Anmerkung der Redaktion: Dieses Feature wurde ursprünglich bereits im Jahr 2020 veröffentlicht.
In New Orleans, Louisiana, ging 1982 der Stern von Michael Jordan auf. Der damalige Freshman entschied für North Carolina das NCAA-Championship-Game mit einem butterweichen Sprungwurf. Aus Mike Jordan wurde Michael Jordan, wie die Bulls-Legende es selbst in der Doku "The Last Dance" beschrieb.
Unter den Zuschauern befand sich auch ein gewisser Sonny Vaccaro, damals Vertreter von Nike, unter anderem Ausrüster von Georgetown. Vaccaro war begeistert von Jordan, obwohl letztlich James Worthy (später Los Angeles Lakers) den Award des Most Outstanding Players bekam.
Dennoch fühlte sich Vaccaro vor allem zu Jordan hingezogen, der athletisch war, den wichtigsten Wurf im Spiel traf und mit seinem charismatischen Lächeln die Leute um ihn herum in seinen Bann ziehen konnte. Von da an stand für Vaccaro fest: Nike braucht Michael Jordan, koste es, was es wolle.
Sonny Vaccaro: Die Aura eines Mafiosos
Mit Nike kam Vaccaro im Jahr 1977 ins Geschäft. Der damals 38-Jährige hatte zuvor sein Geld vornehmlich mit Wetten in Las Vegas verdient, nachdem sich der viermalige Familienvater von seiner Frau getrennt hatte. Zuvor arbeitete Vaccaro als Lehrer in Pennsylvania sowie Ohio und richtete auch einige hochkarätige Jugend-Turniere aus.
Nike war zu dieser Zeit keine große Nummer, der Sportartikelhersteller verdiente sein Geld vornehmlich mit Leichtathletik. Ein Agent empfahl dem Unternehmen aus Oregon aber Vaccaro, der einen Sandalen-ähnlichen Basketballschuh verkaufen wollte. Das Produkt interessierte die Bosse allerdings wenig, stattdessen faszinierte sie die Person Vaccaro.
Mit ihm schwang immer ein wenig die Aura eines Mafiosos mit, Grund genug für Nike, zunächst zu überprüfen, ob Vaccaro in rechtlichen Schwierigkeiten war. Wie sich herausstellte, besaß Vaccaro eine weiße Weste und wurde folgerichtig angestellt. Einige von Vaccaros Erlebnissen bei Nike hat Matt Damon im jüngst angelaufenen Kinofilm "Air" nachempfunden.
Sonny Vaccaro rüstet College-Teams für Nike aus
Nike wollte in die NBA investieren, wovon Vaccaro jedoch abriet. Er sah im populäreren College-Basketball mehr Potenzial und sollte damit Recht behalten. Das Problem war jedoch die NCAA und ihr striktes Reglement, dass Spieler keine Geschenke erhalten oder Sponsorenverträge unterzeichnen durften.
Vaccaro und Rob Strasser, Nikes Marketing-Direktor, hatten jedoch eine geniale wie simple Lösung. Nike wollte die Coaches bezahlen, während die Studenten dafür kostenlose Schuhe bekommen sollten. Ein weiteres Lockmittel waren Lehrgänge für Coaches und Spieler, die unter dem Schirm von Nike stattfinden sollten. Vaccaro sollte damit die besten Programme im Land anlocken, dafür stellte ihm Nike einen Scheck über 20.000 Dollar aus.
Innerhalb von einem Jahr hatte Nike zehn der besten Unis des Landes unter Vertrag, dazu finanzierte der Ausrüster ein hochklassiges All-Star-Turnier von High Schoolern. Es dauerte aber nicht lange, da wurde die Washington Post auf diese Masche aufmerksam, es hagelte negative Presse. Allerdings: Auch Konkurrent Converse hatte ähnliche Methoden angewendet und UNC-Coach Dean Smith bezahlt. Converse zog sich aufgrund der Schlagzeilen zurück, Vaccaro stieß dagegen in das Vakuum und hatte 1979 bereits über 50 Coaches am Haken.
Nike war mit dieser Strategie ein Coup gelungen und fühlte sich spätestens dann bestätigt, als Sport's Illustrated einen Spieler von Indiana State mit der Nummer 33 auf seinem Cover hatte. Sein Name: Larry Bird, sein Schuhwerk: von Nike.
Sonny Vaccaro: All-In für Michael Jordan
Mit Jordan sollte es sich aber fünf Jahre später schwieriger gestalten. Converse rüstete weiterhin Smith und North Carolinas Tar Heels aus, zudem hielt Jordan wenig von Nike und trug mit Ausnahme von Spielen stets seine bevorzugten adidas.
Nikes Verantwortliche waren jedoch nur bedingt überzeugt. Sie erteilten Vaccaro den Auftrag, mehrere junge Spieler aus dem kommenden Draft wie Charles Barkley, Hakeem Olajuwon oder John Stockton zu verpflichten, doch Vaccaro entgegnete: "Wir sollten das komplette Geld, das wir haben, in Michael investieren."
Nach einiger Zeit stimmten die Bosse zu, die zwei Millionen Dollar Budget sollten für Jordan genutzt werden. Am Rande der Olympischen Spiele in Los Angeles begannen dann die Verhandlungen mit Jordans Agenten David Falk, der nach kurzer Zeit eine einfache Idee für den Namen des möglichen Sub-Labels fand: Air Jordan.
Es war komplettes Neuland, nicht einmal NBA-Spieler hatten zu dieser Zeit einen eigenen Schuh. Doch Jordan zögerte, er wollte lieber einen Deal mit adidas. Parallel verhandelte Falk auch mit den Deutschen und Converse, aber es stellte sich schnell heraus, dass Nikes Angebot um Lichtjahre besser war. Nicht nur bot das Unternehmen mit dem Swoosh 2,5 Millionen Dollar für fünf Jahre, sondern Jordan sollte auch noch 25 Prozent des Erlöses von jedem verkauften Schuh erhalten.
Jordan war dennoch nicht überzeugt, erst auf Drängen seiner Mutter flog der gerade erst Gedraftete nach Portland zur Unterschrift, welcher auch Nike-Boss Phil Knight beiwohnte. Nach der Präsentation fragte Deloris Jordan verwundert: "Sie setzen also ihre komplette Zukunft auf eine Karte, meinen Sohn?" und Vaccaro antwortete. "Wenn Michael nicht unterschreibt, werden wir untergehen."