Millers individuelle Erfolge zeichnen den Weg eines außergewöhnlichen Spielers nach: Fünfmal wird der heute 53-Jährige ins All-Star-Team berufen, 1994 gewinnt er als zweitbester Scorer hinter Shaquille O'Neal mit dem Team USA die Weltmeisterschaft. Zwei Jahre später folgt Gold bei Olympia in Atlanta. In der All-Time-Scoring-List der NBA belegt Miller mit 25.279 Punkten den 20. Rang.
Als einer von nur sieben Spielern in der Geschichte der Liga steigt er in den elitären 50-40-90 Klub auf. Das Kunststück, eine Wurfquote von 50 Prozent, eine Dreierquote von 40 Prozent und eine Freiwurfquote von 90 Prozent zu erzielen, gelingt Miller in der Saison 93/94.
Vor Beginn seiner langen Karriere sah es aber nicht danach aus, als würde aus Reginald Wayne Miller überhaupt ein Sportler werden. Aufgrund einer angeborenen Hüft-Fehlstellung musste er als Kind fünf Jahre lang Beinschienen tragen. Seine Ärzte prognostizierten, dass er nie ohne Hilfe werde gehen können. Aber Miller war schon damals ein Kämpfer und konnte bald mehr als das.
Die Schwester als Gegnerin
In einer sportlichen Familie half ihm der Wettbewerb mit seinen älteren Geschwistern, die verlorenen Jahre aufzuholen. Das tägliche Eins-gegen-eins mit Cheryl, die zu einer der besten Basketballerinnen der US-Geschichte wurde, hatte auch Auswirkungen auf Reggies Spiel. So trainierte er sich beim Wurf eine ungewöhnlich hohe Flugkurve an, um den Blocks der großen Schwester zu entgehen.
Nach dem Besuch der Riverside High School in seinem Geburtsort im kalifornischen Süden, schaffte Miller den Sprung an die UCLA. In seinem letzten Jahr bei den Bruins wurde in der NCAA die Dreierlinie eingeführt - Miller lernte sie von Anfang an lieben und traf zum Einstand 44 Prozent von Downtown.
Als zweitbester Scorer der College-Historie hinter einem gewissen Kareem Abdul-Jabbar und mit einem Abschluss in Geschichte in der Tasche machte sich der 22-jährige Miller 1987 auf den Weg in die NBA. Die Pacers wählten den schmächtigen Shooting Guard an elfter Position im Draft und gleich in seiner ersten Saison knüpfte Miller dort an, wo er am College aufgehört hatte - er versenkte Dreier. 61 Stück um genau zu sein: Rekord für einen Rookie und der Beginn einer großen Shooter-Karriere.
Der Dreier war Millers Wurf. Insgesamt 2560-mal rauschte der Spalding in der NBA durch die Reuse, nachdem er seine Hand von Downtown verlassen hatte. Bis 2011 hielt sein Rekord, dann musste er den Spitzenplatz in den Geschichtsbüchern an Ray Allen abtreten.
Mr. Four-Point-Play
Eindrucksvoll war vor allem, die Art und Weise, wie Miller punktete: Immer wieder gelang es ihm, seine Gegenspieler an Blöcken abzustreifen und den langen Jumper über den heranstürmenden Verteidiger eiskalt zu verwandeln. Nicht selten wurde er dabei zusätzlich gefoult, wobei der Leg-Kick nicht ohne Grund untrennbar mit Miller verbunden ist.
Aber Reggie Miller versenkte nicht einfach nur Würfe - er zelebrierte sie. Eine Verbeugung für das Publikum hier, ein Luft-Küsschen für die Gegner da. Miller war ein Showman. Nicht nur in seinem eigenen Talk-Format, in dem der Pacers-Star Anfang der Neunziger in viel zu großen Anzügen über die Bildschirme flimmerte, sondern auch auf dem Parkett.
Ein Schnacker vor dem Herrn
"Reggie war einer der besten Entertainer und Darsteller der Sportwelt", so Journalist Ahmad Rashad: "Aber er war auch einer der besten Trash-Talker in der Geschichte der NBA. Und er war so gut darin, dass die gegnerischen Spieler schon eine Woche vor der Partie gegen die Pacers zueinander sagten: 'Lass Reggie nicht in deinen Kopf'. Und was passierte? Er war schon drin, als er nur 'Hallo' sagte und fragte, wie es dir heute geht."
Miller selbst beschrieb seine Aktionen so: "70 Prozent von dem Gerede auf dem Parkett war ausschließlich dafür da, um mich anzufeuern. Mit den anderen 30 Prozent versuchte ich, in die Köpfe der Gegner zu kommen." Diese Meinung über das Verhältnis von Motivation und psychologischer Kriegsführung vertrat Miller mit Sicherheit exklusiv.
Aber die Reaktionen der anderen Spieler zeigten, dass es funktionierte. Selbst Michael Jordan ließ sich von Miller aus der Fassung bringen und 1993 zu einem Faustschlag hinreißen, der His Airness die zweite Sperre seiner Kariere einbrachte.
Lasst die Spiele beginnen
Uncle Reg lebte für diese Momente. Er genoss es, seine Kontrahenten zur Weißglut zu bringen. Nicht bösartig. Eher schlitzohrig, clever, gerissen. In den Spielen gegen die Pacers wurde vielen Akteuren erst bewusst, welchen Einfluss mentale Stärke und Präsenz auf das Spiel nehmen können - spätestens, wenn ihnen Reggies ständiges Geschwätz die Konzentration raubte.
So ging es auch New Yorks Heißsporn John Starks. Der Shooting Guard der Knicks verlor 1993 in Spiel drei der ersten Playoff-Runde nach einem von Millers unzähligen Sprüchen die Kontrolle, gab seinem Gegenspieler eine Kopfnuss und flog aus der Arena. Indiana gewann die Partie, nicht aber die Serie, die den Beginn der intensiven Pacers-Knicks-Rivalität markierte. Zwischen 1993 und 2000 trafen die beiden Franchises in der Postseason sechsmal aufeinander: der Nährboden für außergewöhnliche Spiele und einige der bedeutendsten Clutch-Performances der NBA-Geschichte.