Ein enttäuschendes Saisonende war in den vergangenen Jahren mehr Regel als Ausnahme für die Utah Jazz. Sowohl 2018 als auch 2019 machten James Harden und die Houston Rockets den Playoff-Ambitionen der Mannen aus dem Mormonenstaat einen fetten Strich durch die Rechnung - jeweils in gerade einmal fünf Spielen, teils sogar sehr deutlich.
2019/20 sollte alles anders werden. In Person von Bojan Bogdanovic angelte sich Utah einen namhaften Free Agent, per Trade sicherte man sich zudem die Dienste von Mike Conley. Mit diesen Moves katapultierte Executive Vice President Dennis Lindsey die Jazz in die Riege der größten Gewinner der Offseason - doch die Enttäuschung kam dieses Mal direkt zu Beginn der neuen Spielzeit.
In den ersten Saisonmonaten stotterte der Jazz-Motor gewaltig. Nach einer Niederlagenserie Anfang Dezember stand die Franchise bei einer Bilanz von 12-10, weit entfernt von den eigenen Ansprüchen. Gerade Conley erlebte einen alles andere als rosigen Einstand bei seinem neuen Team.
Utah Jazz: Das heißeste Team der NBA
Knapp sechs Wochen sind seit dieser Pleitenserie und einer 25-Punkte-Klatsche gegen die Lakers - der bisherige Tiefpunkt der Jazz-Saison - vergangen. Sechs Wochen, in denen die Jazz ihre Saison in beeindruckender Manier auf den Kopf gestellt haben: 15 der vergangenen 17 Spiele entschied das Team aus Salt Lake City für sich, zuletzt neun in Folge. Der enttäuschende Start scheint vergessen.
Aus dem Mittelmaß der Western Conference hat sich Utah so auf den dritten Rang nach vorne gearbeitet (27-12), gleichauf mit den Denver Nuggets auf Platz zwei. Das reicht den Jazz aber noch nicht.
"Das ist ziemlich gut, aber wir haben das Gefühl, dass wir noch viel besser sein können", formulierte Center Rudy Gobert seine Kampfansage an den Rest der Liga kurz nach dem 127:116-Erfolg in Washington am vergangenen Sonntag. "Unser Ziel ist nicht einfach nur, Zweiter im Westen zu werden. Unser Ziel ist, das beste Team im Westen zu werden und zwar am Ende der Playoffs."
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Ergebnisse der vergangenen Wochen machen zwar Mut - sind gleichzeitig aber mit Vorsicht zu genießen. Zwar sind die Jazz derzeit zweifelsohne eines der heißesten Teams der Association, dabei profitierte das Team von Head Coach Quin Snyder aber von einem extrem leichten Spielplan.
Jazz nutzen leichten Spielplan gnadenlos aus
13 der vergangenen 14 Siege holten sich die Jazz gegen Teams, die eine negative Bilanz vorzuweisen haben. Einzig der Erfolg gegen die Clippers Ende Dezember (120:107) sticht heraus, es war die einzige Partie in dieser Hochphase der Jazz, in der ein Sieg gegen einen echten Titelanwärter gelang. Utah hat die Gegebenheiten des Spielplans gnadenlos ausgenutzt, sie haben ihren Job gemacht, wie man es von einem selbsternannten Titelanwärter erwarten darf.
Das gebührt Respekt, vor allem die Art und Weise, wie Donovan Mitchell, Gobert und Co. ihre vergleichsweise schwachen Gegner überrollt haben. Seit der besagten Pleite gegen die Lakers zaubern die Jazz ein Offensiv-Rating von 117,0 aufs Parkett, der ligaweit beste Wert. In Verbindung mit einer Top-10-Defense stellen die Jazz in diesem Zeitraum auch das zweitbeste Net-Rating (+9,3), nur die Bucks sind besser.
"Wie du spielst, ist wichtiger, als ob du gewinnst", zeigte sich Coach Snyder entsprechend zufrieden, vor allem, da bei den Jazz derzeit beides zusammenkommt. Doch es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Utah diese Zahlen ohne Conley auflegt.
Seit Anfang Dezember hat der 32-Jährige mit Ausnahme von einer Partie alle Spiele seines Teams aufgrund hartnäckiger Oberschenkelprobleme verpasst. In eben dieser Phase startete Utah den 15-2-Lauf, ohne ihren etatmäßigen Starter auf der Eins scheinen sich die Puzzleteile in der Jazz-Offense besser zusammenzufügen.
Utah Jazz: Donovan Mitchell übernimmt mehr Verantwortung
Mit Conley und dessen Anlaufschwierigkeiten legte Utah in den ersten Saisonwochen ein deutlich schwächeres Offensiv-Rating hin (104,9). Der ehemalige Grizzly wurde mit seiner Rolle an der Seite von Mitchell nicht so richtig warm, seine Punkteausbeute (13,6) und seine Feldwurfquote (36,5 Prozent) waren so schwach wie seit seinen Anfangsjahren in der Liga nicht mehr.
Ohne Conley auf dem Parkett übernahm in den vergangenen Wochen Mitchell wieder deutlich mehr Verantwortung in der Jazz-Offense. Kam Mitchell in den ersten Saisonwochen nur auf 58,7 Touches pro Spiel (Conley 67,5), ging der Ball nun deutlich häufiger durch die Hände des 23-Jährigen (74,4 Touches pro Spiel seit Anfang Dezember).
Mitchell hat dabei zumeist drei potente Shooter und Gobert als wuchtige Zonenpräsenz um sich herum, im Gegensatz zu den vergangenen Jahren, als Utah oftmals mit zwei traditionellen Big Men (Gobert plus Derrick Favors) agierte. Den zusätzlichen Platz weiß Mitchell bei seinen Drives zu nutzen.
Seine True-Shooting-Percentage ist seit Conleys Ausfall auf einem Karrierehoch (58,5 Prozent), auch seine 5,5 Assists in diesem Zeitraum sind persönlicher Bestwert. Mitchell zeigt damit in vielen Bereichen seines Spiels einen neuen Entwicklungsschritt, die aktuelle Starting Five der Jazz um Mitchell, Bogdanovic, Joe Ingles, Royce O'Neale und Gobert ist unter der Führung des 13. Pick von 2017 sogar das mit Abstand beste Lineup der Liga mit einem Net-Rating von 21,0 in 308 Minuten.
Die Karrierestatistiken von Donovan Mitchell
Saison | Spiele / Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | FG% | 3FG% |
2017/18 | 79 / 33,4 | 20,5 | 3,7 | 3,7 | 43,7 | 34,0 |
2018/19 | 77 / 33,7 | 23,8 | 4,1 | 4,2 | 43,2 | 36,2 |
2019/20 | 38 / 34,4 | 24,2 | 4,4 | 4,4 | 46,1 | 35,5 |
Utah Jazz: Mit dem heißen Händchen zur Siegesserie
Auf diese Fünf vertraut Coach Snyder seit der Verletzung von Conley regelmäßig, neben Mitchell läuft auch Bogdanovic als zweiter Scorer immer öfter zu Höchstleistungen auf. Interessant ist zudem die Personalie Joe Ingles. Der Australier war eigentlich für die Rolle als Sixth Man vorgesehen, konnte anfangs aber ebenfalls nicht glänzen.
Seit dem Ausfall von Conley und seiner Rückkehr in die Starting Five knüpft Ingles aber wieder an seine starken Leistungen aus den Vorjahren an. Seitdem versenkt der Forward überragende 50,9 Prozent seiner Dreier (bei 6,2 Versuchen pro Partie) und steht damit symbolisch für das heiße Händchen, das die Jazz durch die Siegesserie trägt.
Gleich vier Spieler haben aktuell eine Dreierquote von über 40 Prozent vorzuweisen, über die gesamte Saison gesehen trifft Utah 39 Prozent aus der Distanz - der mit Abstand beste Wert in der kompletten NBA. Mit dem Trade für Jordan Clarkson haben die Jazz zudem die zu Saisonbeginn schwache Bank aufgepolstert, unter anderem auch Emmanuel Mudiay präsentierte sich zuletzt deutlich verbessert.
Utah Jazz: Der Härtetest kommt erst noch
"Wir werden so langsam warm miteinander", erklärte der Point Guard den Erfolg in den vergangenen Wochen. Ein Wermutstropfen ist jedoch das Fehlen von Conley. Einerseits hat dessen Ausfall sicherlich begünstigt, dass sich die Jazz-Offense besser finden konnte.
Andererseits wäre diese Phase des Spielplans mit vergleichsweise schwacher Konkurrenz für die Jazz und ihren neuen Point Guard eine gute Möglichkeit gewesen, zueinander zu finden. Schließlich werden Mitchell und Co. den Veteranen mit seiner Erfahrung und seinen Qualitäten als zusätzlicher Playmaker in der Postseason gut gebrauchen können, um eine erneute frühzeitige Enttäuschung zu vermeiden. Zumindest einen Conley, der an alte Grizzlies-Tage erinnert.
Zwar reicht das aktuelle Ensemble, um problemlos mit den Knicks, Hornets oder Bulls dieser NBA-Welt fertig zu werden, doch in den Playoffs warten andere Kaliber. So wie auch in den kommenden Wochen. Ende Januar geht es für Utah unter anderem gegen die Pacers, Mavericks, Rockets oder Nuggets, das harte Programm setzt sich im Februar fort. Der echte Härtetest kommt für die Jazz also erst noch - nach dem schwachen Saisonstart nun immerhin unter ganz anderen Vorzeichen.