Es waren gerade mal 38 Sekunden in der zweiten Halbzeit gespielt, da bekam Darryl Dawkins den Ball in seine Hände. Der Center stieg hoch, nahm die Kugel hinter den Kopf und hämmerte ihn mit aller Wucht durch den Ring.
Das Backboard zersprang in tausende kleine Splitter, der Ring fiel zu Boden. Die Fans in Kansas City schauten sich ungläubig an. Dawkins hatte soeben mit seinem Slam Dunk die Korbanlage zerstört. Und damit seinen Mythos als Dunkmaschine begründet.
Darryl Dawkins: Der Spaßvogel
"Chocolate Thunder Flyin', Robinzine Cryin', Teeth-Shakin', Glass-Breakin', Rump-Roastin', Bun-Toastin', Wham, Bam, Glass Breaker I Am Jam", nannte er den Dunk. Dawkins vergab gerne Namen. Für sich. Für seine Dunks. Er war jemand, der das Leben nicht so ernst nahm.
"Das Geld ist heute sicher viel besser als damals, aber ich bin froh, dass ich zur damaligen Zeit gespielt habe, denn ich glaube, dass wir viel mehr Spaß hatten", sagte der Center vor einigen Jahren. Dawkins hatte immer ein Lächeln über, immer einen Spruch auf den Lippen. "Ich hatte immer meinen Spaß und ich wusste alles darüber, mich selbst zu vermarkten."
Mit gerade einmal 18 Jahren meldete sich der 2,11-Meter große Modellathlet 1975 zum Draft an. Die Vorschusslorbeeren waren riesig, als "möglicherweise besten High-School-Spieler aller Zeiten und besten Menschen, den ich je traf", adelte ihn der Trainer der Maynard Evans High School in Orlando, die er bis dahin besuchte.
Darryl Dawkins: Erster High-School-Spieler in Runde 1
Die Philadelphia 76ers schlugen zu und sicherten sich die Dienste des Big Man an fünfter Stelle im Draft. Nie zuvor wurde ein High-School-Spieler in der ersten Runde ausgewählt. Fortan lief er an der Seite von Julius Erving und Doug Collins auf. Die Erwartungen waren dementsprechend groß. "Als ich in die Liga kam, wollten sie, dass ich der neue Wilt Chamberlain werde, obwohl ich nicht eine Minute am College gespielt hatte", sagte er rückblickend.
Nach anfänglichen Startschwierigkeiten mauserte sich Dawkins aber immerhin zu einem grundsoliden Center. Auf ordentliche 12 Punkte und 6,1 Rebounds im Schnitt brachte er es in seiner Karriere. Drei Mal stand er mit den Sixers in den Finals, ein Titel sprang dabei aber nicht heraus.
Es sind aber nicht die sportlichen Leistungen, vielmehr ist es seine Leichtigkeit abseits des Courts, die ihn zu einem der beliebtesten Spieler der Liga werden lassen. Mit "this is the Dawk and I'm ready to talk" begrüßte er gerne mal wartende Journalisten. Seine Kolumne "The Dunkateer Talks Back." im Philadelphia Journal entwickelt sich schnell zum Kult.
Nicht nur, weil er seinen Dunks eine ganze Palette an abstrusen Namen wie "Yo Mama", "Spine Chiller Supreme", "Rim Wrecker", "Dunk You Very Much", "Hammer of Thor, Flop-a-Dop", "Go-Rilla" oder "Sexophonic Turbo Delight" verpasst, sondern auch weil er von Reisen ins Weltall berichtete.
Darryl Dawkins: Reise zum Planet Lovetron
Dawkins erschuf sich als Alien neu und reiste dabei in seinem Raumschiff zum Planet Lovetron, wo seine Freundin Juicy Lucy im "Chocolate Paradise" auf ihn wartete und er in der Offseason die Lehre vom "Interplanetary Funkmanship" predigte. Kompletter Irrsinn, aber die Leute liebten den Kindskopf. Soullegende Stevie Wonder verpasste ihm den Spitznamen "Chocolate Thunder". Ein Name, der die kindliche Seite mit seiner brachialen Wucht auf dem Feld kombinierte und der auch Dawkins selbst gefiel.
"Ein Typ, der mich nie gesehen hat, gab mir den Namen 'Chocolate Thunder'", zeigte er sich darüber gerührt, dass sich der blinde Weltstar trotz seiner Behinderung für ihn faszinieren konnte. Dabei hatte er selbst genug Namen für sich: Sir Slam und Dr. Dunkenstein sind nur zwei von ihnen. Die Sixers führten zeitweise eine eigene Spalte auf dem Stat Sheet, nur um seine Spitznamen unterzubringen.
Darryl Dawkins: Der Grund der neuen Körbe
Drei Wochen nachdem er den Kansas City Kings zu einer neuen Korbanlage verhalf, setzte er im heimischen Spektrum zu weiteren Renovierungsarbeiten an. Dawkins ließ es erneut Glassplitter regnen und besorgte sich und seinem General Manager Pat Williams so eine Audienz beim Commissioner Larry O'Brien. Die NBA legte danach fest, dass fortan das Zerstören des Korbs mit einer Strafe und einer Suspendierung geahndet wird.
Es führte aber auch dazu, dass alle statischen Korblanlagen gegen die heutigen, nachgebenden Körbe ausgetauscht wurden. Sein Platz in den Geschichtsbüchern ist ihm somit sicher. Und auch den Champion-Ring durfte er sich noch auf den Finger schieben.
Nachdem Philly nur ein Jahr nach seinem Abgang gen New Jersey Meister wurde, musste sich Dawkins noch weitere sechs Jahre gedulden. Mittlerweile von einer Rückenverletzung gebeutelt, stand er im Kader der Detroit Pistons, die 1989 die Lakers aus der Halle fegten.
Darryl Dawkins: Der Vorreiter von Shaq
In seinen letzten drei Jahren in der Liga kam er verletzungsbedingt nur noch auf 32 Einsätze. Dennoch hatte er anschließend noch fünf gute Jahre in Italien. Die angestrebte Rückkehr in die NBA scheiterte dabei mehrfach. Einen Rekord hält er dabei bis heute. Kein Spieler leistete sich binnen einer Saison mehr Fouls. 386 Mal pfiffen die Refs 1983-84 seine Aktionen ab. Ein Jahr zuvor waren es 379 Fouls. Platz 2 in der Liste.
Shaquille O'Neal: Ein gewaltiger Kindskopf
Es wird ihn nicht tangiert haben. Dawkins hatte eine andere Einstellung zum Spiel. "Ich habe nie Leute angeschrien oder angespuckt und habe nie versucht, jemanden zu verletzen. Ich mochte das Spiel und habe es genossen im Kreis meiner Teamkollegen zu sein, aber ich habe es nie als Spiel um Leben oder Tod gesehen", erklärte er.
Chocolate Thunder war der erste richtige Entertainer der Liga. Jemand, der in der heutigen Zeit zum Social-Media-Phänomen getaugt hätte, der lange vor Shaq Spitznamen wie Unterhosen wechselte, der lange vor Dwight Howard den Kindskopf mimte und der lange vor Nick Young abstrus witzige Interviews gab.