Portland ist zu Gast in Miami. Das Spiel ausgeglichen. Noch 17 Sekunden auf der Uhr beziehungsweise 7 Sekunden für die Heat, um einen Wurf abzugeben. Zeit genug also für Dwyane Wade, zum Helden zu werden. Eigentlich, denn mit Nicolas Batum klebt einer der besten Flügelverteidiger der Liga an ihm. Egal, ein Screen von Whiteside genügt, um dem 33-Jährigen ein bisschen Platz zu verschaffen. Wurf. Swish. Game.
Flash ist wieder der Closer für die Heat. Er ist wieder der Fixpunkt einer Offense, die von Dragic dirigiert und von Wade vollendet wird. Im Moment liegen die Zeiten, in denen Wade die zweite oder sogar dritte Geige gespielt hat, in weiter Ferne. Rechnet man die letzten acht Spiele vor dem Spiel gegen Oklahoma City zusammen, dann stand der Shooting Guard 32,9 Minuten im Schnitt auf dem Feld, erzielte 28,3 Punkte bei einer Quote von 50 Prozent, verteilte 3,9 Assists, holte 3,3 Rebounds und 1,5 Steals.
Werte, die an einen Wade erinnern, der schon mehrere Male für tot erklärt wurde. Das Miami sechs dieser acht Spiele gewann, hilft besonders im Rennen um eine gute Playoff-Platzierung in der Eastern Conference.
James, Bosh weg = Wade übernimmt
Diese Leistungssteigerung hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Heat zurzeit einfach von einem Wade in Topform abhängig. Das war in den letzten Jahren, zum Teil auch in dieser Saison, nicht so. Doch durch den Wechsel von Best-Buddy James und den Ausfall vom designierten Franchise Player Chris Bosh ist es an Wade, die Heat wieder mal auf seine Schultern zu nehmen.
Das ist einerseits natürlich nichts Neues für ihn. Aber Erwartungen hin oder her, ohne einen gesunden Körper und die nötige Fitness geht nichts. Und Wade ist körperlich endlich mal wieder voll auf der Höhe: "Ich fühle mich so gut wie seit Jahren nicht mehr", sagte Wade nach dem Spiel gegen die Trail Blazers. "Ich habe mich natürlich gefragt, warum ich mich in den letzten zwei Jahren nicht so fühlen konnte. Aber so ist es eben. Zurzeit kann ich dem Team geben, was es braucht."
Noch eine Veranschaulichung gefällig, wie gut Wade im März drauf ist? Während der besagten acht Spiele erzielte er siebenmal mehr als 25 Punkte - solch einen Lauf hatte er zuletzt 2010. Besonders auffällig waren dabei seine Leistungen im vierten Viertel. In den letzten 15 Spielen führt Wade die Liga mit Punkten im letzten Abschnitt an. Gegen Portland scorte er zum Beispiel die letzten acht Punkte. Während der gesamten Saison muss er sich in Sachen 4th-Quarter-Scoring nur LeBron James beugen (7,0 vs. 7,3).
Der Midrange-Jumper als beste Waffe
Wade hat während dieser Phase auch wieder zu seinem alten Spiel gefunden. Er verlässt sich nicht mehr auf Catch and Shoot-Situationen von der Dreierlinie, sondern nimmt sein Glück selbst in die Hand. Dabei überzeugt er durch einen Ansatz, der in der NBA kaum noch verbreitet ist. Und zwar ist Wade einer der letzten verbliebenen Spieler, die ihre Punkte aus dem Midrange-Bereich erzielen. Aktuell sieht er dabei wie die bessere Version eines Richard Hamilton aus.
Dem 1,93 Meter großen Shooting Guard ist es dabei egal, dass viele Experten wie beispielsweise Stan van Gundy den Midrange-Jumper als schlechtesten Wurf im Basketball ansehen. Dem Modell der Houston Rockets, das aus Dreiern und Freiwürfen besteht und ohne Mitteldistanzwürfe auskommen will, kann er dementsprechend nichts abgewinnen. Vor kurzem wurde Wade gefragt, ob er es schade fände, dass es kaum noch Spieler gibt, die sich auf den Wurf aus der Mitteldistanz spezialisieren. "Kein bisschen", antwortete Wade staubtrocken. "Für mich ist das super. So habe ich meine eigene Nische. Besser geht es doch nicht."
Und warum sollte Wade auch andere Würfe nehmen, wenn er sich doch, nach eigener Aussage, beim Midrange-Jumper wohler als bei jedem anderen Wurf fühle. Der Erfolg gibt ihm Recht. Mit seinen 21,6 Punkten im Schnitt (bester Wert seit 2011/2012) liegt Flash aktuell auf Platz elf der besten Scorer der Liga. Noch vor All-Stars wie Damian Lillard, Jimmy Butler oder John Wall.
Coach Spoelstra mit Urvertrauen gegenüber seinem Star
Und dieses Scoring wird in den letzten Wochen der regulären Saison noch sehr, sehr wichtig für das Team von Erik Spoelstra. Der Coach weiß aber, dass er sich auf seinen Schützling verlassen kann: "Er lebt für diese Momente. In seinen zwölf Jahren in der Liga hat er gezeigt, dass er seine besten Momente immer dann hat, wenn man sie am dringendsten benötigt." Der 44-Jährige gibt auch ungewohnte Einblicke in die Taktik der Heat: "Er versteht den Moment einfach. Wir müssen gar nicht darüber reden. Hier ist der Ball, bring das Team nach Hause."
Natürlich ist es nicht nur Wade alleine, der sein Team im Rennen um die Playoffs hält. Pat Riley hat mit seinem Trade für Goran Dragic mal wieder bewiesen, dass er einer der besten Strippenzieher der gesamten NBA ist. Auch ein Luol Deng spielt in seiner ersten Saison am South Beach eine gute Runde. Ganz zu schweigen vom kometenhaften Aufstieg des Hassan Whiteside. Nicht auszudenken, was dieses Team mit einem gesunden Chris Bosh und Josh McRoberts zu leisten im Stande wäre.
So oder so schlagen sich die Heat in der ersten Saison der Post-James-Ära beachtlich. Nicht jeder hatte sie überhaupt in den Playoffs erwartet. Wade und Co. liegen momentan auf dem siebten Platz der Eastern Conference und würden, Stand heute, gegen James und seine Cleveland Cavaliers antreten. Aber: Aufgrund der schwächelnden Milwaukee Bucks, die nur 1,5 Spiele vor den Heat liegen, ist der sechste Platz durchaus im Bereich des Möglichen. Sollte der erreicht werden, ginge es gegen die Raptors - bei diesem Matchup könnte man Miami sogar leicht als Favoriten sehen.
Dwyane Wade wird egal sein, gegen wen es geht. Er wird alles dafür tun wollen, den Fans, den Teammates und den Kritikern zu zeigen, dass er noch nicht weg ist. Solange er die aktuellen Leistungen aufrechterhalten kann, werden die Heat gegen jeden Gegner eine Chance haben.