Nachdem die Indiana Pacers in der ersten Playoff-Runde 2017 an den Cleveland Cavaliers gescheitert waren, hatte Paul George eigentlich klare Ziele für die anschließende Offseason. Er wollte im Sommer an seiner Physis arbeiten, kräftiger werden und schwerer - um noch besser darin zu sein, auf dem Court in nahezu jede Rolle zu schlüpfen. Als Superstar und bester Spieler des Teams.
Am 6. Juli jedoch wurde er zu den Oklahoma City Thunder getradet. Zum Team von Russell Westbrook, dem MVP, dem die erste Triple-Double-Saison seit Oscar Robertson gelungen war. An Georges künftiger Rolle würde sich vieles ändern - den aufgestellten Trainingsplan galt es somit zu überdenken.
Denn plötzlich drehte sich bei ihm - und in der Welt der NBA-Medien sowieso - alles um die Frage, wie das gehen soll mit PG-13 und Westbrook zusammen auf dem Parkett (dass Melo später auch noch dazustoßen würde, war noch kein Thema). Um sich selbst eine zufriedenstellende Antwort zu liefern, studierte George stundenlang Video-Tapes aus den Thunder-Zeiten, in denen Westbrook zusammen mit Kevin Durant gespielt hatte. Was funktionierte gut? Was weniger gut? Um sich Informationen aus erster Hand zu beschaffen, sprach George sogar mit KD persönlich, wie er kürzlich gegenüber ESPN verriet.
Paul George: Eine Diät für Russell Westbrook
Das Ergebnis seiner Recherchen war unter anderem eine Diät und eine Änderung der Sommer-Trainingspläne. "Um mit Russ mitlaufen zu können, muss man in sehr guter Verfassung sein. Das habe ich früh herausgefunden. Deshalb habe ich meine Ernährung umgestellt und mehr Kardiotraining gemacht. Ich wollte mich schneller bewegen können und weniger auf Masse bauen", erklärte er ESPN.
George stellte sich also körperlich - und mental sowieso - darauf ein, Zuarbeiter für Westbrook zu werden. Er will ein Teil des Teams sein, er will Russ alle Freiheiten gewähren und das machen, was dem MVP am besten hilft. Zugebenermaßen sah das zu Beginn der Saison noch sehr holprig aus - was aber weniger an George lag als vielmehr am guten Willen von Westbrook, mehr Aktionen für seine Co-Stars zu erzwingen. Das jedoch ist einfach nicht sein Spiel: Ein ruhiger Playmaker, der primär und bedacht in einer Motion-Offense für seine Mitspieler kreiert, wird aus Westbrook in diesem Leben nicht mehr.
Genau das scheinen alle Beteiligten mittlerweile verstanden zu haben. Nach dem holprigen Saisonstart fand nach vielen Krisensitzungen ein Umdenken in OKC statt, das von George und sogar Melo vorangetrieben wurde. Vereinfacht gesagt lautet das neue Erfolgsrezept, dass Westbrook so spielen und dominieren soll, wie er es letzte Saison getan hat. Der Rest kommt dann von alleine, George und Melo geben praktisch Rollenspieler in der vergoldeten Luxus-Variante ab.
Oklahoma City Thunder: Playoff-Heimvorteil realistisch
Das zeigt unter anderem die im Dezember wieder auf 37,4 angestiegene Usage-Rate von Westbrook. In der Vorsaison waren es noch 41 Prozent - kein so großer Unterschied wie man es hätte erwarten können. "Der Fakt, dass Russ einfach nur spielt und nicht versucht, sich für irgendjemanden zurückzunehmen, hilft uns sehr", erklärte Melo Ende Dezember. George stimmte dem 100-prozentig zu.
Zehn der letzten 15 Spiele hat OKC gewonnen, der Heimvorteil in den Playoffs ist in Reichweite. Zu behaupten, dass es mittlerweile rund läuft bei den Thunder, ist mehr als legitim - und das hat viel damit zu tun, dass George in seiner Zuarbeiter-Rolle zuletzt aufblühte. Mit seinem "neuen" Körper flitzt er abseits des Balles um Blöcke, läuft Cuts, sieht die richtigen Spots, die ihm Westbrooks Präsenz verschafft.
Klar, gerade im ersten Saisondrittel wirkte George trotzdem in einigen Sequenzen fehl am Platz und orientierungslos. Das begründete er damit, dass er das Playbook Oklahomas noch nicht kenne (okay, man könnte nun fragen: Welches Playbook?) und dass die Umstellung Zeit brauche. Eine klassische Floskel eben - die sich, so zeigte es der erfolgreiche Dezember, aber als durchaus richtig erwies.
Paul George ist anpassungsfähig
Mit 7,4 Versuchen pro Spiel nimmt George so viele Dreier wie noch nie in seiner Karriere. Seine Quote von 43,4 Prozent ist beachtlich, wobei 36,5 Prozent seiner Triples aus dem Catch-and-Shoot kommen. Das sind wenig überraschend deutlich mehr als zu seinen Pacers-Zeiten, während sich die Anzahl seiner Abschlüsse durch Pull-ups aus dem Dribbling entsprechend in die andere Richtung bewegt (35 Prozent gegenüber 41,7 letzte Saison).
"Ich kann in jeder Offense spielen, ich kann mit jedem Spieler zusammenspielen. Es gab bei mir kein Ego, als ich meine Sachen gepackt habe und nach OKC gekommen bin. Es geht mir nur darum, dem Team und vor allem Russ zu helfen. Das hat Zeit gebraucht, aber ich denke, ich kann viel anbieten und habe meine Nische inzwischen gefunden", erklärt George seine Anpassungsfähigkeit.
Während sich die Thunder-Offense im bisherigen Saisonverlauf gesteigert hat, war die Defense von Anfang an stark. Vor allem Anthonys Einsatz ist überraschend positiv, man merkt ihm an, dass er etwas zu beweisen hat. OKC weist das fünftbeste Rating der Liga auf - worauf George natürlich auch großen Einfluss hat.
Paul Georges Ziel: Verteidiger des Jahres
Noch lange bevor er zum Two-Way-Superstar wurde, galt er als Kettenhund im Eins-gegen-Eins. Er bringt die nötige Mentalität mit, um ein Elite-Verteidiger zu sein, denn die Arbeit am hinteren Ende des Feldes genießt bei ihm die gleiche Priorität wie die am vorderen. In Indiana konnte er das freilich nicht so gut ausleben, da er in der Offensive eine zu große Last schultern musste, was letztlich einen Großteil seiner Energie auffraß.
In OKC ist das dank Westbrooks Omnipräsenz im Angriff anders. George kann sich in der Defense aufreiben: Beim deutlichen Sieg gegen die Warriors Ende November hielt er (einen zugegebenermaßen nicht ganz fitten) Kevin Durant bei 21 Punkten. Beim Christmas Game gegen die Rockets verteidigte er beim 112:107-Sieg praktisch jede Position von Eric Gordon über James Harden bis hin zu Clint Capela. Nebenbei legte er selbst noch 24 Punkte auf,
Glaubt man George, dann ist es sein größtes individuelles Ziel, eines Tages Defensive Player of the Year zu werden. In der Diskussion dafür war er bis dato nicht wirklich - was auch mit dem kleinen Markt Indianapolis zu tun hatte. "Ich denke, ich hatte ein paar großartige Defensiv-Saisons. Aber ich hatte nicht die große Bühne, um dafür die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen. Hier in diesem Team ist das etwas anders und ich bin stolz darauf, jeden Abend einer der besten Verteidiger des Teams zu sein", erklärt er.
Paul George: "Gewinnen ist das ultimative Lebensglück"
Wer also die Aussagen von George bewertet, der bekommt das Gefühl, dass er sich mittlerweile sehr wohl fühlt an der Seite von Westbrook. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass er im kommenden Sommer der begehrteste Free Agent der Liga sein wird - und sein jüngstes Lob an die Lakers-Fans für deren Rekrutierungsversuche war mindestens unglücklich.
Dass die Lakers den größeren Markt bieten als OKC hält er aber nicht für relevant. Sein ultimatives Ziel sei es immer, zu gewinnen. Er wolle das Gefühl haben, bei einem Team zu sein, bei dem etwas in der Entstehung ist und das eine vielversprechende Zukunft hat. "Gewinnen ist wichtiger als alles andere. Es ist das ultimative Lebensglück" - das ihm bisher noch verwehrt blieb: "Ich weiß nicht, wie sich ein Titel anfühlt."
Wenn George der Meinung ist, dass die Chancen in OKC, dieses Manko zu beheben, besser sind als anderswo - dann könnte es doch etwas werden mit einer gemeinsamen Zukunft über 2018 hinaus.