Jugoslawien: Dominanz in Europa
Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre bildeten die Jugoslawen mit Spielern wie Toni Kukoc, Drazen Petrovic, Vlade Divac, Dino Radja ihre wohl talentierteste Generation der Landesgeschichte. Auch auf Vereinsebene wurde der FIBA Europapokal der Landesmeister von jugoslawischen Klubs dominiert.
Kukoc etablierte sich bereits früh in seiner Karriere als Star. Mit der jugoslawischen U-19-Mannschaft gewann er 1987 die Weltmeisterschaft in Bormio und wurde zum MVP des Turniers gewählt, traf gegen Team USA unglaubliche 11 von 12 Dreier für insgesamt 37 Punkte. Im darauffolgenden Jahr war er bereits ein wichtiger Bestandteil der A-Nationalmannschaft beim Olympia-Silber in Seoul. Im selben Jahr endete das Turnier für die Amerikaner nur auf Platz drei.
Bei der WM 1990 reichte es für Kukoc und Co. dann endlich für die Goldmedaille. Im Finale traf man auf die Sowjetunion, zuvor hatte WM-MVP Kukoc im Halbfinale sein Team zum Sieg gegen eine amerikanische Truppe voll mit künftigen NBA-Spielern wie unter anderem Alonzo Mourning, Kenny Anderson oder Christian Laettner geführt.
Die Europapokalsieger aus Jugoslawien im Überblick
Saison | Europapokalsieger | Gegner | Resultat | MVP |
1985 | Cibona Zagreb | Real Madrid | 87-78 | Drazen Petrovic |
1986 | Cibona Zagreb | Zalgiris Kaunas | 84-82 | Arvydas Sabonis |
1987 | Tracer Milan | Maccabi Tel Aviv | 71-69 | Lee Johnson |
1988 | Philips Milan | Maccabi Tel Aviv | 90-84 | Bob McAdoo |
1989 | Jugoplastika Split | Maccabi Tel Aviv | 75-69 | Dino Radja |
1990 | Jugoplastika Split | FC Barcelona | 72-67 | Toni Kukoc |
1991 | Pop 84 Split | FC Barcelona | 70-65 | Toni Kukoc |
1992 | KK Partizan Belgrad | Joventut de Badalona | 71-70 | Predrag Danilovic |
Jugoslawien: Das Ende einer Ära
Eine Chance, auch dem Dream Team von 1992 Paroli zu bieten, gab es für Kukoc und Jugoslawien nicht, weil das Konglomerat diverser Kleinstaaten in einem erbitterten Bürgerkrieg versank, allerdings führten Kukoc und Petrovic die Kroaten dennoch zu Olympia-Silber und im Finale gegen die USA konnte sich Kukoc individuell rehabilitieren. Ein Jahr später folgte er dann Petrovic und Co. und wechselte tatsächlich zu den Bulls.
"Ich dachte immer über die NBA nach. Wir besiegten amerikanische und russische Nationalmannschaften", erklärte Kukoc später, warum er mit dem Schritt so lange wartete. "Wir wurden alle von NBA-Teams gedraftet. Das Problem war, dass viele Spieler keine Chancen bekamen. Die Jungs hatten Angst. Würde ich zu einem Chicago-Bulls-Team gehen, eine Meisterschaft gewinnen, aber auf der Bank sitzen und den größten Teil meiner Karriere nicht spielen?"
Vorurteile hätten damals trotz aller Erfolge immer noch eine große Rolle gespielt. "Wir waren uns sicher, wir können in der NBA spielen, aber selbst als wir hierher kamen, sagten die Leute nur: 'Die sind alle soft, spielen keine Defense und können nicht rebounden'", blickte Kukoc zurück.
Toni Kukoc verdiente sich den Respekt der Bulls
Als "The Croation Sensation" 1993 schließlich bei den Bulls aufschlug, hatte sich deren Situation dramatisch verändert: Jordan hatte sich dem Baseball gewidmet, Pippen sollte das Ruder übernehmen. Keine ganz einfache Situation, denn in den Augen des neuen Franchise Players war Kukoc immer noch "Jerry's Guy".
"Die Sache mit Krause erschwerte ihm den Anfang", sagte Jud Buechler, Bulls-Spieler zwischen 1994 und 1998. Als Rookie musste er die Koffer seiner Mitspieler tragen und ihnen Essen mitbringen, obwohl er mit 24 beileibe kein klassischer Rookie mehr war. "Ich wusste, ich muss mir meinen Respekt verdienen. Ich kam in die beste Mannschaft der Welt. Da musst du all deine Auszeichnungen und deinen Stolz bei Seite legen. Ich war OK damit", blickte Kukoc zurück.
Auch die Kritik vor allem an seiner Defense (Pippen: "Du kannst keinen Stuhl verteidigen") steckte die "Spinne von Split" weg und verdiente sich zunehmend die Anerkennung seiner Teamkollegen, denn offensiv fand er sich von Beginn an in der Liga zurecht; ein schwierigeres Matchup als Pippen UND MJ gab es in der Liga schließlich nicht.
Toni Kukoc: Die perfekte dritte Geige
In seiner zweiten Saison steigerte Kukoc seinen Punkteschnitt auf 15,7. Als schließlich 1995 Jordan sein Comeback feierte, punktete Kukoc zwar weniger, hatte jedoch trotzdem einen großen Anteil an den kommenden Erfolgen. 1995/96 wurde er zum Sixth Man of the Year, als Chicago 72 Siege holte, drei Jahre in Folge war er nach Jordan und Pippen der drittbeste Scorer beim Threepeat.
Als die Dynastie 1998 dann auseinander fiel, durfte sich auch Kukoc noch einmal als erste Option versuchen, führte Chicago bei den Punkten, Assists und Rebounds an, allerdings waren die Bulls fortan kein Top-Team mehr. Es folgten weitere Jahre in Philly, Atlanta und Milwaukee, bevor er im Jahr 2006 endgültig seine Karriere beendete. Ohne große Award-Sammlung, dafür aber mit großer Zufriedenheit.
"Ich glaube, dass ich locker 20 (Punkte), 7 (Rebounds) und 7 (Assists) hätte auflegen können, wenn ich bei einem anderen Team mit einer größeren Rolle gelandet wäre", sagte Kukoc später. "Jedoch würde ich niemals meine Zeit bei den Bulls für All-Star-Teilnahmen oder sonstiges eintauschen. Jeder Spieler würde alles dafür geben, um Teil dieser Mannschaften zu sein. Es war die beste Zeit meiner Karriere."
Toni Kukoc: Seine Karriere in Zahlen
Spiele | Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
846 | 26,3 | 11,6 | 4,2 | 3,7 | 44,7 | 33,5 |
Toni Kukoc: Ein europäischer Pionier
Tatsächlich blieb er den Bulls nicht lange fern, wurde später zum Special Advisor von Besitzer Jerry Reinsdorf. Und auch mit Pippen & Co. hat er längst seinen Frieden gemacht. "Er war ein wichtiger Spieler für uns", erkannte Pippen später an. Für seine Karriere wurde er 2017 in die FIBA Hall of Fame gewählt, dreimal war er zudem bereits für die Naismith Memorial Hall of Fame nominiert. "Ich bin definitiv der Meinung, er hat es verdient", so Pippen.
Die Argumentation dafür ist eigentlich schnell gemacht: Für seine Größe war Toni Kukoc ein exzellenter Passer, Ballhandler und vor allem Werfer. Er scheute niemals vor Drucksituationen. Der Forward hat zwar keine MVP-Awards, All-Star-Teilnahmen oder Scoring-Titel vorzuweisen, trotzdem hat er sich als einer der ersten Europäer in der NBA durchgesetzt und seinen Abdruck hinterlassen.
Er war ein Wegbereiter späterer Spieler wie Dirk Nowitzki, Pau Gasol oder Luka Doncic. Wenn über die wichtigsten ausländischen NBA-Spieler aller Zeiten diskutiert wird, darf der Name Toni Kukoc nicht fehlen.