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Dieser Artikel erschien ursprünglich am 24.9.2016.
"I'm losin. I'm losin." Wieder und wieder wiederholt Kevin Garnett diese Worte und ringt um Fassung in einem Interview mit College-Trainer-Legende John Thompson im Jahr 2005. Garnett war zum damaligen Zeitpunkt fast zehn Jahre in der Liga.
Sieben Playoff-Schlappen in der ersten Runde liegen hinter ihm. Der größte Erfolg gelang im Frühsommer zuvor, als erst die Los Angeles Lakers in den Conference Finals den Siegeszug der Wolves stoppen konnten. Doch Eitelkeiten und Streit über Verträge brachten Ernüchterung.
Es war wahrscheinlich die schwerste Zeit für Garnett in Minnesota. Dennoch betonte er im Gespräch mit Thompson mehrfach: "Das ist nicht Tennis oder Golf. Es geht hier nicht um mich, sondern um uns. Um uns."
Es beweist: Garnett war anders als der normale NBA-Profi. Er war ein Unikat.
Bereits bevor seine Karriere überhaupt richtig losgegangen war, dominierte der spindeldürre Big Man die Schlagzeilen. Über 20 Jahre war kein High Schooler direkt in die NBA gewechselt. KG öffnete die Tür für Kobe Bryant oder LeBron James, der explizit Garnett als Vorbild für diesen Weg nannte.
Nickerchen in der Halle
Im Frühling 1995 gab es nicht nur in KGs Wahlheimat Chicago einen Hype um seine Person. Zahlreiche GMs kamen zum Workout des Jungens, darunter auch Kevin McHale und Flip Saunders von den Minnesota Timberwolves. "Ich dachte, es wäre reine Zeitverschwendung", gab McHale später zu.
Doch er wurde eines Besseren belehrt. Der junge Garnett, bereits damals rund 2,10 Meter lang, zeigte Bewegungen und Dribble-Moves, die eher an einen Guard als an einen Big Man erinnerten. Zudem fiel sein Jumper aus der Mitteldistanz mit traumwandlerischer Sicherheit.
McHale wollte nach dieser beeindruckenden Performance nur das "Kid" haben. Und was machte der? Nachdem alle Funktionäre die Halle verlassen hatten, schloss er ab, legte sich auf das Feld und schlief für ein paar Stunden. Er hatte alles, restlos alles, was er hatte, in dieses Workout gesteckt.
Es sollte sich lohnen. Mit dem fünften Pick im Draft fiel KG den T-Wolves in den Schoß. Durch harte Arbeit und schier grenzenlosen Willen verwirklichte er seinen ersten großen Traum. Bedenken über seinen schmalen Körperbau machte er mit Leidenschaft und Einsatz wett, auch wenn gerade seine erste Saison noch ein wenig holprig verlief.
Mega-Deal und Lockout
Doch Garnett arbeitete und arbeitete weiter an sich. Trotz seiner Jugend wurde er schnell im Team akzeptiert. Sein späterer Coach in Minnesota und damaliger Mentor Sam Mitchell erinnerte sich später: "Wir hatten alle von ihm gelesen. Aber wir wussten nicht, wie hart er zu sich selbst war und wie motiviert er war, ein großer Spieler zu werden."
Über die Jahre etablierte sich KG in der Liga und entwickelte sich zu einem der aufregendsten Spieler der Liga. Das weckte Begehrlichkeiten und musste entsprechend belohnt werden. Mit 21 Jahren unterschrieb Garnett für sechs Jahre und 126 Millionen Dollar, nachdem er zuvor ein Angebot über gut 100 Millionen abgelehnt hatte.
Es kam zum großen Clash zwischen dem Management der NBA und der Spielergewerkschaft. Der erste Lockout der NBA-Historie war perfekt. Wieder hatte Garnett Geschichte geschrieben, diesmal keine erfreuliche. Rookie-Verträge wurden ab sofort neu gestaffelt und strenger geregelt, Verträge durften höchstens fünf Jahre lang sein.
Dürre in Minnesota
Die Person Garnett wurde nun kritischer beäugt - doch er lieferte. Tadellos als Teammate stellte "The Big Ticket" sich komplett in den Dienst der Mannschaft und machte alles. 25 Punkte, 15 Rebounds und 6 Assists waren keine Seltenheit, doch in den Playoffs setzte es sieben Jahre in Folge das Aus in Runde eins.
Dem Höhepunkt der Conference Finals 2004 und der MVP-Trophäe folgten schwere Jahre. Das Team in 'Sota zerfiel und häufig hieß es "Kevin allein zu Haus". Dennoch: Garnett wollte Erfolg - und das in Minnesota. Als einer von wenigen Spielern besaß er ein Mitspracherecht für den Fall eines Trades.
Drei Mal am Stück verpassten die Wolves die Postseason, erst dann zog Garnett die Reißleine. Er war zu stolz zu flüchten, gleichzeitig war es auch ein Eingeständnis einer persönlichen Niederlage. Ein Freundschaftsdienst von GM McHale an seine Boston Celtics verschob dann 2007 das Kräfteverhältnis der NBA und macht die Kelten im Handumdrehen zum Contender. Die Blaupause eines Superteams der modernen Ära war geboren.
Garnett: Keiner ist tougher
Die ruhmreichen Celtics, die vor dem Trade graues Mittelmaß dargestellt hatten, waren wieder auf der Landkarte. Die Big Three um Garnett, Paul Pierce und Ray Allen pflügte auf Anhieb durch die Liga. Garnetts Ruf als Verrückter auf dem Court war da schon lange zementiert.
Würfe nach einem Pfiff wurden aus Prinzip geblockt, Rookies und Europäer bekamen die volle Ladung Trash Talk ab. Selbst Dirk Nowitzki machte am Anfang seiner Karriere unangenehme Bekanntschaft mit KG: "In meiner ersten Saison hatte er es auf mich abgesehen. Er redete die ganze Zeit Trash. Noch nie hatte jemand so mit mir geredet."
Auch vor etablierten Spielern wie Chris Webber machte KG keinen Rückzieher, wie dieser bestätigte: "Er und ich einigten uns, dass wir auf dem Feld niemals cool miteinander sind. Er hat das nicht gespielt. Sich so zu verstellen, ist nicht möglich."
Diese Toughness machte die Celtics zu einem verschworenen Haufen. Youngster wie Rajon Rondo oder Kendrick Perkins blickten zu einem Kevin Garnett auf. Er trieb sie zu Höchstleistungen, während er selbst sich nie schonte. Chris Paul brachte es in seinem Statement zum KG-Rücktritt auf den Punkt: "Ich habe es gegen niemanden mehr gehasst zu spielen als gegen Garnett. Gleichzeitig habe ich mir immer gewünscht, einmal mit ihm in einem Team zu sein."