Dieser Artikel erschien ursprünglich im März 2015. Alle weiteren Legenden-Texte findet ihr in unserem Archiv.
Als Zach LaVine dem Dunk Contest 2015 neues Leben einhauchte, glänzte der Timberwolf nicht durch geballte Schnellkraft und brutale Athletik, auch nicht durch einen genau getimten, kraftvollen Absprung für maximale Höhe aus beiden Beinen, kurz und schmerzlos. Vielmehr war seinen Einlagen eine ganz besondere Eleganz inne. LaVine schien anzulaufen und dann einfach abzuheben, durch die Luft zu schweben, immer weiter zu steigen, scheinbar mühelos. Als hätte er eine unsichtbare Rolltreppe genommen.
Der Shooting Guard wurde am 10. März 1995 geboren. Nur wenige Monate später gewann ein 32-jähriger Shooting Guard in Houston seinen ersten und einzigen NBA-Titel. Ein 32-Jähriger, der eben dieses fließend-flüssige Abheben vom Hardwood, dieses Durch-die-Luft-Gleiten so vollendet beherrschte, dass es längst zu seinem Markenzeichen geworden war.
Und sich in einem Spitznamen veredelte, der mindestens ebenso stilvoll und delikat, und dabei auch noch onomatopoetisch, daherkam. Clyde "The Glide" Drexler.
Hauptsache nicht peinlich
"Der Name wurde mir von einigen High-School-Kameraden gegeben", erzählt Drexler später im Interview mit fifteenminuteswith.com. "Das war in der elften Klasse. Damals musste sich dein Spitzname mit deinem wirklichen Namen reimen, deswegen blieb er hängen." Er habe nichts dagegen gehabt - weil er nicht peinlich war. "Ein paar Jungs bekamen richtig schreckliche Spitznamen, aber ich bekam meinen, weil ich so weit vom Korb abheben und dunken konnte. Bis heute nennen mich die Leute Glide."
Bis er sich dieses Ehrenzeichen verdient, müssen eine ganze Menge Basketbälle dran glauben. "Meine Mutter hat mir zu Weihnachten immer einen Ball geschenkt, wie ein Uhrwerk, weil sie wusste, dass ich ihn über den Rest des Jahres abnutzen werde." Mit acht Jahren wird der junge Clyde Austin so richtig verrückt nach dem Sport. In der Folge hängt er sich an den Rockzipfel seines älteren Bruders James, der ihn zu Pickup-Games auf den Streetcourts der Stadt schleppt. Zuerst in der Umgebung, dann weiter und weiter.
Der Ehrgeiz ist also schon da. Aber erst als auf der Sterling High School ein Wachstumsschub einsetzt und Drexler plötzlich an der Zwei-Meter-Marke kratzt. Die Muckis bleiben dabei verständlicherweise erst einmal auf der Strecke. Als er zu spät zum Training kommt und nicht die geforderten Liegestützen schafft, wirft ihn sein Coach erst einmal raus.
Also spielt der im Stolz verletzte Teenager nur noch in der Mittagspause gegen die früheren Kollegen - und spielt sie in Grund und Boden. Doch erst als seine Mutter zwischen ihm und Trainer Jackson vermittelt, finden sie zueinander: "Sie hat mir den Kopf gewaschen. Sie sagte: 'Du spielst', also spielte ich."
Hakeem Olajuwon und Phi Slama Jama
Obwohl er als Center in seinem letzten High-School-Jahr einmal 34 Punkte und 27 Rebounds auflegt, bleiben nach seinem Abschluss die ganz großen Angebote aus. Also bleibt er in seiner Heimatstadt und spielt für die University of Houston. Als er in seinem ersten Auftritt im Training einen Alley-Oop nach dem anderen versenkt, wird er flugs vom Ende der Bank in die Starting Five befördert. Es ist der erste Windstoß eines Wirbelsturms, der über die College-Landschaft hinwegfegen wird.
Eine von Drexlers ersten Aufgaben: Einen Rekruten aus Nigeria auf dem Campus in Empfang nehmen. Ein gewisser Akeem Olajuwon. "Sie haben mir gesagt, dass es sich um einen Seven-Footer handeln soll - und wenn es keiner ist, sollte ich ihn sofort wieder ins Taxi stecken und zum Flughafen zurückschicken", lacht Drexler. Aber Olajuwon darf bleiben - und in der Folge entwickelt sich langsam aber sicher eine "dunkende Bruderschaft". Zehn Jahre vor den "Fab Five" ist es die Phi Slama Jama, die die Fans begeistert.
"Wir haben das College-Spiel verändert", erinnert sich Drexler. "8 bis 10 unserer Spieler spielten über dem Ring, unsere Athletik war schon fast furchterregend." Die völlig überforderten Gegner sind teilweise schon vor dem Tip-Off besiegt: "Wir kamen auf den Court wie Mike Tyson in den Ring, bevor er jemanden ausknockte." Zwei Final Fours erreicht Drexler in seinen drei Jahren auf dem Court - und trifft dabei auf den Konkurrenten, der seine Karriere so definiert, dass man es eigentlich für vorgezeichnet halten könnte: Michael Jordan.
MJ und Glide - in einem Team?
Seit rund 30 Jahren ist MJ der Fixstern, um den die NBA kreist. Kobe Bryant - der nächste Jordan? LeBron James - besser als Jordan? Vince Carter - ein besserer Dunker als Jordan? Wo sich die folgenden Generationen jedoch an Jordan messen lassen müssen, musste sich Drexler mit Jordan messen. Zum ersten Mal 1982 im Final Four gegen North Carolina, den späteren Champion. Drexler legt 17 Punkte auf, dem ein Jahr später aufs College gekommenen Jordan gelingen - 18. Ein Bild mit Symbolcharakter - und nicht das letzte Mal, dass die beiden aufeinander treffen sollten.
Dabei hätte nicht viel gefehlt, und die beiden hätten zusammen in Portland aufgeschlagen. Denn ein Jahr, nachdem Drexler mit dem 14. Pick in den Nordwesten der USA übersiedelt und in seinem Rookie-Year für keine großen Wellen sorgen kann, stehen Olajuwon und Jordan zur Wahl.
Es ist klar: Olajuwon geht als Top-Pick vom Board. Aber danach? Sam Bowie oder Michael Jordan nach Portland? Hätten die Blazers nur eine etwas bessere Frontline gehabt, "Air" und "The Glide" wären im gleichen Team gelandet. Dazu kommt es jedoch nicht. "Wir brauchten Verstärkung in der Mitte", betont Letzterer gegenüber BleachersBrew. "Niemand wusste, wie sich Sam oder Michael schlagen würden." Big Man Sam Bowie geht als einer der größten Busts überhaupt in die Geschichte ein, auch aufgrund vieler Verletzungen.
Doch es hätte noch eine zweite Möglichkeit gegeben, verriet Olajuwon später in seiner Autobiografie Living the Dream. Angeblich lag den Rockets ein Angebot vor: Drexler und der zweite Pick für Center Ralph Sampson, Number-One-Pick des Vorjahres. Damit hätte man die Phi Slama Jama-Brüder vereint - und mit dem zweiten Pick MJ wählen können. Ein Team mit Jordan, Drexler und Olajuwon? Die NBA-Geschichtsbücher wären anders ausgefallen, soviel lässt sich mit Bestimmtheit sagen.