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NBA-Kolumne Above the Break: Enttäuschende Playoffs? In einer Hinsicht ist Warriors-Star Stephen Curry besser denn je

Stephen Curry spielt nur auf den ersten Blick keine herausragenden Playoffs.
© getty
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Es wirkt bisweilen tatsächlich so, als würde Curry etwas Energie konservieren. In den ersten beiden Serien dieser Postseason war zu Beginn sogar Jordan Poole der aggressivste Warrior, Denver änderte bisweilen sogar seine Coverage und machte den 22-Jährigen zeitweise zur obersten Priorität der Defense.

Das kennt man in Golden State eigentlich nur aus den Zeiten mit Kevin Durant, aber Poole (18 PPG bei 67 Prozent True Shooting in den Playoffs) hat sich diesen Respekt durchaus erarbeitet. Curry hingegen begann etwas geduldiger (gegen Denver zunächst ja sogar als Bankspieler) und schlug erst dann zu, wenn es nötig war.

Etwa mit dem besagten Matchup-Hunting: Erst im vierten Viertel wurde reihenweise Nikola Jokic attackiert, und später Morant. Gegen Doncic änderte sich dieser Ansatz etwas, aber das Grundprinzip blieb häufig gleich: Erstmal waren andere an der Reihe, dann Curry, der nach Morant (8,4) die zweitmeisten Punkte im vierten Viertel (8,1) in dieser Postseason erzielt hat.

Stephen Curry: Die Gravity bleibt einzigartig

Teilweise musste er auch gar nicht groß als Scorer eingreifen. Im Prinzip ist dies ja das Schöne an der Dubs-Offense beziehungsweise ihrem gesamten Konzept: Die anderen dürfen, sie sollen sogar. Poole kann ein Spiel gewinnen, Klay Thompson sowieso, Wiggins und Kevon Looney (!) haben es in diesen Playoffs auch schon getan.

Sie alle leben in dem Ökosystem, das vor allem Curry (unter eifriger Mitarbeit von Green, Thompson und einigen anderen) über all die Jahre kreiert hat. Jeder Warriors-Spieler profitiert davon, wieder und wieder. Wir haben Currys Gravity über die Jahre schon einige Male thematisiert, deswegen hier nur in Kürze - aber es bleibt aktuell. Siehe hier:

Die Bewegung ohne Ball sorgt für die Lücken.
© nba.com/stats
Die Bewegung ohne Ball sorgt für die Lücken.

Curry bekommt für diese Szene nicht einmal einen Hockey-Assist. Doch es ist sein Cut, der die Lücke in die Defense reißt, welche Thompson dann ausnutzt. Es ist diese ständige Bewegung, die Curry so schwer zu verteidigen macht, weil er die Defense eben auch ohne Ball permanent weiter beschäftigt und unter Druck setzt.

Kein Spieler der NBA-Geschichte wurde ohne Ball so verteidigt wie Curry - als Resultat gibt es in jedem Spiel unzählige dieser Plays und als weiteres Resultat wird sein Wert nie komplett durch Zahlen auszudrücken sein. Am ehesten durch das Offensiv-Rating, wenn er auf dem Court steht. Und es hat seine Gründe, dass er hier seit zehn Jahren immer mindestens im 89. Perzentil (zumeist noch höher) rangiert.

Stephen Curry: Sein Impact auf die Warriors-Offense

SaisonOn/Off-Differenz OffensivPerzentil
12/13+10,498
13/14+15,2100
14/15+12,799
15/16+14100
16/17+18,4100
17/18+15,1100
18/19+10,999
20/21*+15,299
21/22+5,889

*Saison 19/20 nicht dabei, da verletzt nur 5 Spiele absolviert.

NBA Finals: Wie verteidigen die Celtics gegen Curry?

Vereinfacht gesagt: Da Curry diese Komponente hat, die ihm einzigartig ist, ist jede Analyse a la "eigentlich spielt er nicht so gut" immer mit einer gewissen Vorsicht zu genießen. Selbst mit "nur" 38 Prozent von Downtown wird er noch verteidigt wie niemand sonst, deswegen ist auch sein Wert eben größer als der eines gewöhnlichen 26-PPG-Scorers.

Es ist seit Jahren eine enorme Herausforderung für jede Defense, eine Lösung darauf zu finden, wie Curry das Spiel mit und ohne Ball beeinflusst. Wenige Teams in dieser Zeit schienen dafür so prädestiniert zu sein wie diese Celtics, die defensiv quasi keine Angriffsfläche bieten und in Marcus Smart und Derrick White zwei designierte Kettenhunde für ihn haben, die vielleicht sogar wagen könnten (?), ihn in Single Coverage zu verteidigen.

Es wird faszinierend zu sehen, wie die Celtics Curry begegnen. Boston schaffte es gegen Miami sehr gut, das Movement durch viel Switching und auch exzellente Screen Navigation zu nehmen, aber die Warriors stellen durch ihr Shooting hier noch eine andere Herausforderung dar. Es ist kein Zufall, dass die Warriors die beste Offense dieser Postseason stellen.

Wann zeigt sich Supernova-Steph?

Alles kann man dieser Offense nicht nehmen - aber manches wohl schon. Die Celtics haben tatsächlich sechs ihrer letzten sieben Spiele gegen Golden State gewonnen, auch wenn man dazu sagen muss, dass beide Teams in den letzten Jahren etliche verschiedene Iterationen durchlaufen haben.

Curry wiederum hat in seinen letzten drei kompletten Spielen gegen Boston (im vierten verletzte er sich nach kurzer Zeit) 38, 47 und 30 Punkte aufgelegt - ausgeschaltet wurde auch er also nicht. Es wird sich nun zeigen, ob er vielleicht tatsächlich noch etwas Energie aufgespart hat, ob er noch einen weiteren Gang hochschalten kann.

Ob aus dem überragenden Offensivspieler Curry noch immer Supernova-Steph werden kann. Es ist gut möglich, dass die Warriors dies brauchen werden gegen eine Defense, die vor allem im Halbfeld bisher kaum zu knacken war. Und, das ist bei allem Lob natürlich schon richtig: Die klassische Steph-Explosion mit 10 Dreiern in einem Spiel steht in dieser Postseason tatsächlich noch aus.

Stephen Curry: Ein Award fehlt noch ...

Apropos steht aus: Curry hat fast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt, mehrfach. Was ihm noch fehlt, ist der Finals-MVP - den er 2015 schon hätte gewinnen sollen. Damals ging der Award an einen exzellenten Rollenspieler in Andre Iguodala, nicht an den Superstar des Teams, dessen Impact vielleicht noch nicht endgültig "verstanden" wurde.

Auch in diesem Jahr gibt es mehrere Kandidaten bei den Dubs, die ihm den Award mit einer guten Serie (falls sie gewinnen, natürlich!) streitig machen könnten - aber das Unverständnis von damals kann es mittlerweile eigentlich nicht mehr geben. Im Erfolgsfall wäre der Dreier-Rekord für Curry am Ende nicht der wichtigste Meilenstein in dieser Saison.

Jeder weiß mittlerweile: Diese Warriors gehen so weit, wie Curry sie trägt. Er ist die spezielle Zutat, die ein gutes Team besonders macht, das Fundament dieser wiederauferstandenen Dynastie, der Tim Duncan unter den Guards. Dafür muss er nicht einmal unbedingt den Ball berühren. Und manchmal kann er sogar defensiv den Unterschied machen.

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