Wohl jeder Spieler in der NBA kann von einem Jungen erzählen, der besser war als alle anderen in der Nachbarschaft. Der größer war, stärker und mehr Talent besaß. Der alles mitbrachte, um der neue Magic, der neue Jordan oder der neue LeBron zu werden.
Fast alle diese Legendenerzählungen von staubigen Freiplätzen und miefenden Turnhallen ersticken irgendwann in Verletzungen, fehlendem Eifer, manchmal sogar in Schlimmerem. Abseits dieser Erinnerungen, im bunten Chaos der zahlreichen US-Basketballcourts, verliebte sich ein kleiner Junge aus Tulsa, Oklahoma in das orangefarbene Leder.
Sein bloßes Talent hätte es niemals zugelassen, dass über ihn irgendwann eine Geschichte erzählt werden sollte. Vielmehr wartete er bis zum letzten Schuljahr auf einen Einsatz im Basketball-Team seiner High School, da er seinem Coach lange Zeit als zu schmächtig erschien. Zudem gab es immer wieder Ärger mit Lehrern und Mitschülern.
Als John Starks das letzte Mal durch die Tür seiner Schule trat, hatte er kein Stipendium einer angesehenen Hochschule in seinem Ranzen. Er blickte auf eine schwierige Schulzeit zurück. Überhaupt hatte es das Leben bisher nicht wirklich gut mit ihm gemeint. Seine gesamte Kindheit war geprägt von Armut, Kriminalität und Gewalt.
John Starks: Basketball und Cannabis
Zusammen mit seinen sechs Geschwistern, seiner Mutter, die einen aggressiven Lebensgefährten nach dem anderen an ihre Seite nahm, und seiner Großmutter, verbrachte der energiegeladene John eine trostlose Jugend. Neben dem regelmäßigen Cannabis-Konsum waren der Basketball und die täglichen Duelle mit seinem großen Bruder die einzigen zwei Dinge, die den Kindern indianischer Abstammung ein wenig Ablenkung schenkten.
Dabei war der ältere Monty nicht zimperlich mit dem Familien-Nachwuchs und impfte John schon in jungen Jahren auf dem Court eine verbissene Kämpfermentalität ein: "Mein Bruder hat mir regelmäßig den Hintern aufgerissen. Da flogen Ellenbogen und es ging sehr körperlich zu. Irgendwann habe ich gelernt, mich zu wehren."
So beschwerlich die täglichen Kämpfe um den Spalding waren, so beschwerlich war später auch der Weg durch die kleinen Colleges, die Starks nach der Schule besuchen musste. Aus Gründen fehlender Disziplin wurde er immer wieder vor die Tür gesetzt oder suspendiert. Mal wurde er beim Kiffen erwischt, ein anderes Mal wollte er mit Freunden einem Studienkollegen die Musikanlage klauen. Zwischenzeitlich saß er sogar für fünf Tage im Gefängnis, weil er an einem Überfall beteiligt war.
Am Tiefpunkt angekommen, fiel der damals 21-Jährige dem ehemalige Universitäts-Coach Ken Trickey bei einem Freizeitturnier ins Auge. Trickey baute zu dieser Zeit ein Basketball-Programm am Oklahoma Junior College auf. Starks gefiel dem rüstigen Übungsleiter, da er mit seiner verbissenen Art Basketball zu spielen perfekt in das angedachte Run-and-Gun-System von Trickey passte. Der Shooting Guard erhielt aus dem Nichts seine dritte Chance am College.
John Starks: Die Elite klopft an
Dieses Mal wollte Starks alles anders machen. In einem vertrauensvollen Umfeld nutzte er seine gebotene Chance und spielte groß auf. Die Nachrichten über seine Leistungen - besonders in der Defensive - verbreiteten sich durch die ganze Stadt, bis auf den Schreibtisch von Coach Leonard Hamilton, der das Team der renommierten OSU betreute.
Das Wunder nahm seinen Lauf: Starks überzeugte beim Probetraining, bekam ein vollwertiges Stipendium und durfte in seinem letzten College-Jahr das Trikot der Oklahoma State Cowboys überziehen. Nur verhinderte sein vorheriger Flug unter dem Radar, dass seine guten Auftritte auch in der NBA nachhaltigen Eindruck hinterlassen hatten.
Beim Draft wollte kein Team den kleinen Ehrgeizling ziehen. Jedoch führten die guten Kontakte seines Ex-Coaches Starks in die Bay Area zu Don Nelson. Hier konnte sich der inzwischen 23-Jährige in Trainingscamp beweisen und bekam einen Ein-Jahres-Vertrag bei den Golden State Warriors. Nur ein Jahr darauf folgte der Cut. Besonders die aufbrausende Art von Starks war Coach Nelson ein Dorn im Auge - wie so vielen anderen vor ihm.
Also musste sich der Shooting Guard durch die Niederungen der alternativen Basketball-Ligen quälen. Doch Starks schien unter den schwierigen Bedingungen der Minor Leagues weiter zu wachsen und ergatterte schließlich eine Einladung zum Probetraining bei den New York Knicks.
John Starks: Glück im Unglück wegen Patrick Ewing
Wieder sollte ihm seine furchtlose Spielweise eine Hilfe sein. Vor dem letzten Training stand John kurz vor dem Aus und wollte es noch einmal allen zeigen. Bei einem Dunking-Versuch probierte der furchtlose Starks doch tatsächlich, über Knicks-Star Patrick Ewing stopfen. Der Center stellte sich mit allen Mitteln gegen die Majestätsbeleidigung und riss den kleinen Guard konsequent zu Boden. Es war Glück im Unglück.
Starks verdrehte sich bei dem Sturz das Knie - und blieb deshalb bei den Knicks. Das NBA-Reglement erlaubte es nicht, einen verletzten Spieler aus dem Team zu werfen. Also kämpfte sich der hitzige Youngster durch die Reha, direkt auf die Bank im Madison Square Garden. Am 7. Dezember 1990 schlug dann die große Stunde von John Starks.
Ganze zehn Minuten stand der Junge aus Oklahoma auf dem Feld, erzielte 4 Punkte bei 50 Prozent aus dem Feld. Doch viel beeindruckender war seine Arbeit am hinteren Ende des Feldes. Kein Geringerer als Michael Jordan und seine Chicago Bulls waren an diesem Abend in New York zu Gast und der giftige Starks stahl His Airness gleich in einer seiner ersten Szenen den Ball. Ein erstes Ausrufezeichen, das dem Guard Aufwind gab.
Mit mehr Selbstbewusstsein brachte Starks in den nächsten zwei Spielen 20 Punkte aufs Scoreboard. In der übrigen Saison arbeite er weiter an seinem Spiel, eignete sich einen verlässlichen Jumper an und machte gerade durch seine motivierte Verteidigungsarbeit von sich reden.