"Der Wurf ist eine Sache. Um ihn fliegen zu lassen, muss man erst in Position kommen. Das passiert im Training und dies bedeutet mir mehr als alles andere."
Demütig gibt sich Ray Allen in den Tagen vor seiner Aufnahme in die Hall of Fame. Unzählige Male bekommt er die Frage über seinen berühmten Wurf in Spiel 6 der Finals 2013 gestellt, als die Miami Heat dank eines Allen-Dreiers die Verlängerung erzwangen und den sicher geglaubten Titel der San Antonio Spurs verhinderten.
Es ist der wahrscheinlich wichtigste Wurf der Neuzeit - fast schon folgerichtig verwandelt von einem der besten Schützen aller Zeiten, der gleichzeitig solch einen perfekten, reinen Jumper besaß, wie ihn die Liga selten zuvor gesehen hatte. Auch in dieser Drucksituation kurz vor Ablauf der Uhr war die Ausführung perfekt, beinahe mechanisch. Ein wenig im Fallen, der Spalding hoch über dem Kopf, ein schnelles, weiches Abdrücken - und Swish!
Allen war da bereits 37 Jahre alt, im Spätherbst seiner Karriere und neben der Big Three um LeBron James, Dwyane Wade und Chris Bosh nur noch ein Rollenspieler. Ein Spezialist, ein verdammt guter allerdings. Zufall war sein Erfolg nicht, wie Allen immer wieder betonte. "Die Fans sehen nur die Spiele, aber es waren die Trainingseinheiten, die mich zu diesem Spieler gemacht haben."
Ray Allen: Der hart arbeitende Vater als Vorbild
Harte Arbeit lernte Allen bereits in seiner frühen Kindheit kennen. Der Vater verschrieb sich dem Militär, die Familie Allen folgte dem Familienoberhaupt auf Schritt und Tritt. Der kleine Ray verbrachte so in seinen jungen Jahren Zeit in Kalifornien, England, Deutschland und später in South Carolina, wo er auch die High School besuchte.
"Mein Dad ging jeden Tag pflichtbewusst zur Arbeit, er hatte keine andere Wahl", erinnerte sich Allen gegenüber nba.com. Daraus speiste sich auch die Einstellung des Shooters zu seinem späteren Beruf, der Wille, sich stets verbessern zu wollen, trieb Allen zu Höchstleistungen.
Im nur so vor Talent triefenden Draft von 1996 mit insgesamt vier (kommenden) Hall of Famern wurde Allen an Nummer fünf von den Minnesota Timberwolves gezogen, aber sofort zu den Milwaukee Bucks im Austausch mit Stephon Marbury weitergereicht.
Den Bucks war damals aber gar nicht klar, dass sie den späteren All-Time Leader bei den Dreipunktwürfen bekommen hatten. "Zu Beginn meiner Karriere sagten mir die Coaches, dass ich nicht von draußen werfen und lieber den Korb attackieren sollte", berichtete Allen.
Ray Allen: Mehr als nur ein Schütze
Denn was in Retrospektive ein wenig untergeht, ist, dass Allen viel mehr als ein Schütze war. 24.505 Karriere-Punkte (Platz 24 All-Time) hat noch niemand nur mit Jumpern erzielt. Vor allem in den frühen Jahren war Allen ein herausragender Athlet, der auch zum Slam Dunk Contest eingeladen wurde und die Zone mit seinen Drives immer wieder attackieren konnte. Endgültig zum Star wurde Allen allerdings 1998 durch seine Rolle als Jesus Shuttlesworth an der Seite von Denzel Washington im Film "He Got Game" von Spike Lee.
Nur mit dem Team wollte sich zunächst wenig Erfolg einstellen. Die Bucks waren damals ein Kellerkind und es dauerte bis ins Jahr 1999, bevor Milwaukee wieder zu respektieren war. Mit George Karl kam ein Offensiv-Guru als Coach, dazu tradeten die Bucks für Point Guard Sam Cassell, der mit Allen und dem einstigen Nr.1-Pick Glenn Robinson eine kleine Big Three formte.
"Als George Karl kam, spielten wir sofort schneller. Wenn ein guter Wurf möglich war, dann durften wir ihn immer nehmen." Allens Stärken kamen so besser zum Tragen, in der Saison 2001/02 drückte er fast achtmal pro Partie aus der Distanz ab - bei Quoten von über 40 Prozent.
Allen und die Bucks scheitern an den Sixers
Im dezimierten Osten mauserten die Bucks sich so zu einem Spitzenteam, welches letztlich nur knapp die Finals verpasste. Die Conference Finals im Jahr 2001 gegen die Philadelphia 76ers um Allen Iverson waren hart umkämpft und auch umstritten. Milwaukee fühlte sich mehrfach stark benachteiligt von den Referees, sodass Karl und Allen im Lauf der Serie zusammen 85.000 Dollar für Schiedsrichterkritik blechen mussten.
So geriet dieses Bucks-Team zu Unrecht schnell in Vergessenheit, ebenso wie die vielleicht beste Serie, die Allen in seiner Karriere spielte. In sieben Spielen legte der Shooting Guard 190 Punkte auf und stellte in Spiel 6, einem Do-or-die-Spiel, mit neun verwandelten Dreiern (41 Punkte) einen neuen Playoff-Rekord auf.
Auch in seinem Buch From the Outside: My Journey through Life and the Game I Love zeigte sich Allen noch 17 Jahre später verbittert über diesen Ausgang. "Sie hatten den besten Sixth Man (Aaron McKie), den besten Verteidiger (Dikembe Mutombo) und den MVP (Iverson). Wir waren die kleinen Milwaukee Bucks. Jeder sprach damals von Ratings und wir waren als Small-Market-Team einfach nicht interessant genug."
Allen: Differenzen mit Coach George Karl
In der Folge zerfielen die Bucks schnell. Die Verpflichtung von Anthony Mason zerstörte die Team-Chemie, während der enigmatische Allen für Karl zum Sündenbock wurde. Der Coach soll Allen vor seinem Trade eine "Barbie-Puppe, die immer nur hübsch sein will" genannt haben.
Bei all seinen Qualitäten war Allen eben auch ein schwieriger Charakter, der auch später in seiner Karriere mehr Eigenbrötler als bester Freund war. Der Guard verschrieb sich dem Basketball, Beziehungen blieben so manchmal auf der Strecke, was sich auch später bei seinem Abgang von den Boston Celtics zeigte.
2003 wurde Allen gegen Gary Payton nach Seattle getradet, wo Ray Ray unter Coach Nate McMillan der unumstrittene Star war, dem es jedoch an Unterstützung mangelte. 2006 stellte er dabei mit 269 Dreiern in einer Spielzeit einen neuen Rekord auf, für die Postseason reichte es dennoch nicht. In gut vier Jahren sprang nur eine Playoff-Teilnahme heraus, auch wenn Allen die Zeit bei den Sonics als die beste seiner Karriere einstufte. "In Seattle hatte ich den meisten Spaß, wir waren ein junges Team und lernten, wie man gewinnt."