SPOX: Sie haben nun ein Jahr bei den Denver Nuggets als Assistant Coach hinter sich. Was sind die größten Unterschiede zur Arbeit in Europa?
Chris Fleming: Am meisten beeindruckt haben mich die athletischen Fähigkeiten der Spieler. Das findest du nirgendwo in Europa, auch nicht bei den Top-Teams. Dadurch wird es ein ganz anderes Spiel. Du brauchst zwei, drei Pässe weniger, um einen guten Wurf herauszuspielen.
SPOX: Und für Sie persönlich?
Fleming: Für mich war es eine große Umstellung, zum ersten Mal als Co-Trainer zu arbeiten. Vorher hatte immer ich das Sagen und konnte die Entscheidungen treffen. (lacht) Aber ich habe sehr viel dabei gelernt und ich mache es gern. Das zweite ist der Rhythmus. Die Termine in Europa sind fest: Unter der Woche Euroleague, am Wochenende BBL. Danach kann man gut planen und sich gut darauf einstellen. Bei dem Spielplan in der NBA weiß man nicht immer, welcher Tag gerade ist. Wir haben teilweise vier Spiele in fünf Tagen mit längeren Auswärtsreisen - das war definitiv gewöhnungsbedürftig, weil du einfach nie in einen Rhythmus kommst.
SPOX: Gab es einen Zeitpunkt in der Saison, an dem Sie erschöpft waren und gerne Urlaub genommen hätten?
Fleming: Nein, das war schon ok, wenn man sich etwas angepasst hatte. Für mich war eher schwierig, dass meine Familie erst zum Ende des Jahres in die USA nachkommen konnte und ich bis dahin ohne sie dort leben musste. Die Zeit war in dieser Hinsicht belastend, aber nicht wegen der Arbeit.
SPOX: In welchem Bereich des Coachings haben Sie sich in Ihrem erster Saison am meisten weiterentwickelt?
Fleming: Das Spiel-Management ist in der NBA wirklich ein ganz eigenes Feld, gerade zum Ende einer Partie. Da gibt es so viele Möglichkeiten, zum Beispiel durch die vielen Auszeiten oder auch durch die Tatsache, dass die Spieler Auszeiten nehmen können. Da habe ich einiges mitgenommen.
SPOX: Haben Sie bei sich selbst Veränderungen in der Arbeitsweise bemerkt?
Fleming: Man muss natürlich schneller arbeiten, alles ist schneller. Du hast weniger Zeit im Training, deine Erklärungen müssen schneller sein und die Drills müssen schneller ineinander übergehen. Der große Unterschied ist: Wenn aus deiner Sicht etwas geändert werden sollte, dann kannst du deinem Head Coach einen Vorschlag machen. Du bestimmst es aber nicht. Man kämpft dafür, aber man muss auch akzeptieren, wenn er nicht umgesetzt wird.
SPOX: War das für Sie manchmal ein Problem?
Fleming: Es war für meine Co-Trainer früher in Deutschland sicher genauso problematisch. (lacht) Das liegt in der menschlichen Natur. Aber wenn du im Coaching Staff die gleichen Vorstellungen hast und an einem Strang ziehst - und das war in Denver so und das ist auch in Brooklyn so - dann ist es viel leichter, mit solch einer Situation umzugehen. Es ist ohnehin immer ein gemeinsamer Prozess, bis man in wichtigen Fragen zu einer Entscheidung kommt.
SPOX: Im Interview vor einem Dreivierteljahr haben Sie mir erzählt, dass Sie einige Monate gar keine Möbel in Denver hatten. Dann hatten Sie endlich welche, haben sich ein wenig eingelebt und nun sind sie schon wieder weitergezogen...
Fleming: ... und in Brooklyn ist kaum eine Wohnung groß genug für meine Möbel! (lacht)
SPOX: Das hat Sie aber nicht am Umzug gehindert. Wie kam es zum Wechsel?
Fleming: Ich stand schon vorher mit Kenny Atkinson in Kontakt, der jetzt neuer Head Coach in Brooklyn ist. Er hat mir einen Job angeboten, bei dem ich eine Stufe höher stehe als in Denver. Dort war ich dritter Assistant Coach, bei den Nets bin ich jetzt der zweite - und das bei dem spannenden Projekt in Brooklyn. Das hat den Ausschlag gegeben. Wir waren mit der ganzen Familie da, es ist schließlich ein großer Schritt. Quakenbrück, Bamberg und auch Denver sind schon eher Kleinstädte. New York ist schon eine andere Hausnummer. Aber ich freue mich unglaublich darauf, dort zu arbeiten.
SPOX: Wie war die Reaktion aus Denver, als Sie nach nur einer Saison gleich wieder gehen wollten?
Fleming: Brooklyn hat offiziell angefragt, ob sie mit mir sprechen dürfen, das ist der ganz normale Vorgang. Ich hatte ja schließlich noch zwei Jahre Vertrag. Das Management und Head Coach Mike Malone haben ihre Zustimmung gegeben und da Kenny ein langjähriger Freund von mir ist, haben sie mir keine Steine in den Weg gelegt. Viele von den Kollegen in Denver sind in der Zeit auch für mich zu guten Freunden geworden. Und sie wussten, dass die Chance für mich vielleicht nicht so schnell wieder kommt.