Eine Saison, die es irgendwie schaffte, gleichzeitig unheimlich kurz und trotzdem überwältigend voll und ereignisreich zu wirken, steht kurz vor ihrem Ende. Bevor es kommende Woche mit dem Play-In-Turnier und dann auch direkt den Playoffs weitergeht (wer braucht schon Pausen dazwischen?), ist es also Zeit für eine in dieser Saison sehr schwierige Aufgabe: Die Benennung der All-NBA Teams.
Mehrere Faktoren machen es diesmal besonders komplex. Zum einen ist da im positiven Sinn die unheimliche Talent-Dichte in der NBA - wie schon bei den All-Star-Teams gibt es so viele statistisch qualifizierte und würdige Kandidaten, dass man um Erbsenzählerei nicht herumkommt, wenn man eine Auswahl treffen will. Es sind eben nur 15 Plätze, die vergeben werden dürfen.
Und diese sind nicht ohne Konsequenzen. All-NBA ist nicht nur wichtig für die Reputation, sondern auch für die Verträge etlicher Spieler, die entsprechende Klauseln in ihren Verträgen verankert haben oder sich dafür qualifizieren wollen. Luka Doncic etwa kann mit einer zweiten All-NBA-Nominierung nach 2020 eine vorzeitige Vertragsverlängerung über mehr als 33 Extra-Millionen unterzeichnen.
Jayson Tatum, Bam Adebayo und Donovan Mitchell haben ihre Verträge schon in der vergangenen Saison unterzeichnet; sollten sie jetzt All-NBA-Nominierungen erhalten, werden aus ihren 163-Millionen-Dollar-Verträgen automatisch 195,6-Mio.-Dollar-Verträge.
Hinzu kommen die vielen Ausfälle. All-NBA-Dauerbrenner wie LeBron James, James Harden, Kevin Durant und einige andere haben teilweise ein Drittel der Saison oder mehr verpasst, in dieser Zeit aber auf sehr hohem Niveau abgeliefert. Wo zieht man die Grenze? Es ist den Wählern selbst überlassen, da die NBA ähnlich wie beim MVP so wenige Vorgaben wie möglich gibt.
Eine Vorgabe gibt es aber doch, und die wirkt zunehmend aus der Zeit gefallen: Seit den 50er Jahren werden jeweils zwei Guards, zwei Forwards und ein Center pro Team gewählt, obwohl das Spiel zunehmend positionslos wird. Statt dies einfach aufzubrechen und zu sagen, dass die 15 besten Spieler der Saison gewählt werden sollen (oder von Guards, Wings und Bigs zu sprechen), gibt es nun andere Kompromisse.
Joel Embiid und Nikola Jokic etwa sind nicht nur als Center, sondern auch als Forwards wählbar, was offensichtlich Unsinn ist. Embiid stand vielleicht aus Versehen mal zehn Minuten neben Dwight Howard auf dem Court, das macht ihn nicht zum Forward. Jokic müsste, wenn überhaupt, eher als Guard denn als Forward wählbar sein.
In diesem (nicht offiziellen) Stimmzettel lautet die Entscheidung: Spieler werden für die Position gewählt, auf der sie mehrheitlich wirklich spielen. Auch wenn es trotzdem besser wäre, wenn wir bei der Analyse grundsätzlich das veraltete Thema "Positionen" ausblenden würden. Vielleicht ja im nächsten Jahr!
ALL-NBA FIRST TEAM 2020/21
Guard | Guard | Forward | Forward | Center |
Stephen Curry | Luka Doncic | Giannis Antetokounmpo | Kawhi Leonard | Nikola Jokic |
Es gibt wenigstens drei Spieler, an denen man nicht vorbeikommt. Zunächst ist da Jokic zu nennen, der sowohl im MVP-Rennen als auch bei den All-NBA Teams den entscheidenden Vorteil gegenüber Embiid hat, dass er seinem Team immer zur Verfügung stand. Stand jetzt sind es fast 900 Minuten mehr, die Jokic absolviert hat. Pro Minute war Embiid vielleicht etwas besser, der Unterschied war jedoch nicht so groß wie diese Differenz.
Lock Nr. 2 ist Curry, zu dem an dieser Stelle alles gesagt wurde. Es gibt keinen Spieler, der diese Saison so stark geprägt und in gewissen Phasen auch gerettet hat.
Nicht verhandelbar ist außerdem Giannis. Der Grieche hat die personellen wie strukturellen Veränderungen bei den Bucks mitgemacht und dabei kaum an seiner individuellen Dominanz eingebüßt, ist sogar etwas effizienter als im Vorjahr. Defensiv hat kaum jemand einen vergleichbaren Impact. Er hat zehn Spiele verpasst, was für seine Verhältnisse viel, für die Verhältnisse dieser Saison aber wenig ist.
Und dann wird es schon deutlich komplizierter. Beginnen wir mit den Guards: Hier gibt es zwischen Doncic, Paul und Lillard ein Dreierrennen um den Platz neben Curry.
Für Lillard spricht, dass er sein Team über Wochen und Monate auf Kurs gehalten hat, als seine Co-Stars ausfielen, seine Heldentaten in der Crunchtime sind wohldokumentiert. Lillard hatte im April einen Durchhänger (23 PPG bei 54,1 Prozent True Shooting), das scheint aber überwunden (im Mai: 33 bei 73,8 Prozent ...).
Doncic ist das Alpha und Omega bei den Mavs, die ähnlich wie Portland unfassbar viele Ausfälle zu überwinden hatten. Neben ihm haben nur Jalen Brunson, Tim Hardaway und Trey Burke die 60-Spiele-Marke gerissen, sein Co-Star Kristaps Porzingis hat 28 Spiele verpasst. Kaum ein Team ist offensiv so sehr von einem Spieler abhängig. Zum dritten Mal in Folge rangiert Luka im 100. Perzentil bei der Usage-Rate, zum zweiten Mal tut er dies auch bei der Assist Percentage. In seinen Minuten ist Dallas' Offense um 8,5 Punkte besser, das ist ein noch deutlich größerer Unterschied als in der Vorsaison.
Lillard, Doncic oder Paul? Der Dreikampf im First Team
Wie gesund das ist? Das müssen die Mavs klären. Für den Moment ist festzuhalten, dass Doncic überwiegend herausragend damit umgeht. Er ist etwas effizienter als im Vorjahr, da vor allem der Dreier langsam kommt, defensiv hat er einen großen Schritt gemacht.
Paul sticht aus diesem Trio heraus - seine Zahlen sind wesentlich leiser, sein Team dafür deutlich besser. Der Point God hat aus einem notorischen Verlierer-Team in Phoenix, das vergangene Saison so langsam die Kurve zu kriegen schien, im Handumdrehen einen Contender gemacht.
Sein Impact geht weit über die Zahlen hinaus, seine Fingerabdrücke sind bei den Suns überall zu finden. Phoenix spielt langsam, clever, methodisch, und nahezu der gesamte Kader hat sich positiv entwickelt. Er bleibt auch mit 35 einer der besten Verteidiger auf der Eins und einer der besten Leader im Sport - und hat zwei Jahre, nachdem ihn Houston auch wegen Verletzungssorgen nach OKC verscherbelte, ausgerechnet in dieser Saison nur ein einziges Spiel verpasst.
Warum also Doncic? Seine tatsächliche Arbeitslast ist im Vergleich zu Paul ungleich höher, der Schwierigkeitsgrad war es in dieser Saison ebenfalls. Statistisch sind beide kaum miteinander vergleichbar, weil Doncic so viel mehr tun muss - und tut.
Im Vergleich zu Lillard hat Doncic einen größeren defensiven Impact, während sie sich offensiv nicht wahnsinnig viel nehmen. Doncic hat bei der effektiven Wurfquote minimale Vorteile, dazu ist sein Playmaking bei offensiv schwächeren Teammates noch etwas wertvoller. Man macht hier mit Lillard oder CP3 aber auch nichts falsch.
Ähnlich verhält es sich beim zweiten Forward-Spot. Leonard bewegte sich auf den Lock-Status zu, hat mit einer Fußverletzung mittlerweile aber auch wieder fast 20 Spiele verpasst. Seit seiner Rückkehr ist die Effizienz nicht ganz auf dem vorigen Niveau, weshalb er hier nur mit Bleistift notiert wird - zwei Forwards könnten ihn vielleicht noch überholen (siehe Second Team). Unterm Strich gibt es an seiner Spielzeit (Career-Highs bei Assists und True Shooting) aber sehr wenig auszusetzen.