Der Jumper von Paul Millsap - zu kurz. Kent Bazemore aus der Ecke - zu weit rechts. Al Horford für drei - seitlich ans Brett. Nein, so hatte sich das Mike Budenholzer nicht vorgestellt. 19 Minuten waren in der Philips Arena gespielt und die Hawks hatten lediglich 6 von 34 Würfen versenkt. Mickrige 18 Punkte standen auf dem Scoreboard, der Coach brauchte dringend eine Auszeit.
Es sollte keine gewöhnliche werden. Die Scheinwerfer tauchten die gesamte Halle in ein diffuses, violettes Licht. Und dann erschien ER auf dem Parkett. Orangefarbenes Hemd, weiße Hose, violetter Frack, violetter Hut: Prince. Nein, natürlich nicht selbst. Harry the Hawk, Atlantas Maskottchen, präsentierte eine Hommage an den vor wenigen Tagen verstorbenen Musiker.
Die Spieler beider Teams schauten zu - gezwungenermaßen. Denn die Show dauerte knapp drei Minuten. Als die Hawks danach wieder aufs Feld gingen, waren sie wie ausgewechselt. Klingelingelingeling! Ein Wurf nach dem anderen fand den Weg durch die Reuse, 12 Treffer in Serie verwandelten Atlantas 8-Punkte-Rückstand innerhalb von fünfeinhalb Minuten in eine 12-Punkte-Führung.
"Einfach fliegen lassen"
Hinter dem 28:8-Run der Hawks eine übernatürliche Inspiration durch die Prince-Songs zu vermuten, ist natürlich zumindest fragwürdig. Bazemore hatte da eine andere Erklärung: "Unser gutes Shooting war definitiv ansteckend. Wir haben gesagt, dass wir die Bälle einfach fliegen lassen müssen. Dadurch sind wir alle etwas lockerer geworden. Man spürt die Unterstützung der Fans und der Korb wird größer und größer."
Doch nicht nur in der Offensive funktionierte Atlanta besser, auch die Defense zog an. Die Hawks ließen Wirbelwind Isaiah Thomas wenig Raum. Vor allem Dennis Schröder, der seinen Gegenspieler über die gesamten 28,65 Meter des Feldes verteidigte, machte einen guten Job.
Überhaupt war ein großer Unterschied zwischen den Reservisten der beiden Teams zu erkennen. Atlanta bekam in Form von Schröder, Mike Scott und Thabo Sefolosaha eine andere Form der Hilfe aus dem Off. Alle drei setzten wichtige Impulse von der Bank, der Celtics-Benchmob (13/37 FG) konnte hingegen wenig Zählbares zum Spiel beitragen.
Video: 17 Punkte von Mike Scott
Einer gegen alle
Thomas war überwiegend auf sich allein gestellt. Zog er zum Korb, waren jedoch stets zwei Hawks-Spieler zur Stelle und stoppten ihn. Das Pick-and-Roll verteidigte Atlanta mit einer effektiven Trap, die die Kreise des Spielmachers stark einschränkte. Den sich dadurch öffnenden Raum konnte das Team von Brad Stevens aber nur selten nutzen.
Es wurde einmal mehr deutlich, dass Boston die zweite bzw. dritte Option fehlt. Sowohl ein weiterer Spieler, der sich selbst einen Wurf kreieren kann, als auch jemand, der die Hawks für ihre Double Teams bezahlen lässt. Denn die Möglichkeiten waren da.
"Meine Teamkollegen sollten das als Zeichen verstehen, dass Atlanta keinen Respekt vor ihnen hat", so Thomas im Anschluss an das Spiel: "Andere Jungs müssen mehr zeigen und Plays für uns machen."
Schrecksekunde für Thomas
Recht hatte er. Boston bekam nicht viel auf die Kette und mit einem weiteren starken 29:8-Lauf von Atlanta im dritten Viertel war das Spiel entschieden. Zu allem Überfluss knickte Thomas Anfang des Schlussviertels auch noch mit dem linken Knöchel um und kehrte nicht mehr zurück.
Zum Glück folgte wenig später die Entwarnung: "Es geht mir gut. Ich bin bereit für Spiel 6", diktierte Thomas den Reportern in die Notizblöcke: "Ich werde spielen, egal, was sein sollte. Ich werde dabei sein."
Aber reicht das? Die Einfallslosigkeit, mit der Boston agierte, das schlechte Ball Movement, die Abhängigkeit von einem - nun auch noch angeschlagenen - Spieler. Es sieht nicht gut aus für die Celtics.
Recap: Hawks vs. Celtics, Spiel 5
Swing it
Nach zwei Siegen in Folge und dem Ausgleich in der Serie hatte Boston das Momentum auf seiner Seite. Auch noch nach 19 Minuten des so wichtigen fünften Spiels. Doch nach dem starken Comeback fehlt den Hawks lediglich ein Sieg zum Einzug in die zweite Runde. "Das war wirklich ein ganz schöner Umschwung", sagte Kyle Korver.
Vielleicht hatte die musikalische Darbietung von Harry the Hawk doch einen größeren Einfluss auf die Spieler. Korver jedenfalls fand Gefallen an der Idee und sagte mit eine Augenzwinkern: "Der Dank gebührt definitiv Harry und der Hommage an Prince. Er muss unbedingt mit nach Boston kommen."