Es war nicht das erste Mal an diesem kühlen November-Abend in Durham, North Carolina, dass die gut 9.000 Zuschauer im Cameron Indoor Stadium komplett ausrasteten. Und es sollte auch noch lange nicht das letzte Mal sein.
Gut zehn Minuten waren gespielt, als die heimischen Duke Blue Devils mit Hilfe einer Ganzfeldpresse den Ball von den hoffnungslos überforderten Eastern Michigan Eagles stibitzten. Freshman Cam Reddish schaltete sofort um, kurz hinter der Mittellinie bediente er seinen Mitspieler per Alley-Oop-Pass: Zion Williamson hob ab, flog eine gefühlte Ewigkeit durch die Luft und hämmerte den Ball durch die Reuse.
Es war der vierte von insgesamt sechs krachenden Dunks des Highflyers an diesem Abend - einer schöner als der andere, aber keiner ganz so beeindruckend wie dieser. Williamson sprang so hoch, dass er mit den Augen auf Ringhöhe war. Die Halle explodierte und das Internet kurz darauf ebenso.
Das Video von Zions Monster-Dunk verbreitete sich wie ein Lauffeuer in den sozialen Medien, allein der Twitter-Post des übertragenden US-Senders FOX Sports South erreichte knapp 1,5 Millionen Aufrufe. "Das ist wie der Kram, der sonst nur in Cape Canaveral passiert", schrie der Kommentator seine Ekstase ins Mikrofon.
Zion Williamson: Ein einziges Spektakel
Es scheint, als knüpfe Williamson zum Start seiner College-Karriere genau dort an, wo er in der High School in Spartanburg, South Carolina, aufgehört hatte: Als Athletik-Freak, der als 2,01 Meter großer und 130 Kilo schwerer Hüne die gegnerischen Ringanlagen demoliert. Als eine Youtube-Sensation und Social-Media-Star, der auf Instagram mehr als 2 Millionen Abonnenten hat (und damit knapp dreimal so viel wie die Blue Devils). Und als zukünftiger Top-Pick im NBA Draft?
Dafür spricht, dass Williamson nicht einfach nur auf seine spektakulären Dunks, die ihn schon als Teenager in der gesamten Basketball-Welt berühmt gemacht haben, reduziert werden darf. Trotz seiner Statur bewegt er sich hervorragend auf dem Parkett, überzeugt mit guter Court Vision, spielt hart in der Defense und kann dank guter Passfähigkeiten auch als Playmaker agieren.
Genau dieses Gesamtpaket hat der Forward zum Start in seine College-Karriere eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Einzig sein Jumper ist noch etwas wacklig, doch Zion ist gerade einmal 18 Jahre jung und hat noch genug Zeit, an dieser Schwachstelle zu arbeiten. Allerdings wohl eher nicht am College.
Duke Blue Devils: Drei Stars für Coach Mike Krzyzewski
Es gilt als sehr wahrscheinlich, dass seine Zeit im Trikot der Blue Devils nur von kurzer Dauer ist. Als One-and-Done-Rekrut startete Zion vor Saisonbeginn als Nummer 3 im Draft-Ranking von ESPN. Mittlerweile wird er als die klare Nummer 1 für 2019 angesehen. "Denk nicht zu viel darüber nach", soll ein hochrangiger Scout kürzlich über Williamsons steigende Draft-Aktie gesagt haben. Ein anderer formulierte es so: "Du darfst dir nicht ein weiteres Einhorn entgehen lassen."
Den Platz an der Draft-Sonne kann Williamson zum aktuellen Zeitpunkt scheinbar nur einer streitig machen: Sein Teamkollege R.J. Barrett. Der Kanadier schloss sich im Sommer als Top-Rekrut Coach Mike Krzyzewski und Duke an und wusste in den ersten acht Spielen mit 23,1 Punkten, 6,3 Rebounds sowie 4 Assists ebenfalls zu überzeugen.
Und damit noch nicht genug. Mit Reddish findet man im Kader auch noch exzellenten Shooter und ebenso hochdekorierten High-School-Abgänger. Mit ihm hat Coach K die drei am höchsten gerankten High-School-Spieler des Landes in Durham vereint. Es ist schier unfassbar, was für ein hochkarätig besetztes Team die Blue Devils 2018 zusammenstellen konnten.
Duke Blue Devils demontieren Kentucky Wildcats
Den folglich riesigen Hype bekräftigten Williamson, Barrett, Reddish und Co. im ersten Spiel der neuen College-Saison, als Duke den ewigen Rivalen aus Kentucky mit einer üblen 118:84-Klatsche aus der Halle schoss.
Das dreiköpfige Monster stellte dabei direkt klar, worauf sich die NCAA 2018/19 einstellen darf: Barrett führte sein Team mit 33 Punkten an, Williamson legte 28 (inklusive dem ein oder anderen Monster-Dunk) und Reddish 22 Zähler auf.
"Sie sind ein sehr gutes Team", musste anschließend auch Wildcats-Coach John Calipari, der in seiner 30-jährigen Karriere als Head Coach am College und in der NBA bis dato noch nie mit 34 Zählern deklassiert wurde, anerkennen.
"Wir waren nicht überrascht, dass wir so hoch gewonnen haben", zeigte sich Barrett nach der Partie extrem selbstbewusst. "Wir wissen, was wir hier haben. Wir sehen es jeden Tag." Was Duke hat, ist vor allem eine Menge Talent. Vielleicht sogar so viel, um ungeschlagen durch die Saison zu gehen? "Wenn sie weiter so spielen, dann verlieren sie nicht allzu viele Partien", sagte Calipari.
Duke Blue Devils: Rückschlag gegen Gonzaga Bulldogs
Genau so kam es zunächst auch. Nach dem Blowout gegen Kentucky folgten teils deutliche Siege gegen Army (94:72), Eastern Michigan (84:46), San Diego State (90:64) und Auburn (78:72). Zugegeben: Ein echtes Powerhouse des College-Basketballs war da nicht mit dabei, dennoch unterstrich Duke seine hohen Ambitionen. Dann folgte jedoch der Dämpfer gegen Gonzaga.
Nur sieben College-Mannschaften haben es in der langen Historie der NCAA geschafft, eine komplette Saison ohne Niederlage zu überstehen. Zuletzt gelang dies Indiana 1975/76 unter dem legendären Coach Bobby Knight - die Blue Devils werden sich 2018/19 nicht in diese Liste eintragen können.
Im Finale eines hochklassig besetzten Einladungsturniers auf Hawaii musste sich Duke mit 87:89 knapp den Bulldogs geschlagen geben. Dabei machte sich erstmals bemerkbar, dass die Leistungsträger des Teams eben doch noch junge und vor allem unerfahrene Freshmen sind.
Barrett verlor sich in der Crunchtime beispielsweise zusehends in Hero-Ball. In den letzten 57 Sekunden nahm er fünf Würfe - und versenkte keinen davon. Williamson sah dementsprechend kaum mehr den Ball, der schwächelnde Reddish wurde in den finalen Minuten sogar auf die Bank abkommandiert.
Die Statistiken von Williamson, Barrett und Reddish für Duke
Spieler | Spiele | Minuten | Punkte | Rebounds | Assists | Feldwurfquote | Dreierquote |
Zion Williamson | 8 | 26,1 | 20,8 | 8,8 | 2,4 | 67,7 Prozent | 16,7 Prozent |
R.J. Barrett | 8 | 29,8 | 23,1 | 6,3 | 4,0 | 45,9 Prozent | 34,8 Prozent |
Cam Reddish | 8 | 23,0 | 16,3 | 3,4 | 1,5 | 42,7 Prozent | 43,3 Prozent |
Duke Blue Devils vs. Cavaliers: Wer gewinnt?
Sorgen muss man sich aber natürlich keine machen, immerhin zeigten sich die Blue Devils in der nächsten Partie gegen Indiana relativ unbeeindruckt von dem kleinen Rückschlag und sicherten sich den nächsten Blowout (90:69) - und Zion lieferte seine nächste spektakuläre Dunk-Show ab.
Zwar ist der Traum der ungeschlagenen Saison vorbei, am Favoritenstatus für den März 2019 hat sich trotz des Ausrutschers wenig geändert. Die Buchmacher in Las Vegas führen die Blue Devils weiterhin als klare Nummer 1 des Landes. Viele Experten sehen das ganz ähnlich, manche gehen sogar noch weiter.
"Willst du mir erzählen, dass dieses Blue-Devils-Team mit dem No.1- und No.2-Pick des nächsten Jahres nicht in der Lage wäre, Cleveland zu schlagen?", fragte ESPN-Analyst Paul Pierce Anfang November und brachte damit eine Diskussion ins Rollen.
Zion Williamsons Flugshow bald im NBA-Zirkus
Eine Diskussion, die im College-Basketball immer mal wieder aufkommt, wenn ein Programm das Geschehen derart dominiert: Könnte das beste Team der NCAA gegen das schlechteste Team der NBA gewinnen?
Pierce, der im Übrigen in Kansas zur Schule ging, ist nicht der Einzige, der diese Frage mit einem klaren Ja beantwortet. Auch der ehemalige Duke-Star Jay Williams schreibt seinem Ex-Team eine "legitime Chance" im imaginären Duell mit den Cavs zu.
Gleichzeitig gibt es genügend Fans und Experten, die solche Thesen für mehr als fragwürdig halten. Selbst die Cavs sind eben doch noch ein ganz anderes Kaliber als Eastern Michigan, Kentucky oder auch Gonzaga. Aber könnten Williamson, Barrett und Co. die Cavs zumindest ärgern? Eine echte Antwort auf die Frage werden die Fans wohl niemals erhalten.
Immerhin dauert es aller Voraussicht nach aber nicht mehr lange, bis sich das Trio doch mit den Cavs auf dem NBA-Parkett messen wird (oder einer für sie aufläuft) - und damit dauert es auch nicht mehr lange, bis Zion seine Flugshow in die beste Basketballliga der Welt verlagert. Die NBA darf sich auf eine Menge Spektakel gefasst machen.