Star-Votes, ein Rekord, der erst 2019 von eben jenem James gebrochen werden sollte. Und mit welchem Spieler sollte eine Franchise laut einer GM-Umfrage von NBA.com 2009 einen Neuaufbau starten? Platz 1: LeBron, Platz 2: Howard.
Einen genauen Zeitpunkt, an dem das "echte" Leben abseits des Glaubens Howard einholte, kann er nicht nennen: "Ich kam aus einer kleinen Box, in der mich jeder vor der großen Welt schützen wollte. Aber als ich sie endlich betreten hatte und mich umschaute, wollte ich alles erleben." Dementsprechend fällt seine Antwort auf die Frage, ob er den Rat seines Pastors befolgte, mit "Ja und Nein" aus.
Dwight Howard: "Ich habe mich geschämt"
Schon in Magic-Tagen hatte er mit der Cheerleaderin Royce Reed einen unehelichen Sohn (es sollten vier Kinder mit vier unterschiedlichen Frauen in sechs Jahren folgen), was zu einem handfesten Streit mit seinen strenggläubigen Eltern führte. "Ich war bereit dafür, alles auszuprobieren. Ich hatte so viel über diese Stripclus gehört, also lasst uns feiern wie die älteren Jungs. Du bist jung, du bist im Fernsehen und all diese wunderschönen Frauen kommen zu dir."
Nach der Geburt von Kind Nummer eins habe er sich "geschämt, weil ich so viel darüber gesprochen hatte, ein Christ zu sein, meinen Glauben der gesamten Welt offenbarte - und hier stand ich plötzlich, mit einem unehelichen Kind". Seine Eltern hätten über ihn geurteilt, er habe sich gefühlt, "als sollte ich mich nicht einmal mehr in der Öffentlichkeit aufhalten, weil mich jeder als Heuchler gesehen hat". Was er dachte? "Ich brauche die Beziehung zu Gott nicht mehr. Und das hat jede Menge Schmerz verursacht."
Hinzu kam, dass er viele Millionen verlor, da er von Freunden und Arbeitskollegen ausgenutzt wurde. Eine sechsstellige Summe für eine Limousine oder eine siebenstellige für einen Privatjet - keine Seltenheit. "Sie wussten: Dwight ist abgelenkt, er passt nicht auf. Daraus können wir Profit ziehen. Was ich daraus gelernt habe: Was du neben dem Feld machst, wirkt sich auf das aus, was du auf dem Feld tust. Ich habe mein Selbstvertrauen verloren."